"Eine gute Zukunft für Österreich!"

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Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in seiner Rede zum EU-Reformvertrag vor dem österreichischen Nationalrat: "Der EU-Reformvertrag ist kein Selbstzweck, sondern macht die Europäische Union handlungsfähiger - zum Nutzen Österreichs!" Mit dem EU-Reformvertrag von Lissabon gibt sich die Europäische Union eine neue Grundlage, um im Inneren wie nach außen hin effektiv politisch mitgestalten zu können. Mit der Schengen-Erweiterung ist der Union ein weiterer Schritt in Richtung eines friedlich vereinten Europas geglückt. Wie Österreich von diesen beiden EU-Erfolgen profitiert, lesen Sie unter anderem in diesem Furche-spezial, das in Kooperation mit dem Bundeskanzleramt entstanden ist.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal muss einem ein bisschen angst und bang werden, wenn man hört, welche Apokalypse hier wieder vor Österreich stehen soll. Mich erinnert das irgendwie an einen eingefrorenen Posthornton. Das sind im Wesentlichen dieselben Argumente, die von der FPÖ auch schon vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vorgebracht wurden. Auch da wurde gesagt, das ist der Untergang Österreichs, das ist das Ende der Republik.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Was hat in Wirklichkeit stattgefunden? Einer der größten wirtschaftlichen Aufstiege in der gesamten Geschichte Österreichs, der dazu geführt hat, dass Österreich heute das viertreichste Land der Europäischen Union ist. Und auf das sollten wir gemeinsam stolz sein und das nicht als Untergang unseres Landes bezeichnen, meine Damen und Herren!

Wir sind heute im Zentrum des neuen erweiterten Europas, und dieses neue erweiterte Europa hat sich für Österreich bewährt. Wenn erst vor kurzem die Prognosen für die Wirtschaft des Jahres 2008 in Europa publiziert wurden und leider in der Euro-Zone angekündigt wird, dass das Wachstum nach unten gehen wird, dann muss ich sagen, das einzige Land, wo die Prognose nach oben revidiert wurde, ist Österreich. Und jeder kann sich fragen, wieso das der Fall ist. Und ich kann es Ihnen sagen: Nicht nur, weil die Österreicherinnen und Österreicher fleißig sind, weil wir gute Unternehmen haben, sondern weil unsere Wirtschaft am allermeisten davon profitiert, dass wir dieses erweiterte Europa haben. Und diese Früchte treffen nicht nur einige wenige, sondern sie drücken sich aus in guten Gehaltsabschlüssen, sie drücken sich aus in sinkender Arbeitslosigkeit. Österreich ist einer der Hauptprofiteure des erweiterten Europas. Was stattfindet, ist eine gute Zukunft für Österreich und nicht der Untergang der Republik. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Man kann sich ja mit jedem Projekt der Europäischen Union kritisch auseinandersetzen. Man muss nicht von vornherein der Meinung sein, dass alles, was die EU-Kommission vorschlägt, goldrichtig ist. Eine kritische Diskussion dazu ist nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig. Und manchmal ist es notwendig, Gegenposition zu beziehen. Aber was ich nicht als richtig erachte, ist, dass immer dann, wenn es Kritik an einzelnen Projekten gibt, gleich die Gesamtheit der Europäischen Union und des europäischen Einigungswerks in Frage gestellt wird. Das macht doch absolut keinen Sinn!

Das wäre doch genau so, wie wenn Sie, wenn Ihnen irgendetwas nicht passt, was im österreichischen Parlament diskutiert wird, bei jeder Gelegenheit Österreich in Frage stellen würden. Das macht meiner Meinung nach keinen Sinn, bringt uns keinen Schritt weiter und soll offensichtlich nur die Bevölkerung verunsichern. Diesen Weg werden wir nicht mitgehen, und daher wird das verfassungsgemäße Prozedere auch eingehalten werden. Ich unterschreibe diesen Vertrag nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil dafür die erforderlichen Beschlüsse jener Organe vorhanden sind, die in Österreich von der Verfassung dazu legitimiert sind, nämlich: die laufende Information des Parlaments mit den dazugehörigen Entschließungsanträgen, ein einstimmiger Beschluss der österreichischen Bundesregierung, dass wir diesen Vertrag unterschreiben. Und wenn dieser Vertrag unterschrieben wird, hat das Parlament ausreichend Zeit, diesen Vertrag zu ratifizieren. Herr Strache, schieben Sie Ihre Verantwortung als Abgeordneter nicht ab! Stellen Sie sich hin und machen Sie den ersten wesentlichen Schritt: Lesen Sie den Vertrag! Machen Sie dann den zweiten wesentlichen Schritt: Diskutieren Sie diesen Vertrag mit Leuten, die sich für dieses Thema interessieren. Dritter Schritt: Überlegen Sie dann, was für Österreich gut und was schlecht ist. Und dann kommen Sie ins österreichische Parlament und diskutieren mit allen Abgeordneten gemeinsam, was der bessere Weg ist. Das heißt, Verantwortung als Abgeordneter wahrnehmen, und nicht wegschauen und hier Propaganda betreiben!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Bei gewissen Dingen sollte man eine genaue Trennlinie der Begriffe durchführen. Ich halte es für nicht gut, wenn Sie die EU-Kommission - die besteht aus Kommissaren, die von demokratisch gewählten Regierungen nominiert sind, und diese Kommission muss einem Mehrheitsvotum im Europäischen Parlament standhalten - auf dieselbe Ebene stellen wie die Politkommissare in Zeiten der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion), die dafür verantwortlich waren, das kommunistische Terrorregime in großen Teilen Europas aufrechtzuerhalten. Meine Damen und Herren, solche Vergleiche haben im österreichischen Parlament keinen Platz und werden von uns abgelehnt!

