Eine versäumte Gelegenheit

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Es gibt Momente im Leben unserer Republik, da bin ich stolz auf meine Heimat. Auf den Geist des Miteinanders, über alles Trennende des politischen Alltags hinaus.

Leider erlebe ich diese Momente zumeist nur bei Begräbnissen; beim Abschied von Menschen, die sich -oft erst im Rückblick eingestanden -besonders bewährt haben. Die einen Platz in unserer Zeitgeschichte finden.

Alois Mock war ein solcher. Das Requiem für ihn im Stephansdom und tags darauf sein Begräbnis - sie haben alle, die dabei waren, etwas von jenem Österreich spüren lassen, von dem ich, vermutlich naiv, sehr oft träume: einem Land, dem der fortschreitende Verlust an Grundvertrauen gottlob erspart bleibt. Weil es aus den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit zu einer Streitkultur gefunden hat, die versucht, die politischen Differenzen nicht weiter zu polarisieren, aber auch nicht einfach zuzudecken, sondern sie im gemeinsamen Gespräch aufzulösen.

Als der leidenschaftliche Österreicher, Europäer und Christ Alois Mock jetzt verabschiedet wurde, da waren sie alle mit dabei: der Bundespräsident und sein Amtsvorgänger, die Präsidentin des Nationalrates, auch die Spitzenfiguren des kommenden Wahlkampfs, die Vertreter der Länder und unserer Nachbarn - vor allem aber viele unbekannte Frauen und Männer, die dem Verstorbenen einfach danken wollten. Es war ein Werktag zu Mittag - und doch war der Dom ganz voll.

Und da war dann auch die wunderbare Predigt von Bischof Helmut Krätzl, Freund der Trauerfamilie. Er hat die Präsenz dieser großen Trauergemeinde genützt, um den Toten, seine Anständigkeit und Fairness, als politisches Vorbild anzubieten - gerade im kommenden Wahlkampf.

Hochamt für ein "besseres Österreich"

Und um die "überschwängliche Freude" des Verstorbenen nach 80-stündigen, erfolgreichen EU-Beitrittsverhandlungen (den Kuss für Europastaatssekretärin Brigitte Ederer) als "bleibendes Symbol" zu deuten: Auch künftig müsse es möglich sein, sich "über die Grenzen der Parteien hinweg über ein gemeinsam erreichtes Ziel so herzlich zu freuen". Mocks Geste könnte, so der altersweise Bischof, "alle belehren, die in der Politik bisweilen dem anderen einen Erfolg nicht gönnen".

Goldene Worte, denen die Pummerin am Schluss noch ihr großes, nationales Gewicht gegeben hat. Da war wohl niemand, der dieses Requiem nicht auch als Hochamt für ein "besseres Österreich" empfunden hätte.

Nur schade, dass die ORF-Führung kurzfristig entschied, den Abschied von jenem Mann doch nicht zu übertragen, der den Eisernen Vorhang durchschnitten und Österreich in die Mitte des zusammenwachsenden Europas gestellt hat. Und der, neben vielem anderen, auch das große Gespräch der Religionen -vor allem mit dem Islam -in Wien begonnen und nach Kräften gefördert hat.

Es war eine versäumte patriotische Gelegenheit. Und ein Fehler.

Heinz Nußbaumer

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