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die furche: Die Frage nach der Finalität Europas wird im Zusammenhang mit dem Konvent immer wieder genannt. Wie stehen Sie dazu?

johannes voggenhuber: Ich möchte im Konvent keine Finalitätsdebatte führen. Einfach weil wir keine Chance haben, uns darüber zu einigen. Es gibt da vollkommen verschiedene Vorstellungen. In dieser Frage liegt die größte Gefahr, dass der Konvent scheitert. Das kann man getrost der nächsten Generation überlassen. Wir brauchen für Europa zwar eine gültige, aber keine endgültige Lösung.

die furche: Wie soll diese Lösung ausschauen?

voggenhuber: Das ganze System der EU funktioniert nicht mehr. Es ist ja nicht der Idealismus der Regierungen, der sie einlenken ließ, sondern das Nicht-mehr-Funktionieren. Die Frage des Gelingens oder Scheiterns des Konvents hängt nun von der Bereitschaft der Regierungen ab, einen Machtverzicht zu leisten. Eine Demokratie wird es nicht geben, wenn der Rat den Vatikan der EU spielt. Der Konvent bietet die Chance auf eine umfassende Reform. Vielleicht ist sie nicht die letzte, vielleicht entscheidet sie nicht alle Fragen. Aber die Fragen der europäischen Demokratie, einer republikanischen Grundordnung für Europa, die Frage der Handlungsfähigkeit und die Frage von Fortschritten in der Integration - das muss der Konvent lösen. Und das wäre eine Revolution.

die furche: Braucht es dazu eine eigene europäische Verfassung oder genügt eine Zusammenstellung und Ordnung der bestehenden Verträge?

voggenhuber: Es ist eine ausgesprochene Dummheit, zu sagen, die Verträge sind eine Verfassung. Die Verträge sind die Verträge einer internationalen Organisation. Eine internationale Organisation hat keine Verfassung, und man kann sie auch nicht dazu erheben. Das ist ja unser Grundproblem: Die EU ist längst keine internationale Organisation mehr, sondern ein politisches Gebilde, mit dem Charakter hoher Staatlichkeit. Es wird Herrschaft ausgeübt, es werden Menschen direkt unter ein gemeinsames Recht gestellt.

die furche: Warum redet man dann einer bloßen Redaktion der Verträge das Wort?

voggenhuber: Eine internationale Organisation ist klassische Domäne der Exekutive. Hier hat die Exekutive Macht wie nirgendwo anders, und die Parlamente sind auf die Ratifikationsrolle zurückgeworfen. Diese Position wollen die Regierungen behalten, obwohl die EU längst nichts mehr mit einer internationalen Organisation zu tun hat. Eine Verfassung hat ja die Aufgabe, eine Demokratie und eine republikanische Institutionenordnung herzustellen. Das können die Verträge nicht. Daher wird es natürlich auch kein Kompendium werden. Es wird vielmehr eine tiefgreifende Reform der Institutionen, ihres Verhältnisses zueinander, ihrer Kompetenzen sein. Am Ende soll eine europäische Demokratie stehen.

die furche: Gibt es eine spezifisch österreichische Linie für den Konvent?

voggenhuber: Außer dem Herrn Einem, gibt es bei den österreichischen Vollmitgliedern niemand, der europapolitisch ausgewiesen wäre. Der Herr Farnleitner ist auf diesem Gebiet unbekannt und seine Kompetenz rätselhaft. Seine Bestellung dürfte nur dazu da gewesen sein, die alte Fehde des Herrn Schüssel mit dem Herrn Professor Neisser auszutragen, der mit mir im Grundrechtskonvent war und der - irgendwann muss man ja auch dem politischen Gegner ein Kompliment machen - von hoher Kompetenz ist. Und der Herr Bösch, den kenn ich nicht und von dem habe ich in keiner europäischen Debatte je etwas gehört und 106 andere Konventsmitglieder auch nicht. Der glänzt ja auch nur mit Forderungen nach Renationalisierung und verkündet die sattsam bekannte FPÖ-Linie. Aber die Regierung hat mit diesen Bestellungen ja auch eine Botschaft geschickt.

Die Gespräche führte Wolfgang Machreich.

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