Ein Gesetzesentwurf wird zur Glaubensfrage

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Auf den Philippinen tobt eine heftige Diskussion um Gesetze, welche die Geburtenrate unddie Zahl der HIV-Ansteckungen senken sollen. Katholiken und Moslems sind dagegen.

Carolina Biliones und Mercedes Benitez haben einiges gemeinsam. Viele Kinder zunächst. Biliones hat neun Kinder zur Welt gebracht, Benitez sechs. Auch sind beide Alleinverdienerinnen, ihre Männer arbeitslos. Biliones ist Fischersfrau auf Talim-Island. Benitez ist Ferkelzüchterin in Rosario. Daraus ergibt sich drittens: Sie haben wenig Geld. Und viertens: Verhütung wäre für sie niemals infrage gekommen. Aus kultureller Sicht ist das verständlich: Kinder gelten auf den Philippinen als Segen, sie sind ökonomisch gesehen auch eine verlässliche Altersvorsorge.

Diese Einstellung des Volkes soll sich nun aber ändern, wenn es nach der Regierung der Philippinen geht. Bevölkerungswachstum und HIV-Ausbreitung sollen eingedämmt werden, das sieht ein Plan vor, den die Regierung mit dem beziehungsvollen Namen "Reproductive health bill“, kurz "RH-bill“ versehen hat. Die Reaktionen darauf fallen eindeutig aus in dem Land, dessen Einwohner zu etwa 85 Prozent streng gläubige Katholiken sind: "Der Blitz soll jene treffen, die die RH-bill unterstützen“, wetterten die katholischen Bischöfe.

Eine lange Diskussion

Seit 18 Jahren wird das Gesetz schon in verschiedenen Fassungen diskutiert: von der Selbstbestimmung der Frau über Anzahl und Abstand der Kinder und die Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit über großangelegte Informationskampagnen über HIV/AIDS und die Verwendung künstlicher Methoden der Familienplanung bis hin zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Besonders umstritten sind jene Passagen, die den Familien eine Zwei-Kind-Politik aufzwingen möchten und eine andere, wonach jeder erwachsene Bürger, der die Anwendung von Methoden der reproduktiven Gesundheit einschränkt oder verbietet, zu Geld- und sogar zu Haftstrafen verurteilt werden kann. Ordensspitäler zum Beispiel, die keine Abtreibungen durchführen möchten.

"Wir haben in die Diskussion einige Punkte eingebracht, die wir bereit sind, aufzugeben“, gesteht Risa Hontiveros, Sprecherin der demokratischen Links-Partei AKBAYAN, die Teil der Regierungskoalition ist. Der Witwe und vierfachen Mutter geht es -wie allen Befürwortern - prinzipiell um "choice“ und "the freedom of conscience“, also um die Wahlmöglichkeit und die Freiheit des Gewissens. Kostenloser und uneingeschränkter Zugang zu Verhütungsmitteln inklusive.

Die philippinische Regierung sei kein Wohlfahrtsstaat und die Steuerzahler seien nicht verpflichtet, für diese Kosten aufzukommen, argumentieren die Gegner der RH-bill. Zudem - so meinen sie - würden Gratis-Kondome und mehr Rechte für Schwule und Lesben die Moral senken und die sozialen und familiären Strukturen schwächen.

Verhütungsmittel würden die Zahl der illegalen Abtreibungen senken, argumentieren die Befürworter der RH-bill; und Komplikationen nach verpfuschten Abtreibungen würden sich ebenso reduzieren. Denn Abtreibungen sind illegal im Inselstaat.

Unfinanzierbares System

Die Gegner der RH-bill weisen hingegen auf das insgesamt katastrophale und für viele Menschen unfinanzierbare Gesundheitssystem hin und würden als Priorität lieber Herz- und Lungenkrankheiten sowie Tuberkulose und andere tödliche Krankheiten vor die Behandlung jener Frauen reihen, die nach illegalen Abtreibungen unter gesundheitlichen Problemen leiden.

Das Bevölkerungswachstum müsse verantwortungsvoll gestoppt werden, da es die Armut verschärfe, Armut umgekehrt aber auch starkes Bevölkerungswachstum hervorrufe, sagen die Befürworter. Kleinere Familien mit weniger Kindern würden es den Eltern besser ermöglichen, ihre Kinder zu ernähren und in die Schule zu schicken.

Die Regierung solle die eigentlichen Probleme lösen und Ursachen der Armut wie Miss-Management und Korruption stoppen sowie Bildung forcieren, dann würde auch das Bevölkerungswachstum gehemmt, argumentieren die Gegner. Konservativ gegen progressiv, rechts gegen links, katholisch gegen freidenkerisch - die nationale Debatte spaltet die Bevölkerung. Und nicht wenige vermuten auch starke wirtschaftliche Interessen einiger Pharma-Konzerne. 3,2 Kinder bringt die philippinische Frau durchschnittlich statistisch gesehen zur Welt, das ist eine der höchsten Geburtenraten Asiens. Genauer betrachtet sind es bei reicheren Frauen 2,0 und bei Armen 5,9; auch der Faktor Bildung spielt eine wichtige Rolle.

Christen und Moslems dagegen

Präsident "Noynoy“ Aquino sagte, dass er Eltern, die danach fragen, den Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglichen werde, dies aber nicht forcieren würde. Als Katholik wäre er persönlich mehr für "responsible parenthood“ und natürliche Arten der Empfängnisverhütung. Dennoch drohte der Vorsitzende der philippinischen Bischofskonferenz dem Präsidenten mit der Exkommunikation. In einem Hirtenbrief legten die Bischöfe Ende Jänner ihre Argumente gegen den Gesetzesentwurf dar. Das "Imam Council“, das die 4,5 Millionen Muslime auf den Philippinen vertritt, sprach sich strikt gegen die RH-bill aus, wohingegen die "Filipino Freethinkers“, eine Vereinigung von Agnostikern und Atheisten, sich zu 100 Prozent dafür aussprachen.

Am 31. Jänner dieses Jahres wurden sechs verschiedene Anträge im Gesetzesentwurf "für eine umfassende Politik der verantwortlichen Elternschaft, reproduktive Gesundheit und Bevölkerungsentwicklung“ vereint, im Februar durchlief er weitere politische Instanzen. Die polemische und teils heftige Diskussion über die RH-bill auf den Philippinen ist noch nicht abgeschlossen.

18 Jahre

So lange dauert bereits die Diskussion um die "Reproductive Health Bill“ der Regierung. Im Bild unten: Fischerin Carolina Biliones.

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