Ein Spitalsgesetz für Österreich muss reichen

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Gesundheitsminister Alois Stöger lässt sich das Gesundheitswesen nicht krankreden. Dennoch sieht er Handlungsbedarf: Kostensteigerung bremsen, Strukturen klären, Vorbeugung verstärken.

Steigende Kosten, zu wenig Vorbeugung bei den Gesunden, zu wenig Selbstmanagement bei Erkrankten, Verhandlungen mit Ärzten und Ländern - Gesundheitsminister Alois Stöger im Interview.

Die Furche: Wegen der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen titelte DIE FURCHE nach Alpbach heuer mit Zeitbomben ...

Alois Stöger: Mit so starken Worten bin ich vorsichtig. Zuallererst: Wir haben ein Gesundheitssystem, um welches uns die Welt beneidet, weil alle Zugang dazu haben. Sogar die OECD bescheinigt uns, Weltspitze zu sein. Von Zeitbomben sind wir weit weg. Zudem: Wir haben, auch dank des Sozial- und Gesundheitswesens und seiner arbeitsplatzsichernden Funktion in ländlichen Regionen, die Krise besser bewältigt als andere Staaten. Darüber hinaus haben wir keine Leistungseinschränkung vorgenommen, ganz im Gegenteil, mit der Mindestsicherung haben wir allen Menschen, die hier leben, einen Zugang zu einer Krankenversicherung auf hohem Niveau geschaffen ...

Die Furche: ... also weit und breit keine Zeitbomben?

Stöger: Sie haben insofern Recht, als Fragen der Ernährung, der neuen Krankheitsbilder und der Veränderungen in der Gesellschaft uns vor neue Herausforderungen stellen. Daher habe ich etwa die Entwicklung des Nationalen Aktionsplanes Ernährung veranlasst. Jetzt gibt es eine österreichische Ernährungspyramide, die unabhängig von den Herstellern der Lebensmittel entwickelt wurde. Aber wir müssen die Gesundheitsrisiken der Bevölkerung vermindern, die Kostenentwicklung so im Griff behalten, dass die Bevölkerung bereit ist, sie zu tragen.

Die Furche: Ein hoher Anteil an Jugendlichen bewegt sich zu wenig, trinkt Alkohol, konsumiert zu viel Zucker. Was läuft schief?

Stöger: Der Zugang zu Nahrung war noch nie so leicht, die Nahrung noch nie so konzentriert. Neue Formen der Beeinflussung der Menschen durch Werbung werden wirksam. Kinder und Jugendliche haben zu wenig Bewegung. Es stimmt, es gibt einen zu hohen Zuckergehalt in Getränken, sie enthalten mehr Energie als verbraucht werden kann.

Die Furche: Genau darin liegt eine Sorge.

Stöger: Der erwähnte Aktionsplan Ernährung bietet Information und Handlungsanleitung. Alle Initiativen aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Die Bäcker reduzieren ja beispielsweise gerade den Salzgehalt im Gebäck. Aber die Verantwortung für die Gesundheit liegt nicht nur im Gesundheitsministerium. Fragen des Wohnens, der Schulen, der Arbeitsplätze, das alles hat mit Gesundheit zu tun. Der von mir gestartete Prozess der Entwicklung von Gesundheitszielen ist ein Schritt, aber wir könnten weiter sein.

Die Furche: Studien zufolge können Erkrankte durch Selbstmanagement bei Diabetes oder Lungenerkrankung die Lebensqualität verbessern und Kosten senken.

Stöger: Es geht immer um mehr als einen Aspekt. Für Schulen und Arbeitsplätze sind nicht Schüler und Arbeitnehmer verantwortlich. Aber der Einzelne muss sich mit seiner Gesundheit auseinandersetzen. Bei Diabetes sind wird nicht so gut, wie ich mir das wünsche.

Die Furche: Welcher der Gesundheitsberufe, die die Regierung weiterentwickeln will, ist dafür zuständig, den Patienten anzuleiten?

Stöger: Jeder. Es gibt nicht den Primararzt, der nicht für Vorbeugung zuständig wäre. Das trifft auch den Pfleger, der Patienten animiert, Muskeln zu bewegen. Kompetenzkonflikte zwischen den Gruppen halte ich für kontraproduktiv. Wir werden künftig mehr patientenorientiert arbeiten, nicht berufsgruppenorientiert.

Die Furche: Wie lösen Sie die Komplexität in der Versorgung und der Kostenstruktur?

Stöger: Als ich Gesundheitsminister wurde, habe ich unterfinanzierte Gebietskrankenkassen vorgefunden. Es ist gelungen, deren Stabilität zu erhöhen. Zudem fand ich das vorherrschende Arztbild in den Köpfen vor, wonach eine Ärztin oder ein Arzt alleine in der Praxis steht und dann die Bedürfnisse der Menschen erfüllt. Doch wir wissen, wie sehr die Komplexität in der Medizin ansteigt. Die Arbeitsstruktur der Gesellschaft verlangt heute andere Öffnungszeiten, als das bisher in Einzelpraxen menschenmöglich war. Daher haben wir Gruppenpraxen ermöglicht. Die Kosten in den Spitälern steigen schneller an als das Bruttoinlandsprodukt. Wir wissen, dass wir an Grenzen der Finanzierung stoßen werden. Hier müssen wir jetzt handeln.

Die Furche: ... alles an Gesundheitspolitik und Kostenmanagement in einer Hand?

Stöger: Mein Ansatz ist, Planung, Steuerung und Finanzierung in eine gemeinsame Verantwortung zu bringen. Wir brauchen nicht zehn Spitalsgesetze, eines reicht. Bei zehn Gesetzen dauert jede Veränderung zwei Jahre. Die Konklusio ist: ein Spitalsgesetz für Österreich, wobei regionale Entscheidungen von den Ländern getroffen werden. Und die Finanzierung muss sich in ihren Wachstum an das Bruttoinlandsproduktes anpassen.

Die Furche: Das bedeutet, zu bremsen‘?

Stöger: Das heißt, bei begrenzten Möglichkeiten die Mittel dorthin zu geben, wo die gemeinsam definierten Gesundheitsziele erreicht werden. Es bedeutet weiters, die Transparenz im Gesundheitswesen zu erhöhen, auch hinsichtlich der Qualität. Bund, Länder und Sozialversicherung bringen sich in den von mir initiierten Diskussionsprozess ein, mit all den unterschiedlichen Positionen. Ich habe 2010 gesagt, ich möchte eine Reform des Gesundheitswesens mit dem Ziel, die Kostensteigerung bei den Spitälern zu bremsen. Das will ich - wie im Regierungsprogramm vorgesehen - bis 31. Dezember 2013 erreichen. Gelingt das früher, ist es mir Recht. Aber 2014 soll das neue Regelwerk in Kraft treten. Leistungskürzungen lehne ich aber entschieden ab.

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