Eine freie Schußbahn auf Tumoren

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Der Teilchenbeschleuniger im Operationssaal ermöglicht die direkte Bestrahlung von Tumoren während einer Operation. Diese für Österreich einzigartige Salzburger Kombination bringt Krebspatienten zahlreiche Vorteile.

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Der Teilchenbeschleuniger im Operationssaal ermöglicht die direkte Bestrahlung von Tumoren während einer Operation. Diese für Österreich einzigartige Salzburger Kombination bringt Krebspatienten zahlreiche Vorteile.

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Unter "Intraoperativer Radiotherapie" (IORT) versteht man die direkte Bestrahlung eines Tumors während der Operation. In dem chirurgisch freigelegten Areal kann eine hohe Einzeldosis eingestrahlt werden, während das umgebende, strahlenempfindliche Normalgewebe nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.

"Wir wissen die nötigen Strahlendosen sehr genau, doch bei der Bestrahlung von außen, können wir diese nicht verabreichen, weil die Patienten das nicht aushalten," erklärt Felix Sedlmayer, Oberarzt im Institut für Radiotherapie und Radio-Onkologie an den Landeskrankenanstalten Salzburg. "Mit der Intraoperativen Strahlentherapie erreichen wir die nötigen Enddosen, weil alles was empfindlich ist - Haut, gesundes Gewebe oder Knochen - schon vorher weggeschaufelt wurde."

Zuerst schneidet der Chirurg den sichtbaren Tumor heraus. Dabei gelingt zwar meistens die Entfernung der sichtbaren Geschwulst, häufig bleiben jedoch mikroskopische Tumorreste im Gewebe zurück.

Hier greift nun die Intraoperative Strahlentherapie helfend ein: Unmittelbar an den chirurgischen Eingriff anschließend - der Patient bleibt unter Narkose im Operationsraum, das Ärzteteam ist draußen und durch meterdicke Bleiwände geschützt - beginnt die fünf- bis achtzehn Minuten dauernde Bestrahlung. Der Linearbeschleuniger schießt Elektronen, die durch ihre physikalischen Eigenschaften besonders für diese kleinvolumige Bestrahlung geeignet sind, in das Tumorbett.

Die Dauer der Operation wird nur um 15 bis 20 Minuten verlängert, beschert dem Krebspatienten jedoch viele Vorteile: Durch die präzise Behandlung sind die Heilungschancen sehr groß; das gesunde Gewebe wird maximal geschont, und nach der Operation sind weniger Bestrahlungen notwendig, was einen kürzeren Krankenhausaufenthalt mit sich bringt.

Operieren und dann sofort bestrahlen Bislang ist diese Methode durch den aufwendigen Patiententransfer vom Operationssaal in den Bestrahlungsraum an den meisten Krebszentren undurchführbar geblieben. In Salzburg konnte man dieses Problem ideal lösen, da die IORT im speziell ausgerüsteten Operationsraum durchgeführt wird. "Weil wir hartnäckig waren und gut argumentiert haben", erklärt Felix Sedlmayer den "Luxus", einen Linearbeschleuniger im voll ausgerüsteten Operationssaal stehen zu haben. Die Patienten brauchen während der Operation nur mehr um zwei Meter verschoben werden. "Operation und Bestrahlung sind in diesem Fall eine zweckgewidmete Einheit."

Heidelberg ist das nächstgelegene Krankenhaus, in dem eine mit Salzburg vergleichbare Methode angewandt wird. Weltweit sind derartige Zentren an den Fingern einer Hand abzuzählen. Bereits bei mehr als 30 Salzburger Patienten kam das neue Behandlungskonzept zum Einsatz. Ein Großteil davon waren Frauen, die an Bustkrebs erkrankt waren, aber auch Enddarm-, Magen-, Bauchspeichel- und Blasenkarzinome wurden mit IORT behandelt. Dazu kommen Einsatzmöglichkeiten bei Rezidivtumoren im kleinen Becken und im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, sowie die intraoperative Bestrahlung einzelner ausgewählter kindlicher Tumore.

Ein weiterer Aufgabenbereich des Linearbeschleunigers in Salzburg ist die "Stereotaktische Radiotherapie". Darunter versteht man eine stark fokussierte Bestrahlung von Hirntumoren und Gefäßmißbildungen des Gehirns mit Hilfe einer dreidimensionalen Zielpunktberechnung.

Der Kopf des Patienten ist unverrückbar eingespannt - "vergleichbar mit der Gesichtsmaske von Hannibal Lector, im Kinohit Schweigen der Lämmer" (O-Ton Sedlmayer) - und kann so der hochdosierten Strahlenbehandlung ausgesetzt werden. Diese Form der Radiochirurgie ist eine Alternative zur offenen Hirnchirurgie.

Bei gutartigen Hirntumoren vermeidet man so die Belastung durch eine Operation. Wenn ein operativer Eingriff unmöglich ist, bietet der Strahleneingriff überhaupt die einzige Therapiemöglichkeit.

"Fachkollegen wollen überzeugt werden, sie wollen gute Argumente hören", erläutert Sedlmayer seine eineinhalbjährige Überzeugungsarbeit bei den Salzburger Chirurgenteams, die er in seinen IORT-Operationsraum lockt. Er bezeichnet sich selbst als "Wanderprediger", und die erfolgreiche Zusammenarbeit von Chirurgie und Strahlentherapie bestärkt Sedlmayer in dessen Tätigkeit.

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