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In den vergangenen Jahren hat sich in Europa die amerikanische Sitte eingebürgert, wonach der existenzielle Erfolg ganz offen nach dem Vermögen bemessen wird. Wer gut verdient ist nicht nur "better off“, sondern auch "in“. Oder wie der Berliner am Beispiel Frank Stronach sagen würde: "Haste was, biste was!“ Das sind natürlich sämtlich bösartige Gemeinplätze, aber für gewisse Gesellschaftsschichten sind sie wohl zutreffend - deshalb reden wir ja auch gerne vom "Geldadel“, jenen 10 Prozent der Bevölkerung, die 65 Prozent des Gesamtvermögens besitzen und dafür von den restlichen 90 Prozent bewundert und beneidet werden.

Und es ist ja auch nachvollziehbar: Reichtum fühlt sich schon in kleinem Rahmen wohlig an - da man den Magen stets gefüllt und niemals Löcher in den Schuhen hat. Weiter oben wird Reichtum dynamisch, da er mit Maseratis und Ferraris oder Porsches auffahren kann. Letztlich fühlt sich Reichtum - so die Sicht von uns (männlichen) Neidern - wohl auch sexuell gut an, vereint er doch einige Wunschvorstellungen und Projektionen, über die man selten Worte verliert. Nebenbei gesagt: Der letzte Punkt muss nicht nur reiche Menschen betreffen. Der Geiz, so sagt man ist der Reichtum des kleinen Mannes - und nicht umsonst war der Slogan "Geiz ist geil“ so unangenehm erfolgreich.

Die Schatten des Reichtums

Aber der Reichtum hat auch seine Schattenseiten - und gerade dieser Tage werden wir unfreiwillige Zeugen dessen, was passiert, wenn all das Wohlgefühl in Angst umschlägt und in wütende Panik. Das Geld, das Ersparte, die Lebensleistung droht da verschütt zu gehen - geraubt durch Reichensteuern, wie im Falle Frankreichs. Solche Ängste dürften den Franzosen par exellence, Gerard Depardieu, nun also ins russische Exil getrieben haben.

Das ist in mehreren Zusammenhängen bemerkenswert. Zunächst historisch, da offenbar wird, wie sich die Zeiten ändern: früher suchten Kommunisten in Moskau Unterschlupf und nun sind es die Millionäre des Westens.

In finanzieller Hinsicht bestätigt sich der alte Satz, dass Geld niemals patriotisch ist. Sicher ist auch, dass Gerard Depardieu sein Geld behalten wird, solange er Russlands Präsident Wladimir Putin herzlich umarmt und die Kritiker des mächtigen Freundes als "Zurückgebliebene“ bezeichnet.

Eigentum sucht Recht

Diese Pflicht zum Liebdienen führt zum zentralen Punkt der Sache: Es ist nicht anzunehmen, dass Depardieu reiche Russen kennt, da er sonst wüsste, dass diese ihr Geld in der Schweiz und der EU angelegt haben. Warum? Weil es eine großartige Eigenschaft des Reichtums ist, dass er den Rechtsstaat sucht. Er braucht zu seinem gedeihlichen Überleben auf Konten und in Schließfächern politisch überschaubare Systeme, die zwar mehr an Abgaben fordern, dabei aber das Eigentum grundsätzlich schützen.

Dieser Schutz ist, wie Kant einmal feststellte - der eigentliche Sinn des bürgerlichen Rechtsstaates - nicht etwa der Schutz des Lebens und der Menschen. Der Schutz des Eigentums hat den Rest der Rechte sozusagen im Schlepptau. Diktatoren und Autokraten hingegen ordnen vorzugsweise ihrem Machterhalt alles andere unter - vor allem jedwedes Vermögen.

Darüber muss sich der Reiche immer bewusst sein. Dass er vielleicht viel sicherer ist, wenn er auf befristete Zeit höhere Steuern zahlt, dafür aber die relative Freiheit des Systems genießt.

Und wenn es schon ums Eigne geht: Was hat denn ein Reicher davon, wenn er sich hinter Mauern und Stacheldraht verschanzen muss, weil der Rest des Landes in Armut und Kriminalität versinkt - wie das etwa in Südamerika oder Südafrika der Fall ist?

Geld kennt zwar dem Prinzip nach tatsächlich keine Heimat, aber seine Freiheit endet genau dort, wo auch die Freiheit der Gesellschaft aufhört. An dieser Grenze wird die Flucht zum Fluch.

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