Ferienlager Kinder Bett - © Foto: pixabay / Hans

Ferienlager trotz Bettnässen

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Ferienlager für spezielle Zielgruppen sind im Trend: etwa für Kinder mit gesundheitlichen Problemen wie Bettnässen oder Übergewicht. Doch wie sinnvoll sind solche Camps?

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Ferienlager für spezielle Zielgruppen sind im Trend: etwa für Kinder mit gesundheitlichen Problemen wie Bettnässen oder Übergewicht. Doch wie sinnvoll sind solche Camps?

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Eine Gruppe sollte es in Ferienlagern nicht geben, und es gibt sie manchmal doch: Außenseiter. Nicht selten sind es Kinder, die übergewichtig sind oder sonst ein "Problem" haben, wie Bettnässen oder Stottern. Für all diese Gruppen und auch für weitere gibt es spezielle Ferienlager, die zunächst eines verbindet: Kinder können unter Gleichaltrigen, die ähnliche Sorgen haben, Erholung und Spaß erleben. Doch wie sinnvoll sind solche Camps, die speziell für Kinder mit gesundheitlichen Problemen angeboten werden?

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Für Kinder, die ab und zu ins Bett nässen, stehe vor allem eines im Mittelpunkt: ein stressfreier Urlaub, sagt Elisabeth Leeb vom Verein "Club Mondkind", der die Ferienlager für diese Gruppe von Kindern mitveranstaltet. Anbieter sind die Jugend- und Familiengästehäuser Steiermark. Betroffene trauen sich oft nicht, in ein "normales" Camp zu fahren, aus Angst, ausgelacht zu werden, wenn das Laken morgens nass ist. Auch für deren Familien wird eine Übernachtung im Hotel oft zum Problem.

Bettnässen: die Angst, ausgelacht zu werden

Hartnäckig hält sich zudem der "Glaube", dass Bettnässen hauptsächlich psychische Ursachen habe. Ein Irrtum, wie Günter Primus von der Uniklinik für Urologie in Graz betont: Bei den meisten Kindern liegen organische Ursachen vor, psychische Probleme seien eher die Folge des Bettnässens.

Die stressfreien Tage blieben auch nicht ohne messbare Wirkung, betont Primus, der diese Erholungsferien gründete. Laut Primus sind im Durchschnitt ein Drittel der Kinder während des Ferienlagers "trocken", und die Hälfte davon bleibt es auch nach dem Lager, so seine Erfahrung. Stress würde die organischen Probleme verstärken, wenn dieser wegfällt, bessere sich die Erkrankung.

In Österreich gibt es zwischen 50 und 60.000 Kinder, die älter als fünf Jahre sind, und ab und zu Bett nässen. Die häufigste Ursache ist hormonell bedingt. Jenes Hormon, das die nächtliche Harnproduktion drosselt, steigt nachts nicht ausreichend an. Beim Ferienlager wird das Thema Bettnässen weitgehend ausgeklammert, Erholung steht im Vordergrund. Es gibt aber einen Workshop für die Betroffenen, Primus bietet Gespräche an.

Bei den meisten Kindern liegen organische Ursachen vor, psychische Probleme seien eher die Folge des Bettnässens.

Camps für übergewichtige Kinder haben freilich ganz andere Ziele: die nachhaltige und (nach dem Camp) selbstständige Gewichtsreduktion und Lebensstiländerung. Es gibt mindestens ein Dutzend Anbieter, die sogenannte Diätlager anbieten. Die Anbieter werben damit, beim Abnehmen zu unterstützen und Lust auf Bewegung und gesunde Ernährung zu machen. Aber wie wirksam und vor allem wie nachhaltig sind solche Diätlager?

Experten sind sich einig: Programme müssen einige Voraussetzungen erfüllen, um nachhaltig zu einer Gewichtsreduktion oder zumindest Stabilisierung zu führen: Es müssen die geeigneten Fachleute am Camp anwesend sein, etwa Diätologen, das Programm muss die gesamte Familie einbeziehen und auch nach den Wochen im Sommer eine Nachbetreuung anbieten.

Reine Diätcamps sieht die Ernährungswissenschafterin Karin Lobner daher sehr kritisch. Sie leitet die Initiative "Durch Dick und Dünn" des Vereins Gesundes NÖ, diese wird als Jahresprogramm geführt. Die Ferienwochen sind quasi der Auftakt. Lobner hat den Erfolg des Programms 2007 auch in einer Langzeitstudie evaluiert. Teilnehmer wurden drei Jahre nach Abschluss nochmals kontaktiert.

Man muss einen sehr großen Aufwand betreiben, um ein relativ kleines Output zu erhalten. Das ist bei Übergewicht ein generelles Problem.

Karin Lobner, Ernährungswissenschafterin

Die Ergebnisse zeigen, dass 31 Prozent der Absolventen ihren BMI (Body-Maß-Index) weiter verringern, 18 Prozent ihn halten konnten, immerhin 51 Prozent hatten aber zugenommen. "Man muss einen sehr großen Aufwand betreiben, um ein relativ kleines Output zu erhalten. Das ist bei Übergewicht ein generelles Problem", erklärt Lobner.

Diätcamps: großer Aufwand, geringer Erfolg

Auch Edburg Edlinger, die ab Sommer das Diätcamp des Salzburger Anbieters "Young Austria" leiten wird, bestätigt diese grundlegende Schwierigkeit. Edlinger, selbstständige Diätologin, ist sich dessen bewusst, dass die Nachbetreuung derzeit bei vielen Anbietern ein Problem darstellt. Bei "Young Austria" ist sie in Planung, auch eine Evaluierung.

Viele Anbieter würden zwar eine "individuelle Nachbetreuung" offerieren, Teilnehmer würden sich aber nur schwer dazu motivieren lassen, rechtfertigen sich wiederum Anbieter in der Studie von Andrea Roth. Die Autorin hat für ihre Abschlussarbeit an der Fachhochschule Joanneum Diätcamps in Österreich unter die Lupe genommen (VDM-Verlag, 2009).

Das Programm an sich soll in erster Linie "erlebnis- und lustorientiert" sein, erklärt Edlinger. "Es fließen punktuell Inhalte zu Ernährung, Essverhalten und Bewegung ein, aber möglichst unauffällig." Es soll keine extreme Diät angeboten werden. Verbote seien kontraproduktiv, sagt die Diätologin. Die Kinder sollten etwa ihren Nachtisch bekommen und lernen, diesen zu genießen. Auch nach den Ferien.

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