Drama als Motor im Wahlkampf

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Dirty Campaigning

Die Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" entpuppte sich als verdeckte Propagandamaßnahme der SPÖ. Doch der digitale Wahlkampf war nicht nur "dirty", er brachte auch wegweisende innovative Elemente.

Eines zeigte diese Wahl ganz deutlich: Was für ein Hochrisikospiel Schmutzkübelkampagnen (natürlich nicht nur im Internet) sind. Wenn sie auffliegen, können sie eine gesamte Kampagne gefährden. Und genau das ist passiert, als bekannt wurde, dass ausgerechnet SPÖ-Berater Tal Silberstein hinter den anonymen Facebook-Seiten "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Wir für Sebastian Kurz" stand. Diese Seiten sollten Kurz unsympathisch und unwählbar erscheinen lassen -und potenzielle Fans abschrecken. Letztlich brachten diese üblen Seiten die Sozialdemokraten in Erklärungsnot, wobei die Debatte in Österreich schnell zu einem gegenseitigen Anpatzen der Parteien wurde - und noch mehr Emotion in die sozialen Medien brachte.

Gerade im Netz war die Tonalität hart - doch das soll über eines nicht hinwegtäuschen: Der digitale Wahlkampf war derb, doch gleichzeitig beinhaltete er auch sehr innovative Elemente. Noch nie hatten wir eine Wahl, in der soziale Medien eine dermaßen große Rolle spielten. Selbst die Bundespräsidentschaftswahl im Vorjahr kann hier nicht mithalten. Wir sahen, wie beängstigend, aber auch wie bedeutend die digitalen Tools geworden sind.

Digitale Materialschlacht

Zum Beispiel gibt es mittlerweile online richtig Wettbewerb -und nicht nur die FPÖ allein auf weiter Flur. Es ist anscheinend doch kein Naturgesetz, dass die FPÖ im Internet stets dominiert. ÖVP-Chef Sebastian Kurz erzielte schon im Sommer mehr österreichische Facebook-Fans als Heinz-Christian Strache -der FPÖ-Obmann hatte bis dahin die Online-Rankings immer angeführt. Auch bei der Anzahl der Likes, der Kommentare und Shares gab es ein Dreierrennen zwischen Strache, Kurz und Kern. SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern hat gerade in der Schlussphase viel Interaktion (Likes, Kommentare, Shares) online erhalten -und je mehr Likes, Kommentare und Shares ein Kandidat erhält, desto sichtbarer sind seine Beiträge auf Facebook.

Aus Sicht der kleinen Parteien war das eine schwierige Situation: Zwar gibt es mittlerweile mehr Wettbewerb und die Dominanz der FPÖ scheint gebrochen, doch gerade Grüne, Neos und die Liste Pilz fielen online kaum auf. Die Kleinparteien lösten weitaus weniger Echo im Netz aus -was ihrer Sichtbarkeit gewiss schadete. Woran lag das? Einerseits hatten es Grün, Pink und Pilz in dieser Wahl schwer, weil sich die Debatte stark um die Frage des Führungsanspruchs drehte. In einem Rennen um Platz 1 fällt es kleinen Parteien schwer, aufzufallen -das gilt online wie offline. Andererseits könnte der Grund für die fehlende Reichweite auch sein, dass die Kleinparteien weniger Geld in Facebook-Werbung investierten, und auch dadurch etwas unsichtbarer waren. Dieser Wahlkampf war eine digitale Materialschlacht -Facebook und YouTube wurden vollgespült mit politischen Inseraten. Wir wissen nicht, wie viel Geld ÖVP/SPÖ/FPÖ in Werbung auf sozialen Medien steckten, aber höchstwahrscheinlich war es bei diesen Parteien eine sechsstellige Summe, vielleicht floss sogar ein Millionenbetrag an österreichischen Werbegeldern an Facebook und Co.

Licht und Schatten

Diese Zahlen verdeutlichen, wie soziale Medien mit zum Herzstück moderner Wahlkämpfe wurden. Und tatsächlich sind inzwischen Vergleiche mit den Vereinigten Staaten angebracht. Sowohl das Dirty Campaigning als auch die digitale Innovation haben wir mittlerweile mit den USA gemein.

