Familienidyll 1999

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Sechs Modelle für einen Kinderbetreuungsscheck liegen vor. Was fehlt, ist der Wille zur Umsetzung.

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Sechs Modelle für einen Kinderbetreuungsscheck liegen vor. Was fehlt, ist der Wille zur Umsetzung.

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Für jedes ihrer drei Kinder im Alter zwischen acht Jahren und dreizehn Monaten hat eine andere Karenzgeldregelung gegolten. "Zuerst war es schlechter, dann ist es besser geworden, dann wieder schlechter!" schildert die junge Mutter Ruperta Schiendorfer ihre Situation. Der Zickzackkurs in der Familienpolitik Österreichs trägt wenig zur Ermutigung junger Familien bei, sich für eigene Kinder zu entscheiden. Die sinkenden Geburtenzahlen sprechen eine deutliche Sprache.

Jetzt hat das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF) eine "Machbarkeitsstudie Kinderbetreuungsscheck" vorgelegt und damit für zusätzlichen Zündstoff im beginnenden Nationalratswahlkampf gesorgt. Im Auftrag des Familienministeriums errechnete das ÖIF sechs Modelle der Familienförderung: Die billigste Variante ist ein Kinderbetreuungsgeld (Karenzgeld) für drei Jahre; der teuerste Vorschlag ein monatliches Existenzminimum von fast 8.000 Schilling bis zum siebten Lebensjahr des Kindes. Grundsätzlich besteht der Scheck aus den drei Elementen: Geldleistung, Sozialversicherung für die betreuende Person plus Gutschein für einen Kinderbetreuungsplatz. Die Mehrausgaben würden zwischen 3,3 und 25,8 Milliarden Schilling betragen.

Allein diese Kostenaufstellung müßte in Sparzeiten Grund genug sein, die 150 Seiten starke Studie im Rundordner abzulegen, wäre da nicht der Verweis auf das Jahr 2005. Dann, in sechs Jahren, sollen zwei der Kinderscheckmodelle problemlos finanzierbar sein. Erwartet man doch für dieses Jahr, allen Millenniumsängsten zum Trotz, einen Überschuß des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) von 8,9 Milliarden Schilling oder 64 Millionen Euro, wie es zu der Zeit bereits heißen wird. Dieser Umstand verkompliziert die Diskussion natürlich um einiges, da ein sehr gutes, eigentlich das beste Argument wenn es um Familienförderung geht, diesmal nicht zieht: Wir haben kein Geld dafür!

"Wenn der politische Wille vorhanden ist, sind alle diese Vorschläge machbar", stichelte Helmuth Schattovits, der Geschäftsführer des ÖIF. Er hätte für die Aussage besser den Konjunktiv gewählt: Wäre in Österreich der politische Wille für eine zukunftsweisende Familienpolitik vorhanden, wäre vieles machbar.

Die Reaktionen auf die "Machbarkeits"(!)-Studie zeigen das für Österreichs Familienpolitik übliche Schema. Als gelte das Motto: Getrennt marschieren, gemeinsam zuschlagen, gelingt es den Parteien - aus den unterschiedlichsten Motiven heraus - eine deutliche finanzielle Verbesserung der Familien zu verhindern.

Angeführt wird die unheilige Allianz von den Sozialdemokratinnen. Reflexartig wird das Zurück-an-den-Herd-Killerargument aus der schon sehr alten Schublade gezogen. Nur die lückenlose Erwerbstätigkeit für Mütter und Väter von früh bis abends scheint den SPÖ-Ideologinnen erstrebenswert. Inzwischen gehören die Kinder in Betreuungsstätten, die es immer noch nicht gibt.

Zweifellos, in unserer Gesellschaft ist langfristige strukturverändernde Politik zur Förderung von Chancengleichheit zwischen Mann und Frau nötig. Deshalb aber hier und heute den Müttern und Vätern ausreichende kurzfristige finanzielle Unterstützung zu verweigern, ist unverständlich und unsozial. In der Studie wird alle paar Seiten beteuert, daß sich die Kinderscheckmodelle positiv auf die Ebenbürtigkeit in einer Partnerschaft auswirken, da die Betreuungsperson ideell und materiell aufgewertet wird. Außerdem bleibt die grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie erhalten, da zum Betreuungsscheck kein Erwerbsverbot gehört.

Unterstützt werden die SPÖ-Frauen von ihrem Finanzminister. Die Überschüsse des FLAF seien besser genutzt, wenn sie erst gar nicht zustande kommen. Und das geht ganz leicht, indem der Dienstgeberanteil gesenkt wird. Bereits 1981 wurde der Dienstgeberanteil am FLAF von sechs auf viereinhalb Prozent gesenkt. Jetzt eine weitere Absenkung vorzunehmen, zerstört die eigentliche Intention des Fonds. Zwischen den Sozialpartnern war ausgehandelt, geringere Lohnforderungen mit zusätzlichen Geldleistungen auszugleichen. Außerdem werden die Familien das Geld nicht horten, sondern ausgeben und die Wirtschaft ankurbeln.

Ein mögliches Senken des Dienstgeberanteils mag auch der Grund sein, warum die ÖVP sich sehr zurückhaltend gegenüber den Betreuungsscheckmodellen gibt. Von "Vision" und "in kleinen Schritten nähern" wird gesprochen. Das "Karenzgeld für alle" bleibt da als Minimalforderung übrig. Dieses ist gegenüber den ÖIF-Modellen zwar billiger, dafür aber nicht der nötige große familienpolitische Wurf.

Vorzuwerfen ist der ÖVP auch, daß sie ein allzu biederes, handgestricktes Familienidyll propagiert. In der öffentlichen Meinung entfaltet dieses althergebrachte Idealbild oft eher eine abschreckende Wirkung. Ein mutigeres In-unsere-Zeit-setzen und Vergegenwärtigen der Lebensform Familie fehlt. Damit wird aber jenen Munition geliefert, die auf Dauer angelegte Beziehungen von vornherein ablehnen.

Die Mithilfe der anderen Parteien am Verhindern zukunftsweisender Familienpolitik ist ein Mix aus den genannten feministischen, wirtschaftlichen und traditionellen Motiven. Alle helfen mit, eines zielsicher zu verhindern: "Eine Lebenssituation, in der die Menschen, die da heranwachsen, sich halbwegs sicher fühlen können" (Zitat einer Mutter in der Machbarkeitsstudie).

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