Eine ganz erstaunlich lebendige Kirche

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Papua-Neuguinea: Bis zur Mitte des Jahrhunderts noch Missionsland, ist es heute sogar der Verfassung nach ein christlicher Staat. Über die besondere Situation der Kirche und Fragen der Entwicklung dieses fernen Landes ein Gespräch mit Erzbischof Hans Schwemmer, dem Nuntius in Papua-Neuguinea.

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Papua-Neuguinea: Bis zur Mitte des Jahrhunderts noch Missionsland, ist es heute sogar der Verfassung nach ein christlicher Staat. Über die besondere Situation der Kirche und Fragen der Entwicklung dieses fernen Landes ein Gespräch mit Erzbischof Hans Schwemmer, dem Nuntius in Papua-Neuguinea.

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dieFurche: Auf der im Dezember beendeten Ozeanien-Synode in Rom war viel vom Priestermangel die Rede. Die Forderung nach der Weihe verheirateter Männer wurde laut ...

Erzbischof Hans Schwemmer: Auch in Papua-Neuguinea und auf den Salomon-Inseln fehlen Priester. Nur sehen die Ortskirchen hier die Konsequenzen anders als etwa die australische Ortskirche. Die Forderung nach Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt kam aus Australien. In Papua-Neuguinea und den Salomon-Inseln versucht man das Problem durch noch besseren Einsatz der Katechisten und der Laienhelfer zu lösen, die in der Lage sind, an Stelle eines Priesters am Sonntag einen Wortgottesdienst zu halten. Das läuft sehr gut. Es gibt in jeder Diözese Zentren, die für die Aus- und Weiterbildung dieser "church leaders" sorgen.

dieFurche: Sind auch Frauen als "church leaders" eingesetzt?

Schwemmer: Selbstverständlich.

dieFurche: Kann die Kirche auch in entlegenen Gebieten sicherstellen, daß in noch zumutbaren Abständen eine Messe mit Priester gefeiert werden kann?

Schwemmer: Das ist in aller Regel gewährleistet. In den entferntesten Dörfern wird mindestens sechsmal pro Jahr der Gottesdienst gefeiert. Man muß sich vorstellen, daß wir Pfarrzentren mit etwa 20 Unterzentren haben, die ein Priester versorgen muß. Es gibt aber eine sehr starke Mitwirkung der Laien am kirchlichen Leben. Sie stehen dem Pfarrer wirklich zur Seite, und zwar auf freiwilliger Basis. Wir haben sehr wenige hauptamtliche Kräfte. Das könnte angesichts möglicher zukünftiger finanzieller Probleme auch für Diözesen in Österreich und Deutschland interessant sein. Das freiwillige Engagement ist auch wesentlich bei der Evangelisierung durch Katechisten. Sie tragen den Glauben in die Familien und in die einzelnen Bereiche einer Pfarrei. Das erfüllt eine Kirche mit Leben.

dieFurche: Wie stark interessiert man sich in Papua-Neuguinea überhaupt für die Reizthemen, die hierzulande kirchliche Gremien stark beschäftigen, etwa Zölibat oder Frauenpriestertum?

Schwemmer: Diese Themen spielen in Papua-Neuguinea nur ganz am Rande eine Rolle. Es gibt dazu allenfalls hier und da eine Einzelstimme.

dieFurche: Können die Ortskirchen die Ausbildung von Priestern und Katechisten selbst finanzieren?

Schwemmer: Hier braucht die Kirche Unterstützung von außen. Das Geld, das etwa "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe" und Organisationen spenden, ist gut angelegt und wird gut verwaltet. "Kirche in Not" leistet auch deshalb große Hilfe, weil diese unmittelbar dem seelsorglichen Leben zugute kommt. Das ist von fundamentaler Wichtigkeit für die jungen Ortskirchen in den beiden Ländern.

dieFurche: Inwieweit prägt das Christentum den Alltag der Menschen?

Schwemmer: Natürlich gibt es hier auch Probleme, etwa die weit verbreitete Polygamie. Die Stellung der Frau ist in der melanesischen Kultur leider noch sehr gering. Die Kirche will deshalb die Position der Frau stärken. Das geht nur über die Bildung. Wir tun deshalb von katholischer Seite alles, was wir für die schulische und berufliche Ausbildung von Mädchen tun können. Im Zusammenhang mit dem Ehesakrament spielt der Brautpreis eine Rolle, den der Mann zu entrichten hat, bevor die Ehe geschlossen werden kann. Das ist mit christlichen Vorstellungen unvereinbar.

Zu den Problemen zählen auch die Stammeskriege auf dem Hochland, wo es sehr schwierig ist, das Konzept der Versöhnung durchzusetzen. Aber die melanesische Kultur ist für das Christentum sehr offen, im Gegensatz zu vielen asiatischen Kulturen, in denen die Glaubensverbreitung auf wesentlich größere Schwierigkeiten stieß. Erfreulich ist, daß sich die Hälfte der jungen Menschen unter 20 Jahren aktiv am Leben der Kirche beteiligt. Das gibt Hoffnung, die Botschaft Christi noch tiefer zu verankern.

dieFurche: Die Flutkatastrophe vor einem halben Jahr in Papua-Neuguinea ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Wie geht es den Menschen heute?

