"Erschreckend, was da geschehen ist“

Werbung
Werbung
Werbung

Michael Martinek, Chef des christlichen Bankhauses Schelhammer & Schattera, über Geld und Zinsverbot, die Entkoppelung der Finanzwirtschaft von der sozialen Verantwortung und mögliche Wege aus der Euro-Krise. Das Gespräch führte Oliver Tanzer

Passen Geld und Moral zusammmen? Christliche Werte und Banken - ist das nicht ein Gegensatz? Ein Gespräch mit dem Bankchef Michael Martinek über Wucher, das siebente Gebot und die Sünden der Wirtschaft.

Die Furche: Eine persönliche Frage vorweg: Sie sind Manager einer Bank, Sie gehen mit Geld um. Was fasziniert Sie daran so sehr, dass Sie ihm ihr Leben widmen?

Michael Martinek: Mich fasziniert weniger das Geld, als vielmehr der Umgang mit Menschen und auch die Verantwortung, die wir haben. Was wir tun, strahlt auf die gesamte Gesellschaft aus.

Die Furche: Auch ein Arzt hat Einfluss und ist mit Menschen in Kontakt. Warum haben Sie sich für Geld entschieden?

Martinek: Ich habe in meinem Beruf zu einer Zeit begonnen, als es etwas Ehrenvolles war, für eine Bank zu arbeiten. Bei einer Bank zu sein, das war nicht einfach nur ein Job - das war eine Lebensaufgabe. Tatsächlich bin ich jemand, der lebt, um zu arbeiten, nicht jemand der arbeitet, um zu leben.

Die Furche: Der Banker wird zunehmend als Bankster verballhornt. Da hat sich vieles im Ansehen geändert - aber auch im Selbstverständnis der Banken.

Martinek: Tatsächlich ist es erschreckend, dass das so passiert ist. In den 70er- und 80er-Jahren hat es eine Entkoppelung gegeben. Das Geld hat sich abgekoppelt von der gesellschafttlichen Verantwortung. Das ist nicht nur eine Entwicklung, an der die Banken schuld sind, es war auch eine politische Entwicklung. Aber die Banken haben mitgemacht. Mit Produkten, die sie am Ende selbst nicht mehr verstanden haben - geschweige denn die Kunden.

Die Furche: Haben Sie den Eindruck, das ist nun überstanden?

Martinek: Ich glaube, ein Umdenken hat begonnen, aber es ist noch nicht so weit, wie wir gehofft haben. Das ist ein Prozess, der gesellschaftlich aber auch von den Banken her noch viel Arbeit erfordert. Das Problem ist nicht gelöst durch die Behauptung, dass nun alles wieder in Ordnung ist. Die Menschen brauchen auch Beweise dafür, dass das geschehen ist. Das muss erlebbar werden.

Die Furche: Wünscht sich nicht die Politik genau jenes Wachstum zurück, das zu den Fehlentwicklungen geführt hat? Also Wachstum um den Preis, dass es mit extremer Spekulation erkauft ist. Und ist es nicht auch dem Bürger egal, woher das Wachstum kommt, solange es nur da ist?

Martinek: Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass es Wachstum auch in einem qualitativen Bereich geben kann. Bleiben wir einmal im Energiebereich. Wie kann ich über alternative Energien Wachstum schaffen? Indem ich also nicht nur Energiereserven ausbeute, sondern mein Verhalten ändere, so dass ich auch aus weniger mehr beziehen kann. Indem ich alternative Energiegewinnungen fördere, generiere ich gleichzeitig aus dem Energiesparen Fortschritt.

Die Furche: Ist es nicht paradox, dass Energiesparfortschritte oft nur dazu führen, dass noch mehr Energie konsumiert wird?

Martinek: Diesen Eindruck kann man schon haben. Kürzlich hatten wir eine Diskussion über Autos. Was dort an Effizienz in einem Jahr geschaffen wird, geht im nächsten durch 20 PS mehr wieder verloren. Wenn wir uns ansehen, dass die größte Volkswirtschaft der Welt, die USA, den höchsten Energieverbrauch pro Kopf der Welt hat, muss man sich schon fragen ob sich die Politik immer die richtigen Ziele setzt. Wenn wir zurückgehen zum Bankensgeschäft: Es ist genau dieser nachhaltige Ansatz, der die Arbeit bei Schelhammer und Schattera für mich so spannend macht: Zu zeigen, dass man Bankgeschäfte auch mit einer sozialen Orientierung betreiben kann.

Die Furche: Sie sind Marktführer im Bereich ethischer Investments in Österreich. Aber auch Sie brauchen die anderen Investments, um erfolgreich zu bilanzieren.

