Erste Indizien, dass sich die Lage bessert

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Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im FURCHE-Interview zur Krise: Die Maßnahmen wirken, die Konsolidierung des Budgets folgt 2010. Das Gespräch führte Claus Reitan

Die wirtschaftliche Lage bessere sich, aber die Krise sei noch nicht überwunden. Es sei mehr zu tun, als Haftungen anzubieten und Bonifikationen neu zu regeln, sagt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner.

Die Furche: Sie waren mit dem Bundespräsidenten und einer Wirtschaftsdelegation in Japan. Wie steht es um die Weltwirtschaft?

Reinhold Mitterlehner: Japan ist das zweitgrößte Industrieland der Welt. Es spürt die Krise stärker, gibt 3,7 Prozent des BIP aus, um dagegen anzukämpfen und muss trotzdem das Schrumpfen seiner Wirtschaft um sechs Prozent hinnehmen. Die Japaner setzen jetzt, ähnlich wie wir, stärker auf den Inlandskonsum. Darin liegen Chancen für Österreichs Exporteure. Das zeigt allein die Tatsache, dass 140 Unternehmer mitgeflogen sind.

Die Furche: Kommt Japan aus der Stagflation – also negativem Wachstum trotz Nullzinsen – heraus?

Mitterlehner: Die Regierung versucht, Bewegung in den Markt zu bringen, indem sie den Konsum unterstützt, Familienbeihilfen und Mindestlöhne erhöht. Aber Japan ist alleine. In der größeren EU waren es hingegen viele Länder, die Geld in den Markt gepumpt haben, damit die Krise nicht zu ausgeprägt wird. Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sieht dies als Vorteil.

Die Furche: Aber bezüglich öffentlicher Verschuldung ist die Regierung zurückhaltender als Stiglitz.

Mitterlehner: Stiglitz sagt, man müsse den Zeitpunkt genau beachten, man dürfe nicht zu früh zu sparen beginnen, sonst käme ein zweiter Kriseneffekt. Es wäre noch problematischer, wenn der Staat zweimal eingreifen müsste. Aber an der Konsolidierung führt mittelfristig kein Weg vorbei.

Die Furche: Wann ist der Zeitpunkt, Defizite zurückzunehmen.

Mitterlehner: Der entscheidende Zeitraum ist das nächste Frühjahr, wenn man sieht, ob die Märkte wieder aufgrund von Angebot und Nachfrage funktionieren – unter der Annahme, dass auf den Finanzmärkten kein größerer Schadensfall auftritt.

Die Furche: Wer beurteilt woran, ob die Märkte wieder funktionieren?

Mitterlehner: Der Wirtschafts- und der Finanzminister sind ständig in Kontakt, auch mit den Fachleuten. Indikatoren sind das Wachstum, der Arbeitsmarkt, insbesondere jener für die Jugend, weiters die Investitionsquote. Wir haben Indizien, dass sich die Lage bessert, aber keine Beweise, dass die Krise schon überwunden ist.

Die Furche: ... und genau am Arbeitsmarkt kommt die Krise erst.

Mitterlehner: Der Arbeitsmarkt reagiert immer verzögert. Aber dank unserer Maßnahmen ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht so dramatisch ausgefallen wie in manchen anderen Ländern.

Die Furche: Aber der Jugend werden zu wenig Lehrstellen angeboten, viele wählen wenige Berufe .

Mitterlehner: Das ist richtig erkannt. Leider nehmen manche Betriebe die Lehrstellen zurück. Wir fangen das mit dem „Pakt für lehrlinge“ und dem Arbeitsmarktservice auf, bieten ausreichend Plätze, natürlich mit Lehrabschluss. Kein Jugendlicher steht ohne Ausbildungsplatz auf der Straße. Die Burschen entscheiden sich für mehr Berufe, die Mädchen noch nicht. Da ist zu handeln.

ie Furche: Salärs und Boni sind im Gerede. Reichen die neuen Regeln des Corporate Governance Kodex?

Mitterlehner: Die Änderungen, also mehr Kontrolle, mehr Transparenz, sind richtig, sie gelten für börsennotierte Unternehmen. Wir vollziehen nach, was die G-20 und die EU beschlossen haben. Sich daran zu halten, gehört für Unternehmen zu guten Ton, ansonsten riskieren sie Abschläge.

Die Furche: Aber Boni wurden an kurzfristige Erfolge gekoppelt.

Mitterlehner: Darum sollen die Bonifikationen mehr auf Nachhaltigkeit als Grundlage abgestimmt werden. Es ist richtig, Boni nicht nur an kurzfristigen Erfolgskriterien zu messen, denn dann nehmen Manager zu hohe Risiken in Kauf.

Die Furche: Wird der in die Kritik geratene freie Beruf des Finanzdienstleistungsberaters geregelt?

Mitterlehner: Wir sind dabei, das Berufsbild näher zu definieren. Doch man muss schon bei den Banken und im Finanzbereich die Regularien der G-20 umsetzen, also Eigenkapital erhöhen, die Dividendenpolitik ändern, transparenter über die Finanzprodukte informieren. Da ist noch eine Menge zu tun. Der Schlüssel dazu, dass solche Krisen in Zukunft nicht mehr passieren, liegt in diesem Sektor. Auch in der Geschwindigkeit und in der Distanz zur Realwirtschaft, mit der die Geschäfte abgewickelt worden sind. Diese Probleme sind noch nicht alle behoben, müssen intensiver bearbeitet werden. Andersrum: Es wäre verfehlt, nur an neuen Regeln für Bonifikationen bereits die Gesundung des gesamten Sektors zu sehen.

Die Furche: Ist das Kritik des Wirtschaftsministers an den Banken?

Mitterlehner: Wie die Pharmabranche zeigt, behindern Regeln nicht den Wettbewerb, sondern bedeuten Sicherheit für Konsumenten. Wenn die Banken ihre Sanierungen umsetzen, können nicht ihre Kunden alles bezahlen Da muss ein interner Beitrag kommen, etwa in Form von Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Wir wollen für die Wirtschaft die Kosten senken, insbesondere für die Gründung von Unternehmen. Die ist anderswo viel günstiger.

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