Es ist überhaupt zu sagen: Ich finde Ihre Argumentation auch nicht sehr konsequent. Denn das, was jetzt als Reformvertrag vorliegt, ist eine veränderte Form des bereits vom Parlament ratifizierten Verfassungsvertrages. Und ich erinnere mich genau daran, dass, als wir diesen Verfassungsvertrag hier im Nationalrat diskutiert haben, eine Frage geprüft wurde, nämlich: Ist dieser Verfassungsvertrag eine Fundamentaländerung der österreichischen Bundesverfassung? Wenn ja, müsste er natürlich zwingenderweise einer Volksabstimmung unterzogen werden. Die Frage, die bei den Verfassungsrechtlern dabei umstritten war, war: Kommt es durch den Verfassungsvertrag zu einem absoluten Primat von europäischem Recht gegenüber dem nationalen Recht, nämlich auch festgeschrieben? - Und selbst bei dieser Formulierung waren die Verfassungsrechtler der Meinung, das ist Ausdruck der geteilten Souveränität, und wir haben bereits beim Beitritt Österreichs zur Europäischen Union über dieses Prinzip abgestimmt.

Nur, was findet jetzt statt? Dieser umstrittene Punkt ist im neuen Reformvertrag im Unterschied zum Verfassungsvertrag nicht mehr enthalten. Und ich stelle fest, dass die Abgeordneten der Freiheitlichen Partei zwar sehr wohl einen Verfassungsvertrag ratifiziert haben, aber jetzt nicht bereit sind, einen aufgeweichten Reformvertrag zu ratifizieren. Und das ist inkonsequent, widersprüchlich und zeigt, dass es Ihnen nicht um Österreich geht, sondern um kleinliche parteitaktische Interessen, und das ist nicht gut für unser Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ihr Abgeordneter war sogar Mitglied des europäischen Konvents. Bei Ihnen kennt sich ja keiner mehr aus: einmal FPÖ, einmal BZÖ, wieder FPÖ. Also offensichtlich ändern Ihre Abgeordneten mit ihren Identitäten ihre Position zum Verfassungsvertrag. Einigen wir uns darauf: Ihre Abgeordneten haben bis auf eine zu diesem Thema schon jede Position eingenommen. Und auf einer solchen Grundlage lässt sich wirklich keine Politik aufbauen! Wir sind, ganz im Gegenteil, der Auffassung, dass dieser Reformvertrag kein Selbstzweck ist, sondern Europa handlungsfähiger machen wird, um die entscheidenden Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Dieser Reformvertrag stellt keine Veränderung unserer bisherigen sicherheitspolitischen Grundlagen dar, was die Frage der Neutralität und Solidarität betrifft. Und dieser Reformvertrag - deswegen bekämpfen Sie ihn ja - wird zu einem besseren Funktionieren der Europäischen Union führen und daher die Kluft zwischen der EU und ihren Bürgern wieder verringern. Und genau das ist der Grund dafür, dass wir sagen: Ja, wir profitieren und stehen zu einem funktionsfähigen Europa! Österreich hat von der Europäischen Union profitiert und liegt im Herzen dieses Kontinents. Und wir wollen dieses Friedensprojekt nicht gefährden, denn es ist eine solide Grundlage für die weitere Entwicklung unseres Landes.

Wenn Sie ehrlich sind, müssten Sie Ja zu diesem Vertrag, ja zu Österreich und ja zu Europa sagen!

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