"Eine Triple-Win-Situation schaffen“

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Heinz Fassmann lehrt Demografie an der Universität Wien. Er plädiert für einen neuen Umgang mit der Migration nach Europa und hat dazu ein Programm entworfen, das sich an das Gastarbeiter-Programm Deutschlands und Österreichs der 60er-Jahre anlehnt - wenn auch mit kleinen, entscheidenden Unterschieden.

Die Furche: Zu Beginn des Jahres sah der italienische Innenminister einen Exodus biblischen Ausmaßes auf Europa zukommen. Der ist nicht eingetreten. Sind Sie überrascht?

Heinz Faßmann: Dass der Trend nicht eingetreten ist, hat sicher auch mit dem verstärkten europäischen Grenzschutz zu tun. Ob die Abschottung die einzige Antwort auf die arabischen Revolutionen sein sollte, ist allerdings die Frage.

Die Furche: Sie haben vergangene Woche ein Programm der, zirkulären Migration‘ eingemahnt. Migranten sollten unter gewissen Voraussetzungen nach Europa zeitlich befristet ein- und auszureisen dürfen.

Faßmann: Programme zirkulärer Migration sind eine Alternative zur klassischen Zuwanderungssteuerung. Menschen kommen in ein Zielland, bleiben eine begrenzte Zeit, kehren wieder zurück und dürfen diese Form der Mobilität aufrechterhalten. Unsere Studie zeigt, dass sich daraus eine Triple-Win-Situation ergibt. Die Teilnehmer an einem solchen Programm der zirkulären Migration würden persönlich profitieren durch Einkommen, Erfahrung und Qualifizierung. Europa würde einen Teil seiner Arbeitskräftenachfrage abdecken und darüber hinaus wirtschaftliche Brücken bauen. Die Herkunftsländer wiederum würden von den besser ausgebildeten Rückkehrern profitieren. Wesentlich ist, dass die Rückkehr erfolgt und dies ist umso wahrscheinlicher, wenn die Herkunftsländer auf dem Wege zur Demokratie sind und einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben.

Die Furche: Aus der Sicht der Politik gesprochen: Was macht Sie sicher, dass Migranten wieder in ihre Heimat zurückkehren?

Faßmann: Das hängt sicherlich mit der Auswahl der Herkunftsländer zusammen, aber auch mit der historischen Analyse der Gastarbeiterwanderung. Mit dem Anwerbestopp von 1973 hat man die Gastarbeiter vor die Wahl gestellt: bleiben oder gehen ohne spätere Rückkehr. Viele sind deshalb geblieben.

Die Furche: Tunesien, vielleicht auch Ägypten würden die Kriterien erfüllen. Aber welches EU-Land interessiert sich dafür?

Faßmann: Es gab bereits einen Feldversuch mit einer Kooperation zwischen den Niederlanden und Südafrika. Dieser Versuch hatte in Ansätzen Erfolg, wurde aber abgebrochen weil sich das politische Klima in den Niederlanden gegenüber Einwanderern spürbar abgekühlt hat. Immerhin besteht nun Interesse aus Deutschland - hier gab es bereits in Zusammenhang mit der Rückkehrhilfe für Bosnier einige Erfolge. Der zuständige Minister Dirk Niebel betont auch, dass das klassische Entwicklungszusammenarbeitskonzept, einfach Geld in ärmere Länder zu schicken zu schicken und zu hoffen, dass alles besser würde, nicht mehr adäquat ist.

Die Furche: Das demografische Problem stellt sich auch in Österreich. Gab es da Kontakt zum Innenministerium?

Faßmann: Nein, österreichische Ministerien haben noch nicht angerufen. Ich glaube, da schwingt auch ein wenig die Angst der Politik mit, dass die FPÖ daraus Kapital schlagen könnte.

Die Furche: Was wäre für eine umfassende Erforschung der Migrations- und Rückkehrwilligkeit nötig?

Faßmann: Um konkrete Erfahrungswerte zu sammeln, müsste es ein Pilotprogramm geben, bei dem die Teilnehmer auch sozialwissenschaftlich begleitet werden. Mit solchen Erfahrungswerten kann man die Ängste konterkarieren, die in Europa bestehen.

* Das Gespräch führte Oliver Tanzer

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