Confetti Fasching - © Foto: Pixabay

Fasching: Antreten zur Spaßkontrolle

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Was gibt es eigentlich im Fasching zu lachen? Eine kleine Kulturgeschichte der Narretei.

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Was gibt es eigentlich im Fasching zu lachen? Eine kleine Kulturgeschichte der Narretei.

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Es ist Fasching, die Zeit der Lei-Lei-Lustigkeit. Guter (oder guter böser) Humor und ansteckende Heiterkeit haben freilich zu jeder Jahreszeit Konjunktur: Dies gilt für die "Roten Nasen" in Lainz ebenso wie für die Schmäh-Experten Manfred Deix und Josef Hader, fürs weibliche Geschlecht und für den jüdischen Witz; sogar Gott wird - im Unterschied zum Christentum - ein gerüttelt Maß an Frohsinn attestiert.

Der Kulturkritiker geht mit dem zeitgenössischen Faschingstreiben meist streng ins Gericht. Nur wenig sei da übrig geblieben von der kritischen Abrechnung mit Ordnungen und Autoritäten, vom lustvollen Eintauchen in Gegenwelten. Die ursprüngliche Vielfalt der Handlungs- und Spielformen (Umzüge, Tänze, Gerichtssitzungen, Lieder, Faschingsbriefe...), der Zeichen und Symbole (Masken, Narrenbaum) sei längst einer umfassenden Vereinheitlichung zum Opfer gefallen.

Besonders der Sitzungsfasching mit seinen Reden, Paraden, Sketches und Witzen wirke bestenfalls harmlos und routiniert, meist aber platt und peinlich: Wenn der Tusch danach nicht wäre - man wüsste nicht, wann man lachen sollte. Solches Abgleiten in den Frohsinn habe man dem übermächtigen Einfluss deutscher, besonders rheinischer Karnevalspraxis zu verdanken, glaubt der österreichische Kritiker zu wissen. Dass die Geschichte der Faschingsfeste von wechselseitigen Beziehungen geprägt ist, interessiert ihn weniger.

Gemessen an dem, was Lachen eigentlich ist - nämlich eine der elementaren und universellen Instinktgebärden des Menschen -, komme der Fasching als traurige Schwundform daher.

Auch die Straßenumzüge von Vereinen und Gilden werden von ihm mit Argwohn betrachtet. Zu rigide organisiert kämen die heutigen Narren daher. Dabei kann schon der Nürnberger Schembartlauf (Faschingsumzüge der Handwerker und später auch der Patrizier) zwischen 1449 und 1539 als eine "revueartig abrollende Großveranstaltung" (Werner Mezger) gelten, in der so gut wie nichts dem Zufall überlassen blieb.

Zahnlose Erheiterung

Gemessen an dem, was Lachen eigentlich ist - nämlich eine der elementaren und universellen Instinktgebärden des Menschen -, komme der Fasching als traurige Schwundform daher: Mit dieser Meinung weiß sich der Kritiker (gemeinsam mit Lachtrainern und Lachtherapeuten) auf der Höhe der Zeit. Was angesichts des allerorten proklamierten sauberen Faschings' als komisch durchgehe, orientiere sich an einem mehrheitsfähigen und medientauglichen Geschmack - ganz nach dem Motto, das sich auf der Homepage des Bundes österreichischer Faschingsgilden findet: "Leitlinie für den Programminhalt ist das Persiflieren, Karikieren und Kritisieren von Vorfällen und/oder Personen in heiterer Art, ohne jedoch den oder die Angegriffenen zu beleidigen." Oder frei nach einem alten Büttenredner-Sprichwort: "Die Bütt bleibt frei von Schweinerei." Von kulturellen Missverständnissen unter Lachenden will der Kritiker nicht wissen.

Als Romantiker widersprechen wir solcher Schwarzmalerei über den Fasching. Wir bestehen darauf, dass es die unzivilisierte, die "andere" Seite am Fasching (noch) gibt. Wir zitieren gern Michail Bachtin mit seinen Überlegungen zum "karnevalesken Weltempfinden" und zur Sinnlichkeit spätmittelalterlicher Lachkultur. Auch in die Hochburgen des von Vereinen gepflegten Faschingsbrauchtums haben wir diese Lachkultur hinübergerettet: Es ist keineswegs alles unter Kontrolle. Ja, es entwickeln sich neue Formen etwa der Weiberfasnacht und des Unsinnigen Donnerstags. Mit ihrer Lust am Spiel mit wechselnden Rollen entziehen sich die Zeitgenossen erfolgreich den Historisierungsbemühungen der Traditionalisten. Gerade an der Popularität von Verkleidung und Maskierung erweist sich die Fasnacht "als Produktionsort wilden Denkens, das ganzheitliche Erlebnis- und Handlungsformen verspricht" (Gottfried Korff).

Die Geschichte des Faschings kann man als eine Geschichte des Trotzdem beschreiben; nicht von ungefähr kommt es, dass wir diese Geschichte(n) vor allem aus offiziellen Verlautbarungen, aus Verboten und Anklagen gegen das Faschingstreiben und seine Protagonisten kennen. Im Wiener Fasching finden sich schöne Beispiele dafür. Wurde der "Mummenschanz", also das Maskentragen auf offener Straße, unter Maria Theresia für die Mehrheit der Bevölkerung unter Strafe gestellt, so verlegte man eben das Geschehen hinter die Kulissen und feierte in Tanzlokalen mit Maskenfreiheit. Solche Etablissements fanden seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ein wachsendes Publikum. An der Peripherie der Stadt wiederum inszenierte man Faschingsumzüge; im Vorort Dornbach etwa gestaltete man 1841 und 1842 solche Züge in bürgerlich-romantischer Manier: Da waren dann "Männer mit langbärtigen Larven" oder "ein Duum in Tyrolertracht" (zitiert nach Gustav Gugitz) mit von der Partie.

Trotzdem: So ganz unwidersprochen kann die kritische Sympathisantin diese freundlich-romantische Einschätzung gegenwärtigen Faschingstreibens nicht stehen lassen. Besonders dann, wenn hier von Protestkultur die Rede ist. Ob im Zusammenhang fastnächtlicher Handwerkerbräuche im Spätmittelalter oder bürgerlicher Selbstinszenierungen im 19. Jahrhundert: Immer wieder kam es zu Arrangements zwischen den Faschingsnarren und der politischen Macht. Sicher schlugen fastnächtliche Aktionen bisweilen in Anarchie und Aufruhr um. Doch im Prinzip war und ist es ein "geregelter Gegenverkehr" (Hermann Bausinger), den wir im Fasching erleben.

Populäre Volksbelustigung

Das freilich ist nicht wenig. Konventionen schaffen erst jene Freiräume, die Kreativität braucht. Auch Komik bedarf der strengen Form, will sie nicht einfach banal bleiben. Fasching ist im genauen Wortsinn Volksbelustigung, ein demokratisches und zugleich populäres Vergnügen mit allen Begleiterscheinungen der Mediengesellschaft: Man muss dazu nicht im Fernsehen den Villacher Fasching betrachten, man kann auch Radio hören, Internet surfen oder lesen. Und: Zuschauen und Mitmachen schließen sich - gerade im Fasching - nie aus. Es spricht deshalb viel dafür, die allfällige Klage gegen den Fasching wie auch das modische Lob des Lachens nicht allzu ernst zu nehmen.

Die Autorin ist ao. Professorin am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien.

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