Samsonow - © Foto:  Luiza Puiu

Elisabeth von Samsonow: "Die Erde ist weiblich"

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Elisabeth von Samsonow ist ökofeministische Künstlerin und Philosophin. Im Oktober 2022 gestaltete sie auf Einladung von Globart die vielbeachtete Schau „Museum des Anfangs“ im Gartenpavillon des Stifts Melks. Die Fragen stellte Renata Schmidtkunz im Rahmen einer Live-Aufnahme bei den Tagen der Transformation 2022.

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Elisabeth von Samsonow ist ökofeministische Künstlerin und Philosophin. Im Oktober 2022 gestaltete sie auf Einladung von Globart die vielbeachtete Schau „Museum des Anfangs“ im Gartenpavillon des Stifts Melks. Die Fragen stellte Renata Schmidtkunz im Rahmen einer Live-Aufnahme bei den Tagen der Transformation 2022.

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Welche Rolle haben Frauen aus Ihrer Perspektive als Philosophin und Künstlerin gespielt?
Wenn Sie die Rolle der Frauen in der Religion und in der Kirche meinen, dann ist diese Rolle ja nun nicht zu unterschätzen. Frauen haben immerhin die Kirchen geputzt, die Blumen aufgestellt, für die Priester gekocht und gewaschen, die Hostien gebacken und die Paramente gestickt. Wahrscheinlich haben sie auch besonders stark geglaubt und effizient gebetet. Für ein geistliches Amt jedoch sind sie nicht qualifiziert, auf Grund des Geschlechts. Seltsam, dass man als Frau zwar heilig, aber keine Priesterin werden kann. Man könnte die Gebete der Gläubigen in Empfang nehmen und vielleicht Wunder wirken, aber auf keinen Fall ein Amt ausüben. Das verstehe, wer kann.

Haben wir ausreichende Legitimationen gefunden, um zu sagen: „Die Erde ist weiblich“?
Die Erde ist ein riesiger, Leben produzierender Planet. Körper und Leben herzustellen, ist eine mütterliche, eine weibliche Tätigkeit. Indigene Völker bezeichnen die Erde daher als ihre Mutter. Das hat eine tadellose Logik. Hinter der Kette der Lebewesen steht die Erde: Sie ist der Horizont, innerhalb dessen alle Körper koexistieren. Hier in Melk, auf kirchlichem Boden, ist das neuerdings auch keine Häresie mehr, denn in seinem Buch über die „Mutter Erde“ legt uns Papst Franziskus die Haltung der indigenen Völker ans Herz – eine seltsame Umkehrung der Bewegung der Kolonialisierung und Missionierung.

Wie verhält es sich mit der „Mutter“ als philosophisches Konzept?
Die Idee der Mutter ist heute beschädigt, nachdem die längste Zeit versucht worden ist, alles in eine reale Person, die eine Geburt absolviert hat, hineinzupferchen. Das war nicht klug, denn diese Überforderung kann sich eine zivilisierte Gesellschaft nicht leisten. Mutter ist an allem schuld, heißt es dann. Dabei sollte „Mutter“ eine soziale Aufgabe sein, verteilt über alle Geschlechter. Gute Kindheiten machen eine Gesellschaft fit, also muss das eine erstrangige politische Agenda sein. „Mutter“ meint die allgemeine Mutterheit, die mit der Erde selbst identisch ist, und erst dann die reale Person. Mütter sind also immer doppelt zu verstehen. Wenn man das beherzigt, dann kann auch die Überfrachtung der realen Mutterperson aufhören. Da können wir viel von den matriarchalen Gesellschaften lernen.

Was kann etwa Ihr Projekt „Land der Göttinnen“ zum Transformationsprozess beitragen?
Dieses Stück Land im Weinviertel ist ein Labor, in dem wir wie im Vergrößerungsglas die Probleme und die Chancen der Gegenwart sehen. „Göttinnen“ sind Ausdruck der Erde, und sie sind viele. Unser Land ist ihnen gewidmet. Es ist ein einfaches, schönes, zu Herzen gehendes Land; es hat einen eigenen Puls; ruhig, als gäbe es dort eine gedehnte Zeit. Wir fangen an, es zu verstehen, und es fängt an, uns Zeichen zu geben. Es ist wichtig, diese Wahrnehmung wiederzugewinnen, die alles verändert. Mit diesem Land fängt ein Sich-gegenseitig-Hüten an, wir hüten das Land und das Land hütet uns. Es hat alle Probleme, die die Welt heute hat: Trockenheit, schlechte Böden, dezimierte Vielfalt. Wo es Hilfe braucht, versuchen wir, diese zu leisten: durch Neupflanzung von „Klima-fitten“ Bäumen, Ausbringung von Kompost, etc. Das machen wir an den Stellen, die bereits so trocken sind, dass sie Wüstenstatus erreicht haben. Es ist mühsam. Aber es lebt die Hoffnung, dass wir in zehn, zwanzig Jahren ein wirkliches Paradies haben werden.

Nähere Informationen zu "Tage der Transformation 2023" von 31.8. bis 2.9. 2023 finden Sie hier.

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