"Es geht um Angewiesenheit"

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Welche Qualität bringen ehrenamtlich Mitarbeitende im Hospizbereich ein? Und welche Haltung sollten sie verinnerlicht haben? schwester Karin Weiler, Ehrenamts-Verantwortliche der Caritas socialis, im Interview.

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Welche Qualität bringen ehrenamtlich Mitarbeitende im Hospizbereich ein? Und welche Haltung sollten sie verinnerlicht haben? schwester Karin Weiler, Ehrenamts-Verantwortliche der Caritas socialis, im Interview.

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Rund 80 Freiwillige schenken im Hospiz Rennweg der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS) in Wien schwerkranken Menschen ihre Zeit und Nähe; weitere 310 Ehrenamtliche sind in anderen Bereichen der CS engagiert. Schwester Karin Weiler ist dafür verantwortlich, ihren Einsatz bestmöglich zu koordinieren. Auch der Vorbereitungskurs "Einführung in die Lebens-, Sterbe-und Trauerbegleitung" im Kardinal König Haus, den interessierte Hospizbegleiterinnen zuvor besuchen müssen, wird von ihr geleitet. Ein Gespräch über Schätze und Herausforderungen freiwilliger Tätigkeit.

DIE FURCHE: Ehrenamtliche sind eine Säule der Hospizkultur. Hat sich ihr Engagement in den vergangenen Jahren verändert?

Sr. Karin Weiler CS: Die Zahl der ehrenamtlich Tätigen nimmt zu, und sie werden tendenziell jünger. Wir merken auch, dass sich immer mehr Ehrenamtliche lieber kürzer und projektbezogen engagieren wollen. Es gibt auch jene, die sagen: "Ich habe zwar nicht wöchentlich Zeit, aber wenn ihr jemanden für einen Ausflug mit fünf Rollstühlen braucht, dann komme ich." Das läuft bei uns unter dem Motto "CS spontan".

DIE FURCHE: Was ist das Besondere, das Ehrenamtliche im Hospizbereich einbringen?

Sr. Karin: Sie können ein Stück Alltag und Lebensqualität in diese vom Sterben geprägte Welt bringen, weil sie nicht von ihrer beruflichen Rolle her denken und sich nicht auf die Linderung eines Symptoms konzentrieren müssen. Dieses Unvoreingenommen-Dasein kann sich darin zeigen, dass man gemeinsam ein Fußballspiel anschaut, einen Kaffee miteinander trinkt, mit den Angehörigen redet oder eine Bewohnerin liebevoll schminkt. Ehrenamtliche haben Zeit, eine Stunde lang ganz präsent zu sein, eine Sitzwache an einem Bett zu halten und damit die Hauptamtlichen zu entlasten. Es gibt aber auch solche, die nicht direkt in der Begleitung tätig sind, sondern sich etwa bei uns im CS Hospiz Rennweg einfach um die Blumen auf der Terrasse kümmern.

DIE FURCHE: Diese unterschiedlichen Zugänge zwischen Haupt - und Ehrenamtlichen bergen aber auch Konfliktpotenzial...

Sr. Karin: Ja, das erleben auch wir. Einerseits kann das damit zu tun haben, dass Ehrenamtliche mit einem idealisierten Bild von Hospizarbeit auf Menschen stoßen, die auch Grenzen haben. Das ist eine Lernerfahrung, die schwierig sein kann. Außerdem benötigen Ehrenamtliche eine Einführung, bevor sie tatsächlich zu einer Entlastung werden - und das bedeutet auch Arbeit für die Hauptamtlichen. Für ein gutes Miteinander zwischen den Professionen ist also ganz viel interdisziplinäre Kommunikation nötig, die geübt werden muss. In unseren Kursen geht es deshalb auch darum, eine Haltung der "Angewiesenheit" zu entwickeln, denn niemand kann allein der Retter der Menschen sein, wir alle sind aufeinander angewiesen. Ich sage immer: "Man soll sich nicht selber mit dem lieben Gott verwechseln." Es gelingt nur im Gemeinsamen. Gerade der Hospiz- und Palliativbereich kann Menschen aber dazu verleiten, über ihre eigenen Grenzen zu gehen: Es ist ja alles dringend, weil morgen lebt dieser Mensch vielleicht nicht mehr!

DIE FURCHE: Ist Burnout im Hospizbereich ein großes Problem?

Sr. Karen: Ich glaube nicht, dass der Hospizbereich hier führend ist. Besondere Aufmerksamkeit ist aber geboten, wenn es bei Hauptamtlichen zusätzlich familiäre Belastungen gibt. Unter den Ehrenamtlichen sind jene eher eine Gefahr, die ein starkes Bedürfnis haben zu helfen. Wichtig ist es, die eigene Geschichte von jener in der Begleitung trennen zu können. Ehrenamtliche, die selbst in Trauer um enen Angehörigen sind, raten wir, eine Pause einzulegen.

DIE FURCHE: Gibt es konkrete Abgrenzungs-Strategien, die Sie Ehrenamtlichen raten?

Sr. Karin: Eine Maßnahme - etwa in der Begleitung zu Hause - ist, keine private Telefonnummer herzugeben und auch auf das Du-Wort zu verzichten, wel sonst die Rollen verschwimmen. Auch das Annehmen von Geschenken oder Versprechen im Angesicht des Todes sind schwierig. Um mit belastenden Situationen gut umgehen zu können, gibt für Ehrenamtliche neben der Supervision auch regelmäßige Rituale, bei denen sie sich nochmals bewusst von allen Verstorbenen verabschieden können. Das is vor allem dann wichtig, wenn sie jemanden über einen längeren Zeitraum begleitet haben.

DIE FURCHE: Trotz dieser Herausforderungen ist das Interesse an einer ehrenamtlichen Mitarbeit im Hospizbereich groß. Wie sieht es im Pflegeheimen aus?

Sr. Karin: Das ist in Entwicklung. Am Anfang der Hospizbewegung hätte man sich niemals vorstellen können, dass die Arbeit in diesem Bereich einmal so attraktiv sein könnnte. Jetzt sind wir dabei, diese Hospizkultur auch in Pflegeheimen zu fördern. Dazu kommt unser Demenz-Wegbegleiter-Kurs, wo wir beim zweiten Durchgang im Kardinal König Haus bereits eine Warteliste hatten. Meine Vision ist, dass die Menschen irgendwann genauso stolz sagen: "Ich kümmere mich um einen Menschen mit Demenz!", wie sie heute stolz sagen: "Ich arbeite im Hospiz!"

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