Zuerst zur Schattenseite: Die große Parallele zwischen der US-Präsidentschaftswahl und der Nationalratswahl war das Tarnen und Täuschen. Hierzulande tarnte sich die Fanpage "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" als islamfeindliche, rassistische Seite und attackierte den konservativen Kandidaten Kurz von rechts (so hatte auch kaum jemand den Verdacht, dass ein SPÖ-Berater dahinter steckte). In den Vereinigten Staaten waren solche Täuschmanöver ebenfalls auf Facebook zu beobachten -allerdings von russischer Seite. Wie nun bekannt wurde, soll ein Kreml-nahes Unternehmen ebenfalls anonyme Pages im US-Wahlkampf betrieben und auf Facebook sehr aggressive Inhalte als Werbung eingespeist haben -wohl um die politische Stimmung in den USA rauer zu machen. Gerade die Möglichkeit, anonym eine Facebook-Seite zu betreiben, stellt für politische Akteure eine ungeheuer Versuchung dar, unerkannt den Gegner zu attackieren. Diese unfairen Attacken kennen wir mittlerweile aus unterschiedlichen Ländern -und leider ist Österreich bei diesem Trend der Irreführung im Netz ganz vorne dabei.

Dann die positive Nachricht: Auch eine Professionalisierung lässt sich beobachten. In technologischer Hinsicht haben heimische Parteien viel dazugelernt -speziell von den USA. Das Team von Sebastian Kurz setzte zum Beispiel eine gleichnamige Smartphone-App ein, die die eigenen Fans permanent antrieb: Man konnte sich tägliche "Challenges" setzen und wurde dann jeden Tag per Software daran erinnert. Ein Pop-up sagte den Nutzern zum Beispiel, dass sie heute noch ein Foto oder ein Video für Kurz auf Facebook posten sollen -oder man wurde erinnert, im Bekanntenkreis noch Anrufe für den Kandidaten zu machen. Ähnliche Software zum Anfeuern und Koordinieren der eigenen Fans hat zum Beispiel schon Barack Obama in den USA eingesetzt. Hierzulande sind solche Mobilisierungs-Apps allerdings eine Neuerung.

"Jetzt erst recht"-Mentalität

Dies zeigt den größten Nutzern der digitalen Tools: Das Internet dient oft wie ein Katalysator -es treibt gesellschaftliche Entwicklungen noch stärker an. Ein Kandidat, der keinen interessiert, wird auch online kaum Erfolg haben. Populäre Politiker hingegen können die sozialen Medien oder auch Apps nutzen, um noch mehr Fans an sich heranzuholen -jeden Tag sehen diese Unterstützer dann auf Facebook, was ihr Kandidat schon wieder Großartiges gemacht hat oder wo die Partei ihre Hilfe benötigt. Nicht nur ÖVP und FPÖ haben die eigenen Fans stark eingebunden: Die SPÖ nutzte beispielsweise eine anonyme Facebook-Gruppe namens "Wir für Christian Kern", um dort eifrigen Fans stets neue Inhalte mitzuteilen, die sie teilen sollten.

Interessanterweise hat sogar die Affäre Silberstein online wie ein Brandbeschleuniger gewirkt: Als die SPÖ in die Offensive ging und der ÖVP ebenfalls unredliche Methoden vorwarf, war in beiden Lagern eine Dramatisierung zu beobachten. Nehmen wir ein Video, das Christian Kerns Fanpage am 5. Oktober gepostet hat: Dieser sitzt in seinem Büro und kritisiert die Berichte, die beispielsweise über seine Frau Eveline Steinberger-Kern verbreitet worden sind. Fast 10.000 Likes erhielt das Video, mehr als 2400 Mal wurde es geteilt. Nur einen Tag später postete das Team von Sebastian Kurz ein Bild, auf dem dieser wiederum das Dirty Campaigning von Tal Silberstein kritisierte: Gut 5500 Likes erntete das Foto und wurde mehr als 500 Mal geteilt. Zumindest bei den sehr aktiven Fans scheint die Dirty-Campaigning-Debatte keine Resignation ausgelöst zu haben -sondern ganz im Gegenteil eine "Jetzt erst recht"-Mentalität.

Tatsächlich sind mittlerweile Vergleiche mit den Vereinigten Staaten angebracht. Sowohl das Dirty Campaigning als auch die digitale Innovation haben wir inzwischen mit den USA gemein.

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