„Eigenes Gesetz für Forscher“

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Die im Amt bestätigte Vorsitzende der Bioethikkommission Christiane Druml im Interview über Integrität in der Wissenschaft, Humanität in der Medizin und über die umstrittene Empfehlung zur Stammzellenforschung. Das Gespräch führte Regine Bogensberger

Die Eröffnungsveranstaltung anlässlich der neuen Amtsperiode der Bioethikkommission befasste sich mit einer Frage, die auch dieses Gremium noch stärker beschäftigen soll: Wissenschaftliche Integrität.

Die Furche: Frau Druml, welche Themen sollen in der nächsten Amtsperiode unbedingt auf die Agenda?

Christiane Druml: Zunächst sind wir Beratungsorgan des Bundeskanzlers, und wir warten ab, ob die eine oder andere Frage an uns herangetragen wird. Zum zweiten möchte ich ein Thema gerne weiterbehandeln, das wir schon in der alten Zusammensetzung diskutiert haben: Wissenschaftliche Integrität. Das Thema ist aktueller denn je, wenn man an wissenschaftliches Fehlverhalten in Österreich und anderen Ländern in den letzen Jahren denkt.

Die Furche: Hat man aus diesen Fällen gelernt?

Druml: Ja, so hat zum Beispiel die österreichische Akademie der Wissenschaften eine Agentur für wissenschaftliche Integrität gegründet, in der die österreichischen Universitäten Mitglieder sind. In Innsbruck wurde an der Medizinischen Universität ein „Scientific Integrity Board“ eingerichtet. Wenn es zu Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens kommt, braucht es ein Prozedere, um mit diesen Fällen umzugehen.

Die Furche: Was können diese Einrichtungen leisten?

Druml: Sie schreiben einen Kodex für das Verhalten vor. Was mir als Vorsitzende der Bioethik-Kommission noch fehlt, sind Antworten auf die banale Frage: Warum brauchen wir ein korrektes wissenschaftliches Verhalten?

Die Furche: Und warum?

Druml: Es geht um Vertrauen in die Wissenschaft.

Die Furche: Müsste das nicht selbstverständlich sein?

Druml: Die Kombination Geld und Wissenschaft sowie Geld und Medizin bringt immer eine gewisse Gefahr mit sich. Die großen internationalen medizinischen Skandale der letzten Jahre sind dadurch entstanden, dass Daten bei der Medikamentenentwicklung selektiv unterdrückt oder Ergebnisse selektiv publiziert wurden oder dass das Design einer klinischen Studie so angelegt wurde, dass es Ergebnisse in eine gewisse Richtung lenkt. Durch die Verpflichtung, dass jeder, der klinische Tests an Menschen durchführt, diese Prüfung in einem international öffentlich zugänglichen Register bekannt machen muss, ist schon viel gewonnen. Dadurch ist ein Paradigmenwechsel eingetreten: Alles, was früher geheim war, wird jetzt zunehmend transparenter. Es gehört zu den ethischen Grundlagen, dass alles transparent und für alle nachvollziehbar gemacht werden muss.

Die Furche: Bräuchte es mehr gesetzliche Schranken?

Druml: Viele Fragen in der klinischen Forschung haben keine Gesetzesbasis, sondern sind sogenanntes „Soft Law“: das sind Richtlinien, denen man sich als Angehöriger eines gewissen Standes beugen muss, etwa als Mitglied der Ärztekammer. Das ist ein guter Weg in die richtige Richtung. Die Wissenschaft ist international so vernetzt, dass man sich nicht als einzelnes Land herauswinden kann. Rahmengesetze der einzelnen Länder erleichtern das Verfahren.

Die Furche: Gibt es solche Rahmengesetze in Österreich?

Druml: Nur in Maßen. Sehr viele Dinge werden in einzelnen Gesetzen geregelt, wie dem Arzneimittelgesetz oder Universitätsgesetz. Der Bioethik-Kommission schwebt vor, dass alle Fragen der Forschung Eingang in ein großes Forschungsgesetz finden mögen.

Die Furche: Welches Zeugnis würden Sie heimischen Forschern für ethisches Verhalten ausstellen?

Druml: Es gibt ein hohes Maß an wissenschaftlicher Integrität. Forscher sind in internationale und europäische Projekte eingebunden. Das Bewusstsein ist da; das heißt aber nicht, dass es nicht unrühmliche Fälle gibt, die dann hervorragen.

Die Furche: In Kürze findet eine Tagung zum Thema „Herausforderung Humanität: Medizin und Ethik“ statt, an der Sie teilnehmen werden (siehe Artikel links). Wie human ist die Medizin?

Druml: Wir haben ein ausgesprochen gutes medizinisches System. Die Frage ist eher, inwieweit Erwartungen, die der Einzelne an die Medizin hat, gerechtfertigt sind. Jeder erwartet, dass es für jedes medizinische Problem eine Lösung geben muss – das kann es nicht geben.

Die Furche: Wie würden Sie Humanität definieren?

Druml: Ein wichtiger Punkt ist die Autonomie des Patienten. Dazu gehört entsprechende Aufklärung und Information. Dazu gehört auch entsprechende Kommunikation. Auch muss der Faktor Zeit in der Behandlung des Patienten eine andere Wertung bekommen, es darf nicht nur die Technik zählen.

Die Furche: Patienten, die schwer krank sind, stoßen bald auf Grenzen von Autonomie.

Druml: In der Situation einer Erkrankung ist jeder verwundbar und benötigt das richtige Maß an Zuwendung und Kommunikation.

Die Furche: Ulrich Körtner schreibt (im Beitrag links), dass sich die Medizin ihrer Endlichkeit bewusst sein müsse. Wie kann das gehen?

Druml: Ein richtiger Weg ist etwa die Palliativmedizin.

Die Furche: Zuletzt das Thema Stammzellenforschung: Im Frühjahr hat die Kommission eine Empfehlung abgegeben, wonach die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen „wissenschaftlich relevant, moralisch grundsätzlich legitim und förderungswürdig“ sei. Was ist seither passiert?

Druml: Wir haben dazu lange diskutiert und viele Experten gehört. Es tut sich weltweit ständig etwas auf diesem Gebiet. Nach unserer Empfehlung wurde angeregt, dass die Diskussion auf Ministerialebene weitergeführt wird. Ich weiß nicht, in welchem Stadium sich dieses Vorhaben zurzeit befindet.

Die Furche: Ist das nicht unbefriedigend? Sie haben bereits gefordert, dass es einen gesetzlichen Rahmen für diese Forschung brauche.

Druml: Ich bin Juristin, natürlich braucht es dringend Regeln und Gesetze. Auf der einen Seite ist unser Mandat zu Ende, sobald wir eine Empfehlung herausgeben. Auf der anderen Seite haben die Mitglieder, die ehrenamtlich in der Kommission tätig sind, sehr viel Zeit und Mühe hineingesteckt. Und jeder, der etwas macht, will, dass ein Ergebnis eine Auswirkung hat.

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