Martinek: Natürlich sind auch wir von den Rahmenbedingungen abhängig. Wenn man in einer Gesellschaft lebt, die als einziges Ziel die Maximalrendite sieht, dann tut man sich mit so einem Ziel schwer und man muss Kompromisse eingehen. Wäre Ethik die Norm, dann könnte die Bank auch den Anteil nachhaltiger Produkte erhöhen. Derzeit sind es etwa 40 Prozent.

Die Furche: Sie haben von der Bankenwelt gesprochen, die noch nicht dort angekommen ist, wo sie sein soll. Sind es die Kunden?

Martinek: Wir befinden uns in einer Übergangsperiode. Im Denken der Kunden hat dieser Übergang schon stattgefunden, da findet ethisches Investment breiten Zuspruch. Aber tatsächlich zur Bank zu gehen - das ist etwas anderes. Viele Kunden glauben, sie müssten für ihr gutes Gewissen auf etwas verzichten. Aber so ist das nicht. Das ist nachweisbar. Gerade im Aktienbereich: Unternehmen, die nachhaltig denken und handeln, sind nicht schlechter in ihrer Performance als andere, in vielen Fällen sogar besser.

Die Furche: Da es in diesem Gespräch um Geld geht, sollte der Euro nicht fehlen. Jaques Delors sagt, die Krise werde Europa zusammenwachsen lassen.

Martinek: Das sehe ich auch so. Natürlich ist man im Nachhinein immer gescheiter. In diesem Fall wäre es klug gewesen, den Euro-Raum nicht so schnell auszuweiten. Man hätte auf eine einheitliche Fiskalpolitik setzen müssen, anstatt eine Entwicklung zuzulassen, in der die Ungleichgewichte immer größer wurden. Schauen Sie nach Spanien. Dort gibt es 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit und 25 Prozent Gesamtarbeitslosigkeit. Das kann eine Gesellschaft auf Dauer nicht aushalten. Europa muss den Schwächeren helfen. Und es muss sich klar sein, dass die Kernländer früher auch profitiert haben, weil Griechenland und Spanien gekauft haben. Jetzt geben wir einen Teil dessen zurück.

Die Furche: Ich würde gerne ins Grundsätzliche gehen: Ihre Bank ist doch eine christliche Bank.

Martinek: Es ist eine Bank, die von christlichen Werten geprägt ist, ja.

Die Furche: Wenn man Jesus radikal interpretiert, dann wäre der Ort an dem es sicher keine Gerechtigkeit gibt - eine Bank.

Martinek: Sagt er das?

Die Furche: Andeutungsweise, wenn es um Eigentum und Reichtum geht oder als er die Händler aus dem Vorhof des Tempels vertreibt. Darunter könnten auch gut einige Geldwechsler gewesen sein, was meinen Sie?

Martinek: Sie spielen da auf die Diskussion um das Zinsverbot an. Ich glaube, im engeren Sinne ging es da nicht um ein Zinsverbot, sondern ein Wucherverbot. Ich glaube, die Botschaft der Bibel ist, dass man alles mit Maß und Ziel tun soll. Ich bin bei radikalen Ansätzen und Gruppierungen immer sehr vorsichtig.

Die Furche: Der Schuldenschnitt war doch aber eine lange geübte biblische Praxis.

Martinek: Das hängt aber mit dem Wucher zusammen. Wucher ist die alleinige Orientierung auf Gewinn, egal wie er zustande kommt. Das ist nicht das Leitbild unserer Bank. Marktwirtschaft hat unserer Ansicht nach eine soziale und eine ökologische Verantwortung. Wenn wir im biblischen Kontext bleiben, nehmen wir das siebte Gebot: Du sollst nicht stehlen. Eine exzessive Marktwirtschaft verletzt dieses siebente Gebot. Unsere Philosophie ist es, dass die Wirtschaft soziale Rahmenbedingungen braucht, die sich natürlich auch in der Arbeit der Bank widerspiegeln. Ellenbogenpolitik und Nachtwächterstaat - das ist nicht die Gesellschaft, in der wir uns sehen wollen.

Die Furche: Mark Twain sagte einmal über Banken ...

Martinek: Sie meinen: "Banker sind Menschen, die Dir bei gutem Wetter einen Regenschirm leihen und ihn zurückfordern, wenn es zu regnen beginnt“?

Die Furche: Genau. Sie als ethischer Banker würden mir den Schirm lassen ...

Martinek: (schmunzelt) Jein.

Die Furche: Wie das?

Martinek: Wenn ein Unternehmer nicht nachhaltig wirtschaften kann, darf es nicht das Ziel einer Bank sein, zu sagen, nimm Kredit soviel du willst. Das geht nicht. Aber eine gute Hausbank, als die wir uns verstehen, wird sich gut überlegen, ob wir einen Kunden, der unverschuldet in Not geraten ist, den Kredit fällig stellen. Sie haben den biblischen Schuldenschnitt angesprochen. Wir suchen da einen guten Mittelweg.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung