Erwachter Patientenwille

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Fünf Jahre lang vegetierte die Vision im Wachkoma dahin. Diesen Mittwoch hat der mehrjährige Reanimationsprozess am Patientenverfügungsgesetz im Nationalrat sein Ende gefunden. So wird es fortan möglich sein, für den Fall späterer Urteils-und Äußerungsunfähigkeit bestimmte medizinische Behandlungen abzulehnen - und zwar für fünf Jahre "verbindlich" (falls eine ärztliche Beratung vorangegangen ist und das Papier vor einem Rechtsanwalt, Notar oder Mitarbeiter der Patientenanwaltschaft unterzeichnet wurde) oder nur "beachtlich", wenn dem nicht so ist. Ein "europaweit richtungsweisendes Gesetz", meinen Maria Rauch-Kallat und Karin Gastinger unisono.

Und sie haben mit ihrem Pathos Recht, auch wenn das Kompromisspapier Schwachpunkte birgt: Etwa die Frage, wie eine "zutreffende Einschätzung" der Folgen einer Patientenverfügung auszusehen hat; oder die Frage, ob die Bundesländer ihre Patientenanwaltschaften mit den nötigen Ressourcen ausstatten, damit diese ihr neues Service (das sie anders als die Rechtsberufe kostenlos bieten!) auch leisten können. Ob es hier zu tauglichen Lösungen kommt, wird die Evaluierung des Gesetzes zeigen.

Die Fundamentalkritik des Zivilrechtlers Heinz Barta und der SPÖ an der mangelnden Reichweite des Gesetzes ("Selbstbestimmtes Sterben sollte in einem Land wie Österreich eine Selbstverständlichkeit sein"), ist dagegen nicht nachvollziehbar. Auch wenn ärztlicher Paternalismus passé ist: "Selbstverständliche Selbstbestimmung" am Lebensende würde letztlich auch aktive Sterbehilfe legitimieren - die in der Praxis dem tatsächlichen Patientenwillen nicht selten zuwiderläuft, wie das Beispiel Niederlande zeigt. Ein klares Patientenverfügungsgesetz vermag ähnliche Szenarien in Österreich vielleicht hintanzuhalten. Insofern hat sich das fünfjährige Warten auf das Ende dieses Wachkomas gelohnt.

doris.helmberger@furche.at

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