Flickwerk am Ausgedinge

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Das ständige Herumbasteln an den Pensionsregelungen illustriert das Unvermögen der Politik, nachhaltige Reformen durchzuführen.

Pensionsreform - innenpolitisches Thema Nummer eins: Streikdrohungen stehen im Raum, die SP-Alternative für eine Reform liegt auf dem Tisch, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel drängt auf Umsetzung der Regierungsvorlage. Diese ist ein weiterer massiver Eingriff in bestehende Rechte, der dritte in den letzten vier Jahren. Dabei hatte Schüssel 1997 erklärt: "Im Prinzip haben wir die Weichen so gestellt, dass das Pensionssystem gesichert ist." Die Maßnahmen würden bis 2020 reichen.

Worauf sollen die Bürger sich eigentlich verlassen? Wie vorsorgen, wenn sich die Rahmenbedingungen, unter denen man Entscheidungen trifft, dauernd ändern? Zugegeben, 1997 war den meisten klar, dass weitere Eingriffe in das Pensionssystem folgen würden. Der geübte Bürger weiß ja, was er von Hymnen in der Politik zu halten hat. Aber drei Eingriffe in nur sechs Jahren - das ist zu viel des Guten.

Rasch und Husch-Pfusch

Außerdem lässt es Schwächen des politischen Systems erkennen. Da ist zunächst die typische Eile: Reformiert wird zu Beginn der Legislaturperiode. Das erste Regierungsjahr ist ja traditionell prädestiniert für das Verabreichen von bitteren Pillen an den Wähler: ruck-zuck, ohne viel Überlegung. Bis zur nächsten Wahl hat der Bürger den Ärger wieder vergessen. Vor dem Urnengang verteilte Wahlzuckerln helfen der Vergesslichkeit nach.

Doppelbödig

Diese Kalt-Warm-Methode verhindert ausgereifte, langfristig haltbare Lösungen. Die bisherigen "Pensionsreformen" belegen das zur Genüge: viele Einzelmaßnahmen, jeweils heftig umkämpft, die sich nach kürzester Zeit als Tropfen auf den heißen Stein erweisen - wenn man den Argumenten der Regierung Glauben schenkt.

Ob man dies jedoch tun soll, ist nicht sicher. Ernst zu nehmende Kritiker der Reform rechnen nämlich vor, dass der Bedarf nach so rasch wirksamen Maßnahmen gar nicht gegeben sei. Vielmehr schaffe sich die Regierung unter der Flagge "Pensionsreform" segelnd freie Fahrt für eine Budget-Entlastung - eine fatale Doppelbödigkeit. Sie lässt sachfremde Überlegungen in die Reform einfließen. Damit ist vorhersehbar, dass in einigen Jahren weitere Reformen erforderlich sein werden.

Dieses Herumflicken ist ein Armutszeugnis für die Politik. Seit gut 20 Jahren wird nun über die Notwendigkeit einer Reform des Pensionssystems debattiert. Und immer noch ist es nicht gelungen, ein den künftigen Herausforderungen entsprechendes System zu erarbeiten, auf das man sich bei der Planung der Altersvorsorge einstellen könnte. Dabei war die demografische Entwicklung seit langem abschätzbar. Da gab es keine Überraschungen, die ein jetzt rasches Reagieren erforderlich gemacht hätten. Dass die Geburtenziffern in den Keller sinken, die Lebenserwartung steigt und sich die Altersstruktur der Bevölkerung ändert - wen überrascht das?

Vorliebe für Wahlzuckerln

Die Unfähigkeit zu großen, schlüssigen Reformen ist eine der Schwächen der Demokratie. Ein ähnliches Schicksal wie die Pensionsreform erlebt ja auch die Neuordnung des Steuersystems. Pausenlos angesagt, entpuppt sie sich als Verteilung von Wahlzuckerln: einmal für niedrige Einkommen, dann für die Spitzenverdiener, ein anderes Mal für die Kapitalisten, dann für die Unternehmer.

Wo aber bleibt der große Entwurf einer Neuausrichtung? Die Wirtschaft nach sechs Jahrzehnten des Aufschwungs nach denselben Kriterien zu steuern wie in der Wiederaufbauphase, kann nicht sinnvoll sein. Die negativen Folgen sind unübersehbar: Die Märkte sind übersättigt, arbeitswillige Menschen finden keinen Job, weil Maschinen einen Großteil der Tätigkeiten übernommen haben, und die Umweltbelastung nimmt zu.

Seit Jahrzehnten wird darüber gesprochen, die Ressourcen (Energie und Rohstoffe) sowie die Wertschöpfung stärker, die Einkommen steuerlich weniger zu belasten. Modelle wurden entwickelt, Studien belegen deren Durchführbarkeit - aber es geschieht nichts. Oder doch: ein bisschen mehr Mineralölsteuer, ein bisschen Förderung von Alternativenergie. Flickwerk eben.

Und jeder weiß: Das Erdölzeitalter geht zu Ende, das Energiesystem muss umgestellt werden, Weichenstellungen sind überfällig. Aber in der Demokratie spielt es das nicht, weil sich die Politiker nicht auf grundsätzliche Reformen einigen können - über Parteigrenzen hinweg. Denn die nächsten Wahlen stehen vor der Tür, und da muss sich jede Partei als die volksnächste, lustigste, spendabelste, die mit dem schönsten Spitzenkandidaten präsentieren. Und alles, wozu man sich aufraffen kann, sind Husch-Pfusch-Eingriffe knapp nach den Wahlen. Wie soll ein System, das solchen Spielregeln huldigt, mit den sich abzeichnenden, tief reichenden Krisen fertig werden?

christof.gaspari@furche.at

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