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"Faires" Reisen boomt. Wandelt sich ein Nischenprodukt zum massentauglichen Phänomen?

Schneebedeckte Schipisten, drei Fußballfelder groß, fünf verschiedene Abfahrten und rundherum: Wüste. Die größte Schihalle der Welt steht in Dubai (an der türkischen Ägäis ist derweil ein noch größeres Projekt geplant). Auf den Philippinen verbraucht die Begrünung eines Golfplatzes dieselbe Wassermenge wie 65 Hektar Ackerland. Ist das die Zukunft des Tourismus?

Norbert Draskovits, Vorstandsdirektor des Verkehrsbüros und Vizepräsident des österreichischen Reisebüroverbands, bereiten Golfplätze in Wüstengebieten keine Bauchschmerzen, wie er sagt. Man müsse das im Regelkreis der dortigen Volkswirtschaft sehen. "Der Wasserverbrauch für solche Golfanlagen zerstört die Natur nicht, und schon gar nicht die Lebenssituation der dortigen Bevölkerung, ganz im Gegenteil", so Draskovits.

Trend mit Breitenwirkung?

Eine stetig wachsende Zahl an Anbietern hat jedoch höhere Ansprüche an die Ethik im Tourismus und verschreibt sich dem "nachhaltigen Reisen", das die Umwelt- und Sozialverträglichkeit des Urlaubs betont. Faire Löhne für die Einheimischen, Flüge vermeiden und kleine Reisegruppen - das sind nur einige Auszüge aus dem Kriterienkatalog des Forum Anders Reisen, einem Zusammenschluss von mittlerweile rund 140 deutschen Reisebüros.

In Wien gibt es mit "Reise mit dem Plus" seit Herbst 2006 eine ähnliche Plattform, die bis jetzt acht Reisebüros umfasst. Leiterin Julia Balatka freut sich über eine gute Entwicklung: "Wir sind sicher im richtigen Moment gestartet, im Zuge der ganzen Klimadebatte." Balatka sieht einen allgemeinen Trend in diese Richtung und rechnet mit langfristigem Erfolg. "Es wird so sein wie bei den Bioartikeln, die gibt es mittlerweile auch überall zu kaufen."

Respect, selbst kein Reiseanbieter, widmet sich als Institut für integrativen Tourismus vor allem der Informations- und Bildungsarbeit und ist ebenfalls auf Breitenwirkung aus: "Wir werden alle neugierigen Touristen erreichen, denn nachhaltiges Reisen ist einfach schöner und bringt mehr, als bloß Orte auf einer Liste abzuhaken", ist Geschäftsführerin Margit Leuthold überzeugt.

Das Grazer Reisebüro Weltweitwandern richtet sich nach den Kriterien des Forum Anders Reisen, hat aber einen etwas pragmatischeren Zugang, wie Sprecherin Sophie Borckenstein darlegt: "Wir sind uns bewusst, dass solche Reisen ein Nischenprodukt sind, das wird auch immer so bleiben." Es gäbe einfach Leute, die für nachhaltiges Reisen nicht mehr bezahlen wollen. "Und das ist auch in Ordnung. Wir können den Cluburlaub nicht ersetzen." Peter Zellmann vom Institut für Freizeit- und Tourismusforschung schätzt, dass mit diesem Konzept maximal 15 Prozent der Bevölkerung angesprochen werden können, der Anteil werde auch kaum wachsen. Der Mensch sei ein Gewohnheitstier, das nach bewährten Mustern lebt und gerade im Urlaub keine Einschränkungen will. "Diese Ernüchterung hat der sanfte Tourismus schon vor 20 Jahren erlebt. Die Menschen verstehen die Mahnungen zwar, fliegen aber trotzdem nach Mallorca", sagt Zellmann.

Nachfrage vorhanden

Aber auch in der Nische lässt es sich offenbar gut leben. Das Reisebüro Weltweitwandern konnte seinen Umsatz von 700.000 Euro im Jahr 2004 auf 2,01 Millionen 2006 steigern, für 2007 werden 3 Millionen erwartet. Das gemeinnützige Unternehmen Atmosfair, wo man mit Spenden CO2-Emissionen einsparen kann, blickt ebenfalls auf eine gute Entwicklung zurück. Gab es zu Beginn gerade einmal 25 Buchungen pro Tag, so verzeichnet die Organisation nun bis zu 250.

Für Harald A. Friedl, der an der Fachhochschule Bad Gleichenberg Ethik im Tourismus lehrt, ist der Erfolg leicht zu begründen: "Atmosfair lebt von der Hoffnung: Wenn ich da etwas einzahle, kann ich meine Seele freikaufen." Er sieht Atmosfair zwar als die am "wenigsten schlechte Variante", erwartet aber generell keine völlige Trendwende im Tourismus, nachhaltiges Reisen sei schon in den 80ern ein Thema gewesen: "Tatsächlich erlebt das Ganze keinen größeren Zuspruch als früher, durch den Klimawandel ist es nur thematisch stärker an der Tagesordnung."

Ethik aus Eigeninteresse

Völlig vorbeigegangen ist ethisch korrektes Reisen aber auch an den großen Anbietern nicht. Sowohl der österreichische Reisebüroverband als auch der österreichische Touristikverband unterstützen den Weltkodex für Ethik im Tourismus der WTO, eine unverbindliche Empfehlung für ethisches Reisen. Die Verbände befürworten auch einen freiwilligen Code of Conduct gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern in touristischen Gebieten.

Zwar ärgert sich Julia Balatka von "Reise mit dem Plus" über manche Anbieter, die "das Schlagwort nachhaltiges Reisen nur als Marketinginstrument verwenden". Aber letztlich gäbe es auch bei den Großen ein Umdenken, so Balatka: "Schon im eigenen Interesse, damit die Reiseziele erhalten bleiben." Verkehrsbüro-Vorstandsdirektor Draskovits definiert nachhaltiges Reisen nach eigenen Angaben etwas "weiter" und sieht im europäischen Tourismus ohnehin schon ein großes Bewusstsein dafür. Das Zubetonieren der Landschaft werde vom Konsumenten nicht mehr akzeptiert. "Das ist ein langer Umweg, den Europa bereits gegangen ist."

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