Eine Tablette - und die Infektion ist vorbei

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Harnwegsinfekte können neuerdings durch einmalige Einnahme eines Antibiotikums therapiert werden.

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Harnwegsinfekte können neuerdings durch einmalige Einnahme eines Antibiotikums therapiert werden.

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In und an jedem menschlichen Körper gibt es mehr Bakterien als körpereigene Zellen", weiß Helmut Mittermayer, Primarius am Linzer Elisabethinen-Krankenhaus und Spezialist für Hygiene und Mikrobiologie: "Im Laufe der Evolution haben sich die Bakterien mit den Menschen und die Menschen mit den Bakterien arrangiert. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Körpers geworden." Doch manchmal gelangen Bakterien, die es sich in einem Teil des menschlichen Körpers gemütlich gemacht haben, an einen Ort, an dem sie nichts zu suchen haben - und lösen eine Infektion aus.

Die häufigste Art einer solchen Infektion ist der Harnwegsinfekt. Dieser ist eine der häufigsten infektiösen Krankheiten überhaupt: Über zwei Millionen Österreicher litten schon mindestens einmal darunter, drei Viertel der Betroffenen sind Frauen. Ein Harninfekt entsteht, wenn Keime (meist an sich harmlose Coli-Bakterien) in die Harnröhre gelangen. Diese ist bei Frauen kürzer als bei Männern, hinzu kommt, daß der Ausgang der Harnröhre in der Nähe des Scheidenausgangs liegt, wo eine blühende Keimflora beheimatet ist; daher leiden Frauen viel häufiger unter Harnwegsinfekten. Mechanische Einwirkungen wie Katheterisierung oder Geschlechtsverkehr sind oft die Ursache der lästigen Entzündung. (Fachjargon: "Flitterwochenzystitis"). Gefährdet sind auch ältere Frauen, die unter Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) leiden.

Ein leichter Harnwegsinfekt äußert sich in häufigem Harnlassen von kleinen Harnmengen, plötzlich auftretendem Harndrang, Schmerzen beim Urinieren und manchmal Blut im Harn. Aus einem unkomplizierten, sehr leicht behandelbaren Harnwegsinfekt kann eine ernste Blasenentzündung werden, die bis in die oberen Harnwege und die Nieren reicht. Die Österreicher gehen laut Fessel-GfK-Umfrage im Durchschnitt erst am zweiten und dritten Tag, an dem sie unter Beschwerden leiden, zum Arzt. Das ist zu spät. "Mit einem Harnwegsinfekt sollte man möglichst frühzeitig zum Arzt gehen", betont Peter Husslein, Professor an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Bei vielen wird das Leiden daher chronisch. "Wer etwas damit zu tun hat, hat häufig damit zu tun", berichtet der Gynäkologe aus der Praxis.

"Single Shot" Bis vor kurzem mußten Patienten mit einer unkomplizierten Harnwegsinfektion sieben bis zehn Tage lang Antibiotika einnehmen. Dies brachte erhebliche Nachteile mit sich: Laut Fessel-GfK nehmen 21 Prozent der Österreicher Antibiotika nur so lange ein, bis die Beschwerden vergehen. Jeder Zwanzigste hat sogar irgendein Antibiotikum in der Hausapotheke, das er dann ein oder zwei Tage lang einnimmt. Die Folge: Es entstehen Bakterienstämme, die gegen bestimmte Antibiotika resistent sind. "Es ist eine Illusion, zu glauben, daß die Patienten den Anordnungen des Arztes gehorchen", seufzt Primarius Mittermayer.

Seit neuestem jedoch stehen für die Behandlung von Harnwegsinfektionen Antibiotika zur Verfügung, die nur einmal eingenommen werden müssen. Bei dieser Einmalgabe ("Single Shot") bleibt die Konzentration des Medikaments im Harn mindestens 72 Stunden lang so hoch, daß alle Bakterien abgetötet werden. Vor allem die Substanz Fosfomycin hat sich in Versuchen als zu 99,36 Prozent wirksam gegen Escherichia coli erwiesen, das für über vier Fünftel der Harnwegsinfekte verantwortlich ist. Zum Vergleich: die Substanz Trimethoprim etwa wirkt nur gegen knapp 80 Prozent der Coli-Bakterien.

Die Vorteile der Einmalgabe von Antibiotika: Geringe Nebenwirkungen, geringer Einfluß auf Bakterien anderswo im Körper, niedrige Kosten; die Entstehung resistenter Bakterienstämme wegen falscher Einnahme ist nicht mehr möglich; sind die Beschwerden innerhalb von drei Tagen nicht verschwunden, läßt dies auf einen komplizierteren Infekt schließen.

Vor allem Frauen profitieren von der neuen Methode: Unter der herkömmlichen Einnahme von Antibiotika leidet nämlich auch die Scheidenflora: Es sterben jene Bakterien ab, die durch die Produktion von Milchsäure unangenehme Pilze an der Ausbreitung hindern. "Viele Frauen verzweifeln, weil sie aus dem Kreislauf Harnwegsinfektion - Pilzinfektion nicht hinauskommen", berichtet Gynäkologe Husslein. Die Einmalgabe von Antibiotika kann diesen Teufelskreis durchbrechen.

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