„Es geht auch um Respekt“

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Der Beruf der Kindergartenpädagogin, des Kindergartenpädagogen hat seit jeher mit Imageproblemen zu kämpfen. Kratzt das „Tanten“image trotz Kampagnen immer noch kräftig am Selbstverständnis mancher Pädagogin, so halten sich Vergleiche wie Kindergarten als Kinderverwahranstalt hartnäckig in vielen Köpfen. Nun plant die Bundesregierung in einem ersten Schritt, dass die Kindergartenausbildung an die pädagogischen Hochschulen kommt. Neben besserer fachlicher Qualifikation erhofft man sich so vor allem, den Beruf attraktiver zu machen, denn Bedarf an Personal gäbe es genug. Dass aber eine alleinige Aufwertung des Berufes nicht ausreicht, wenn die Rahmenbedingungen gleichbleiben, bekräftigt die stellvertretende Obfrau des Dachverbandes der Kindergarten- und Hortpädagoginnen, Raphaela Keller.

Die Furche: Frau Keller, die Politik setzt Maßnahmen wie beitragsfreier Kindergarten, verpflichtendes Kindergartenjahr, bessere Ausbildung für die Pädagoginnen. Wie sehen die derzeitigen Rahmenbedingungen der Kindergartenpädagoginnen aus?

Raphaela Keller: Sehr schlecht. Eigentlich sind bereits seit den letzten zwei Jahren Gruppen teilweise sehr lange unbesetzt. Neben der Kinderdienstzeit soll ja auch noch Zeit für Elternberatung, Stichwort Erziehungspartnerschaft, sein. Das heißt, die Kolleginnen müssen irgendwie hin und her jonglieren. Sie sind äußerst erschöpft, frustriert, was sich natürlich im Engagement für den Alltag auswirkt. Trotzdem geht es den Kindern weiterhin gut. Aber die Kolleginnen treiben sich damit ins Burn-out.

Die Furche: Erhalten Ihre Kolleginnen Unterstützung seitens der Institutionen?

Keller: Na ja, es kann einem passieren, dass man einfach gemaßregelt wird, wenn Sachen nicht mehr so gehen. Wie eine Kollegin, die zum Beispiel sehr viele Outdoor-Angebote gemacht hat. Irgendwann ging es nicht mehr, weil es keine zweite Kollegin zum Weggehen gab. Die Eltern haben dann bei ihr nachgefragt, und sie hat wahrheitsgemäß geantwortet, dass schlicht das Personal dazu fehle. Die Eltern gingen dann zu höherer Stelle – und was passierte? Anstatt dass sie Unterstützung erhalten hätte, ist sie gemaßregelt worden, warum sie so etwas zu den Eltern sagt. Das kann es ja nicht sein!

Die Furche: Heißt das, die Politik müsste zuerst für optimale Rahmenbedingungen sorgen, bevor die Ausbildung auf die pädagogische Hochschule verlegt wird?

Keller: Das ist die Katze, die sich in den Schwanz beißt. Die Arbeitsbedingungen sind oft der Grund, weswegen viele erst gar nicht in den Beruf kommen. Ausgebildete Pädagoginnen gäbe es genug. Sie haben während der Schulzeit viel Praxis und sehen, dass diese mit der Theorie, die sie in der Schule gelernt haben, selten zusammenpasst. Genausowenig wird eine Volksschullehrerin unter diesen Bedingungen, wie wir sie derzeit haben, in den Kindergarten wechseln.

Die Furche: Was hätte oberste Priorität, um diesen Umstand des Personalmangels zu ändern?

Keller: Es müsste etwas passieren, was den Beruf sofort attraktiv macht. Das geht derzeit nur mit Geld. Denn ich kann den Leuten nicht versprechen, ihr kriegt mehr Zeit oder weniger Kinder in der Gruppe. Vor allem wenn man hört, 15 Kinder sind keine Gruppe. Das ist Unsinn! Kinder brauchen Rückzugsmöglichkeiten, wenn der Lärm, der zeitweise in Gruppen herrscht, mit dem Starten eines Flugzeugs vergleichbar ist. Natürlich tut der Geräuschpegel Erwachsenen auch nicht gut. Es muss wirklich einmal der Personalstand passen.

Die Furche: Hat dieser Bereich zu wenig Prestige?

Keller: Ja. Aber es stimmt natürlich, dass der Elementarbereich teuer ist. Dieser wurde seit urdenklichen Zeiten mit zu wenig Finanzmitteln ausgestattet. Es müsste sogar bessere Bedingungen geben, je jünger die Kinder sind.

Die Furche: Braucht es mehr Bewusstseinsbildung, dass die Arbeit im Kindergarten ein wesentlicher Beitrag für die Gesellschaft ist?

Keller: Ich glaube, es geht noch um Respekt. Gegenüber denen, die mit Menschen arbeiten. Bei den Lehrkräften geht es ja um Beurteilung und Leistung. Das heißt, ich brauche sie. Mir wäre wichtig, dass die Leute erkennen, was für ein wichtiger Beitrag mit der Arbeit im Kindergarten für die Gesellschaft eigentlich erbracht wird.

* Das Gespräch führte Martina Kirnstötter

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