„Eine Zerschlagung der Konzerne“

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Angelika Hilbeck von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich ist Mitautorin des alarmierenden Weltagrarberichtes, der eine massive Korrektur der Wirtschaftspolitik gegenüber Entwicklungsländern empfiehlt.

Die Furche: Der Weltagrarbericht zeigt dramatische Konsequenzen der Politik und Wirtschaftsordnung für die Ressourcenverteilung auf dem Planeten auf. Warum wird er so wenig wahrgenommen?

Angelika Hilbeck: Weil er systematisch ignoriert wurde. Hunger und Armut finden ja auch woanders statt, nicht bei uns Reichen. Wir bräuchten eine Institutionalisierung des Prozesses, etwa unter der Schirmherrschaft der UNO. Derzeit fehlt aber dafür das Geld, das Personal und der politische Wille.

Die Furche: Dann wird der Aufkauf von Land durch Regierungen und Konzerne weitergehen?

Hilbeck: Unvermindert, besonders in Afrika. Wir müssen erkennen, dass wir elementare Grundlagen für die Lebenserhaltung der Gesellschaft, wie Wasser, Nahrung, saubere Umwelt, völlig dem Diktat der Wirtschaft unterworfen haben. Es werden also auf dem Großteil der Agrarflächen keine Nahrungsmittel mehr produziert, sondern Rohstoffe für Industrien. Dass da noch etwas Essbares für Menschen herauskommt, geschieht eigentlich sozusagen beiläufig. Dieser Ansatz ist an die Wand gefahren

Die Furche: Gibt es Chancen, diese Entwicklung zu stoppen?

Hilbeck: Ich sehe im Moment nicht, wie man vor allem die internationalen Konzerne bremsen könnte. Sie sind es, die eine positive Entwicklung mit aller Macht blockieren. Es handelt sich da um einen enormen Machtblock, der sich in den vergangenen Jahren ungehindert aufbauen konnte und massiv auf Regulationen Einfluss genommen hat.

Die Furche: Würden Gesetze helfen, die bis zur Zerschlagung der Konzerne gehen, wie Kritiker fordern?

Hilbeck: Ich fürchte, wir werden nicht darum herumkommen. Man sieht ja jetzt an den Banken, dass sie so gut wie nichts gelernt haben aus der Krise. Wir bräuchten auch globale Kontrollen, um die Einhaltung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu überwachen. Ein erster Schritt wäre die Förderung von kleinen landwirtschaftlichen Strukturen, die aus Subsistenzbauern gewerbliche Kleinbauern machen und sie in die Lage versetzt, ihre Entwicklung selber zu gestalten. Das wird nicht ohne Bildung und Mitsprache dieser Menschen gehen.

Die Furche: Laut Bericht droht Agrarindustrienationen eine drastisch schrumpfende Produktivität. Die USA oder Australien werden bis 2080 Einbußen von bis zu 50 Prozent haben. Wird das ein Umdenken bewirken?

Hilbeck: In den USA gibt es schon ein Umdenken bei gut ausgebildeten Eliten. Der Film „Food Inc.“ wurde immerhin gerade für den Oscar nominiert. Aber es wird länger dauern, bis der Widerstand der Konzerne gebrochen sein wird.

* Das Gespräch führte Oliver Tanzer

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