Fairness gegen Doping

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Die ganze Welt schaut in diesen Tagen nach Sydney: Kampf ist angesagt, auch gegen das Doping. 2.700 Kontrollen sollen für "saubere Spiele" sorgen. Sportethische Anmerkungen zum Kampf um das Edelmetall.

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Die ganze Welt schaut in diesen Tagen nach Sydney: Kampf ist angesagt, auch gegen das Doping. 2.700 Kontrollen sollen für "saubere Spiele" sorgen. Sportethische Anmerkungen zum Kampf um das Edelmetall.

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Nicht nur die Sportarten nehmen zu bei Olympia. Diesmal gibt es zum Beispiel erstmals auch den Run auf Medaillen in Trampolinspringen und Taekwondo. Letzteres ist eine asiatische Kampfsportart, wo die Selbstverteidigung im Mittelpunkt steht. Ebenso werden aber die Dopingmethoden immer raffinierter und schwerer nachweisbar als früher. Deshalb fragt das "Time-Magazine" schon jetzt provokant, ob die Drogen die Spiele gewinnen werden (Are the drugs winning the games?).

Und so waren die Spiele für drei Sportler schon wieder zu Ende, noch bevor sie begonnen hatten: für die bulgarische Dreispringerin Iva Prandjeva, die kasachische Schwimmerin Jewgenia Jermakowa und den taiwanischen Gewichtheber Chen Po-Pu. Ebenso waren nicht weniger als 27 chinesische Sportler ins Dopingnetz gegangen und wurden gleichfalls vom eigenen nationalen Olympischen Komitee disqualifiziert. Einige rumänische Sportler befinden sich auch schon wieder auf der Heimreise, weil sie unerlaubte Pharmazeutika verabreicht bekamen.

Der österreichische Olympiakaplan Bernhard Maier, der auch das Team gegenwärtig in Sydney betreut, verweist in seinem neusten Buch "Hochleistungssport - ethische Perspektiven eines Zeitphänomens" (München 2000) darauf, dass es bestimmte Bedingungen gibt, um die Menschenwürde im Sport zu garantieren.

1. Es bedürfe einer Institutionenethik. Denn besonders diese Institutionen wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder Dachverbände, die für die Repräsentation von Werten stehen, während die Organisationen für die Durchführung von Wettbewerben zuständig seien, sind gefordert bei der Einhaltung des Fair Play. Jeder, der im Sport arbeite, müsse sich den "sportimmanenten" Regeln und Werten verschreiben. Diese bestehen nicht zuerst im Erfolg, wenngleich der Erfolg zum Wesen des sportlichen Wettkampfes dazu- gehört, sondern in der Fairness.

2. Die Menschenwürde hängt von der individualethischen und moralischen Integrität jedes einzelnen im Sport und für ihn Tätigen ab: den Funktionären, den Trainern, den Sponsoren, den Medienfachleuten und Zuschauern und am wesentlichsten wohl vom Sportler selbst. Besonders das Ethos der Funktionäre und Sportler sei die "stärkste Waffe" für das, was sich durch Menschenwürde und Erfolgsstreben miteinander versöhnend im Sport verbindet.

Überall dort, wo sich der Mensch nicht mehr mit dem Durchschnitt begnügt, sondern seine ganze Kraft auf ein besonders schwer zu erreichendes Ziel richtet, wird das in der Philosophie das "überragende, steile Gut" genannt (bonum arduum). Dabei ringen sich Menschen ein äußerstes Seins-Können ab.

Überflüssige Risiken Das Ethos des Hochleistungssportlers ist und bleibt das eines Grenzgängers, von dem nicht zu erwarten sei, dass alles harmonisch gelinge. Damit ist aber nicht Leichtfertigkeit oder Verantwortungslosigkeit gemeint. Überflüssige Risiken und voraussehbare, unverhältnismäßige Schädigungen dürfen deshalb weder heruntergespielt noch verharmlost werden. Auch lasse sich nicht alles, was geschieht, rechtfertigen, gibt der Münchner Sozialethiker Wilhelm Korff zu bedenken. Trotz allem müssen der/die Hochleistungssportler/in und seine/ ihre Betreuer in jedem Falle wissen und damit auch verantworten, was sie tun. Unter dieser Voraussetzung finden sie für die selbst auferlegte Fron der "sportlichen Arbeit" mit all ihren Zumutungen, Entbehrungen, Härten und Risiken ihre Rechtfertigung.