Schwemmer: Es geht ihnen einigermaßen gut. Sie leben noch in Notunterkünften. Dort versucht man, so schnell als möglich wieder zum normalen Leben zurückzukehren. Die Kinder erhalten Unterricht. Etwa 30 Prozent der Betroffenen leiden unter Langzeit-Traumata. Sie haben den Schock noch nicht überwunden. Die katholische Kirche hat, ebenso wie Lutheraner und Anglikaner, Helfergruppen gebildet. Sie bestehen aus Priestern, Ordensfrauen, Psychologen und Pädagogen. In den betroffenen Gebieten leben mehrheitlich Katholiken. Die zuständige katholische Diözese hat deshalb die Federführung der Rettungsaktionen und der Betreuung der Verletzten übernommen. Außerdem hat die Diözese einen Wiederaufbauplan für einen Gesamtbetrag von etwa 30 Millionen Schilling erstellt. Drei Fünftel der Summe sind bereits gesammelt, auch dank der guten Hilfe von katholischen und evangelischen Gläubigen in Deutschland.

dieFurche: Der Wiederaufbau hat also noch nicht begonnen?

Schwemmer: Dafür gibt es einen Grund: Die betroffenen Menschen wollen sich nicht unmittelbar wieder an der Küste niederlassen, sondern etwas mehr im Landesinneren siedeln. Das bedurfte teilweise langwieriger Verhandlungen mit den Landbesitzern. Die sind jetzt abgeschlossen, sodaß Anfang Februar der Wiederaufbau beginnen kann.

dieFurche: Wie können Kirchen anderer Länder beim Wiederaufbau helfen?

Schwemmer: Vor allem finanziell. Das Material ist vorhanden. Man versucht, im melanesischen Stil zu bauen, mit Häusern und Hütten auf Pfählen. Außer dem Wiederaufbau von Kirchen, Kapellen, Pfarrhäusern und Gemeindezentren muß die Kirche auch beim Aufbau von Schulen und Gesundheitszentren tätig werden.

dieFurche: Neben klimatischen Katastrophen wie der Überschwemmung, oder, ein Jahr zuvor, der großen Dürre aufgrund des Klimaphänomens El Nino, gibt es auch von Menschen gemachte Probleme. Auf der Insel Bougainville tobt ein Sezessionskrieg. Worum geht es da?

Schwemmer: Bereits als Papua-Neuguinea 1975 unabhängig wurde, gab es eine Unabhängigkeitsbewegung auf Bougainville. Es gab sogar für kurze Zeit eine unabhängige Regierung auf dieser Insel. Der unmittelbare Anlaß für den Sezessionskrieg war vor allem wirtschaftlicher Art. Auf Bougainville gibt es die zweitgrößte Kupfermine der Welt. Die Landeigentümer waren an einem bestimmten Punkt nicht mehr mit dem zufrieden, was die Betreiberin der Kupfermine, eine britische Gesellschaft, für die Ausbeutung der Mine bezahlt hat. Das hat dann zum Bürgerkrieg geführt.

dieFurche: Wo steht die Kirche?

Schwemmer: Es ist nicht Sache der Kirche, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Wenn es zur Unabhängigkeit kommen sollte, wird die Kirche das akzeptieren. Ihr Ort ist die Seelsorge und das soziale Engagement.

dieFurche: Sie sind vor gut einem Jahr aus Rom nach Papua-Neuguinea gegangen. Wie haben Sie sich auf das Amt vorbereitet?

Schwemmer: Jeder päpstliche Vertreter erhält Instruktionen von allen Behörden des Heiligen Stuhls, federführend vom Staatssekretariat und im Falle von Papua-Neuguinea und den Salomon-Inseln von der Kongregation für die Glaubensverbreitung. Dann mußte ich mich natürlich über die politische, religiöse, kulturelle Situation informieren.

dieFurche: Was ist Ihr stärkster Eindruck vom neuen Wirkungsort?

Schwemmer: Die Lebendigkeit der Menschen. Sie sind sehr freundlich, herzlich und offen. Es ist nicht schwierig, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Ich bin sehr an melanesischer Kultur interessiert und habe leicht Zugang zu melanesischen Künstlern gefunden.

dieFurche: Haben Sie diesen Eindruck der Lebendigkeit auch von der Kirche?

Schwemmer: Ja, und das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, daß die Missionierung in Papua-Neuguinea erst zum Ende des letzten Jahrhunderts begonnen hat. Teile des Hochlandes wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg missioniert. Die Katholiken repräsentieren heute 32 Prozent der Bevölkerung. Es macht auch einen besonderen Eindruck, wenn auf den Salomon-Inseln die Beteiligung am Sonntagsgottesdienst 100 Prozent und in Papua-Neuguinea 75 Prozent beträgt. Ich habe beim letzten Pfingstgottesdienst zusammen mit Erzbischof Michael Meier von Mount Hagen vor 40.000 Menschen gefeiert. Die Gläubigen sind teilweise zwei Tage zu Fuß unterwegs gewesen, um zum Gottesdienst zu kommen. Der Idealismus ist unglaublich hoch.

Das Gespräch führte Michael Ragg.

Zur Person: Ein Bayer als päpstlicher Diplomat Hans Schwemmer, 1945 im bayerischen Preßath geboren, erhielt 1971 die Priesterweihe. Nach vier Jahren als Kaplan studierte der Oberpfälzer an der Päpstlichen Diplomatenakademie in Rom. Über Stationen an den Vatikanbotschaften in Neu-Delhi, Brüssel und Buenos Aires kehrte Schwemmer 1989 nach Rom zurück. Im vatikanischen Staatssekretariat leitete er zuletzt die deutschsprachige Abteilung. Der Papst ernannte ihn im September 1997 zum Nuntius für Papua-Neuguinea und die Salomon-Inseln. Damit verbunden war die Weihe zum Erzbischof. Papua-Neuguinea ist laut Verfassung ein christlicher Staat. Neun von zehn der 4,3 Millionen Einwohner bekennen sich zum Christentum. Etwa 32 Prozent sind Katholiken, 58 Prozent gehören einer protestantischen Kirche an. Auf den Salomon-Inseln leben 375.000 Menschen, jeder fünfte ist katholisch.

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