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Erziehung: Die Mütter sind an allem schuld

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Auf dem schmalen Grat zwischen Vernachlässigung und Überfürsorglichkeit: Kinder werden heute in erster Linie von Frauen erzogen - von den Müttern und Großmüttern, von Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen an Volks-, Haupt- und höheren Schulen. Wie wirkt sich diese Dominanz des Weiblichen - und das Fehlen der Männer - für Mädchen/Buben aus?

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Auf dem schmalen Grat zwischen Vernachlässigung und Überfürsorglichkeit: Kinder werden heute in erster Linie von Frauen erzogen - von den Müttern und Großmüttern, von Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen an Volks-, Haupt- und höheren Schulen. Wie wirkt sich diese Dominanz des Weiblichen - und das Fehlen der Männer - für Mädchen/Buben aus?

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Frauen spielen heute im Erziehungswesen Österreichs eine zentrale Rolle: als Mütter ebenso wie als professionelle Pädagoginnen. Das war nicht immer so. Als im Zuge der Aufklärung die Kindheit „entdeckt" und das Kind als eigenständiges Wesen mit bestimmten Bedürfnissen wahrgenommen wurde, traute man Frauen die für eine umfassende Erziehung á la Jean Jacques Rousseau nötigen Fähigkeiten erst einmal gar nicht so recht zu. Die Mutterliebe als völlige Hinwendung zum Kind und die angeblich naturhafte Mütterlichkeit aller Frauen mußten im Lauf des 19. Jahrhunderts von Pädagogen wie Johann Heinrich Pestalozzi und Friedrich Fröbel erst salonfähig gemacht, die bürgerlichen Frauen (und später auch die proletarischen) zu „richtigen" Müttern erzogen werden.

Für die soziale Stellung der Frau hatte diese Entwicklung vielfältige Konsequenzen, die bis heute wirksam sind. Zunächst einmal erlaubte die Festschreibung der bürgerlichen Frau auf eine Rolle als Mutter, Gattin und Hausfrau, ihr politische Rechte, höhere Schulbildung und das Recht auf bezahlte Arbeit zu verweigern, was vor allem im Zusammenhang mit dem Auseinanderdriften von Arbeitsplatz und Familie zu sehen ist.

Im Lauf des 20. Jahrhunderts haben sich die Frauen zwar Wahlrecht, Zutritt zu allen Universitäten und massive Teilnahme an Erwerbsarbeit erkämpft - dennoch spricht Österreichs Realität noch immer eine deutliche Sprache der Ungleichheit. In politisch und wirtschaftlich hochrangigen Positionen bilden Frauen lediglich eine Minderheit.

Andrerseits bot die neue, hoch bewertete Aufgabe, Mutter und nahezu alleinige Erzieherin ihrer Kinder zu sein, den bürgerlichen Frauen des vorigen Jahrhunderts die Möglichkeit, ihre gesellschaftliche Position aufzuwerten und dadurch die Institution der Ehe, die durch völlige rechtliche Unterwerfung der Frau gekennzeichnet war, ein Stück weit zu demokratisieren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts griff sogar die Frauenbewegung Fröbels Idee der mütterlichen Begabung aller Frauen auf, um auf diese Weise den Frauen Zutritt zu pädagogischen und fürsorgenden Berufen zu verschaffen und so eine weibliche Nische im männlich dominierten Erwerbsleben auszubauen. Diese Argumentation brachte allerdings mit sich, daß bis heute versucht wird, Frauen aus „unweiblichen" Berufen fernzuhalten.

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