Sicherlich bleibt dann für den Athleten in all dem die Einsicht bestimmend, dass das Attraktive des Schnellsten, Höchsten, Stärksten etc. nicht bis ins Unendliche getrieben werden kann. Somit hat auch für den Sport zu gelten, dass der Fortschritt der Zukunft nicht Maximierung, sondern Optimierung heißen sollte. Es wäre deshalb ethisch nicht akzeptabel, wenn jemand weiß, er gewinnt den Marathonlauf in Sydney, aber an den Folgen der Strapazen müsste er sterben oder würde für seinen Körper bleibende Schäden davon tragen. Dennoch nimmt der Optimierungsanspruch nichts von dem zurück, was für den Menschen tatsächlich möglich ist und als erreichbar scheint. Denn die "Optimierung der Kräfte" sucht nach der als unüberbietbar geltenden "Bestheit". Diese Bestheit finden wir aber weder im Leben noch im Sport angesichts der Gebrochenheit alles Menschlichen ohne Narben. Dass diese "Narben" aber nicht selten auch wesentlich durch Pharmazeutika, der Überdosis oder deren falsche Anwendung verursacht werden, das ist nicht nur tragisch, sondern verwerflich.

Die Weltspitze wächst so stark zusammen, dass oft nur Hundertstel oder gar Tausendstel über Sieg oder Niederlage entscheiden. Besonders Medaillenkandidaten stehen nicht nur im Wettbewerb selbst unter Erwartungsdruck, sondern müssen sich häufig mit Dopingvorwürfen auseinandersetzen. In diesem Bereich ist eine gefährliche Grauzone zu beobachten, weil oftmals Athleten im Unklaren gehalten werden von ihren Betreuern, was sie verabreicht bekommen und wie sie gedopt werden. Vor allem in den ehemals kommunistischen Staaten - man erinnert sich exemplarisch an die äußerst "androgyn" wirkenden DDR-Schwimmerinnen - wurden Hormone gespritzt und durch eine ganze Pharmaindustrie Spitzensportler in menschenverachtender Art im Biorhythmus manipuliert.

Rudolf Weiler, Emeritus für Ethik und Sozialwissenschaften der Wiener Theologischen Fakultät, benennt in seinem Buch "Ethos im Sport" (Graz 1996) drei wesentliche Verstöße, die Doping bewirkt. Es sei eine unnatürliche, dem Sport wesensfremde und gesundheitsschädigende Art und Weise zur Leistungssteigerung. Doping ist ein Verstoß gegen die Ehrlichkeit und die sportliche Fairness. Die Nutzung solcher Mittel widerspricht den Normen der (meisten) Sportverbände, die Doping in ihren Wettkampfanordnungen ausdrücklich unter Sanktionen stellen.

Welche Dopingmittel?

Vor allem fünf Typen werden benutzt: * Wachstumshormone - sie erhöhen die Muskelmasse, je nach Einsatzmenge kommt es zur Potenzierung (sind nicht nachweisbar); * Betablocker - sie senken den Pulsschlag in entscheidendem Maß (vor allem für Schützen einsetzbar, die eine ruhige Hand brauchen); * Stimulata - sie steigern die Konzentration und führen zu vorübergehenden Hochgefühlen und Euphorie (z.B. Koffein oder Teein); * Steroide - sie vermehren ähnlich wie die Wachstumshormone die Kraft- und Muskelmasse und kommen am häufigsten zur Anwendung (z.B. im Gewichtheben); * Erythropoietin (kurz EPO genannt) - es veranlasst die vermehrte Bildung roter Blutkörperchen, die dann mehr Sauerstoff in die Muskeln transportieren, um eine bessere Leistung erbringen zu können (vor allem bei Ausdauersportarten im Einsatz).

Mittel, die in den ehemals kommunistischen Staaten entwickelt wurden, sind zur Perfektionierung ihrer Wirkung nach Westeuropa und die USA gelangt. Nach Expertenberichten erfreue sich auch das sogenannte Testosteronpflaster, das Männer unterhalb der Hoden "anbringen", wieder größerer Beliebtheit.

Um zu verhindern, dass es die "Spiele der Lügner" werden, wie "The Australian" zu bedenken gab, seien in Sydney die modernsten Labors der Welt installiert oder aufgerüstet worden, so der international anerkannte österreichische Dopingexperte Professor Hans Holdhaus. Auch mussten sich alle Sportler per Unterschrift zu Blutproben während der Olympiade bereit erklären. Ein Bagatellisieren nach dem Motto: "Doping - das machen doch alle" wird nicht toleriert. Strengere Maßnahmen wurden jedenfalls veranlasst, damit die Spiele ein Fest der Fairness werden. Ob sie das tatsächlich werden, entscheiden die Athleten und ihre Betreuer wesentlich mit Fraglos wird der Kampf gegen die Drogen und ihre "Nutzung" schärfer, teurer und die Grauzone zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem größer. Trotz aller Bemühungen um Fair Play im Wettkampf bleibt es stets ein Verfolgungsrennen, denn auch diejenigen, die die Athleten kontrollieren, werden sich fühlen wie Kriminalisten, die die Spurensicherung erst dann aufnehmen, wenn das Attentat bereits begangen worden ist.

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