Eigentliches Ziel wird weitestgehend verfehlt

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Manchen sozialistischen Gewerkschafter hat offenbar der Mut verlassen, sich auf eine Erhebung der tatsächlichen Bedürfnisse seiner Mitglieder einzulassen.

Die Frage nach einer Urabstimmung im ÖGB wird im ÖAAB grundsätzlich positiv bewertet. Wäre man im ÖGB mit der richtigen Zielsetzung und dem nötigen Mut an die Formulierung der Fragen herangegangen dann hätte diese erste Urabstimmung in der Geschichte des ÖGB zu einem Probegalopp für eine Urwahl werden können und so zu einem Schritt Richtung demokratischer Erneuerung der Gewerkschaft. Bisher ist die Möglichkeit zur echten Mitbestimmung der einzelnen Gewerkschaftsmitglieder ja eher gering.

Der ÖGB hat seit der schwarz-blauen Regierungsbildung immer öfter politische Schlagseite erhalten. So ist eine an sich als unabhängige Gemeinschaft zur Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder konzipierte Gruppe in vielen Äußerungen immer mehr zu einer Vorfeldorganisation der SPÖ geworden. Dass die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) das nicht immer abstellen konnte, liegt in der Natur der Stärkeverhältnisse. Diese würden sich im Falle einer Urwahl zweifellos zu Gunsten der FCG in Richtung einer Relation von zirka 2:1 zwischen Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter (FSG) und FCG verändern.

Der Verdacht, die Urabstimmung im ÖGB werde von maßgeblichen Kreisen im Sinne der SPÖ parteipolitisch missbraucht, lag daher auch von Anfang an durchaus nahe. Ein Verdacht, der seine Bestätigung auch in den Aussagen fand, die der ÖGB zur Bewerbung der Urabstimmung an seine Mitglieder verschickte. Die darin aufgestellten Behauptungen entbehrten jeglicher sachlicher Grundlage und waren eine reine Fortsetzung der Polemik gegen die Regierungspolitik und jener Politik des Mauerns, die die Sozialdemokraten in so vielen wichtigen Entscheidungen der letzten Jahre an den Tag gelegt haben.

Mittlerweile liegen die Fragen zur Urabstimmung auf dem Tisch, und es hat sich herausgestellt, dass die Abstimmung im Grunde nur eine Ansammlung von No-na-Fragen ist. Es werden großteils Tatsachen und Einstellungen abgefragt, die ohnehin von niemandem in Zweifel gezogen werden. Die Antworten darauf werden vom ÖGB also keine verstärkte Aktivität geschweige denn eine Änderung seines Kurses verlangen. Offenbar hat manchen sozialistischen Gewerkschafter der Mut verlassen, sich auf eine Erhebung der tatsächlichen Bedürfnisse seiner Mitglieder einzulassen. Eine Ansicht, die der ÖAAB im übrigen nicht alleine vertritt. Die meisten Kommentare in den Medien vertreten diese Meinung ebenso.

Die Urabstimmung wird daher weder zur Lösung wichtiger gesellschaftspolitischer Probleme, wie etwa dem Einstieg in die zweite Säule der Altersvorsorge durch die Abfertigung Neu oder einer Verbesserung des Gesundheitssystems, beitragen, noch werden in der allgemeinen Substanzlosigkeit und Belanglosigkeit der Fragestellung die tatsächlichen Probleme der Menschen erfasst. Damit erübrigt sich auch eine Empfehlung des ÖAAB an seine Mitglieder über Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an der ÖGB-Urabstimmung. Die Gewerkschaft hat leider die Chance verspielt, die Urabstimmung zu dem zu machen, was sie eigentlich sein sollte: die Absicherung eines möglichst breiten Konsenses zwischen Gewerkschaftsvertretern und -mitgliedern über die Vorgangsweise bei Reformen und gesellschafts- und sozialpolitischen Weichenstellungen.

Wer Fragen nach Tatsachen stellt, die ohnehin von niemandem zur Disposition gestellt werden, der gerät in den Verdacht, die wahren Wünsche seiner Mitglieder ohnehin nicht so genau kennen zu wollen. Wer nach der Absicherung fest verankerter Grundsätze fragt, will sich damit offenbar nur einen Freibrief für den unveränderten Fortbestand seiner Existenz und Tätigkeit ausstellen lassen. Zu begrüßen ist, dass es Vizepräsident Fritz Neugebauer und der FCG gelungen ist, parteipolitisch einseitige Fragen zu verhindern. So wird der ÖGB aus seiner Misere nicht herauskommen. Der Millionenaufwand ist eigentlich zu schade für dieses dürftige Programm. Von Seiten des ÖAAB wird es daher weder eine Empfehlung noch eine Ablehnung der sogenannten Urabstimmung geben.

Der Autor ist ÖAAB-Bundesobmann und Dritter Präsident des Nationalrats.

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