Flüchtlinge: Draußen im Drinnen

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Privatisierungen im Asylbereich sind kein österreichisches Spezifikum. In ganz Europa wird die Flüchtlingsbetreuung ausgelagert. Ein Überblick.

Die Orte, von denen hier die Rede ist, haben viele Namen. In England: Detention Center (Festhaltezentrum), Waiting oder Removal Center. In Belgien Centre ferme pour etrangers (geschlossenes Zentrum für Fremde). In Spanien sagt man Centro de internamiento para extranjeros (Internierungszentrum für Ausländer), in Frankreich Aufnahmezentrum: Centre d'acceuil. In Italien gibt es das Centro di Permanenza Temporanea (Zentrum für vorübergehenden Aufenthalt). In Deutschland heißen diese Orte: Erstaufnahmeeinrichtung, Wartelager, Abschiebelager oder Ausreisezentrum.

Effizient für das Gastland

Europaweit stehen Privatisierungen im Asylbereich auf der Tagesordnung. Bei allen Unterschieden gibt es eine Gemeinsamkeit: die Flüchtlingsbetreuung soll - so heißt es von offizieller Seite - "professionell und effizient" vonstatten gehen. Vielfach nützt die Effizienz jedoch mehr den Gastländern als den Schutzsuchenden. Die Privatisierungsidee kommt aus dem angelsächsischen Raum. In einer aktuellen Studie über die Privatisierung von Gefängnissen und "Immigration Detention Centers (IDC)" in Großbritannien zieht die staatliche "Competition Commission Organisation" nüchtern Resümee über den Erfolg der bisherigen Privatisierungen. Trauriger Höhepunkt der Privatisierungsbemühungen: nur drei Monate nach der Fertigstellung brach in einem IDC Feuer aus, die Folgen verheerend - weil bei den Sprinkleranlagen gespart wurde.

Grobes Nord-Süd-Gefälle

Hinsichtlich Organisation und Effektivität existiert aber auch ein grobes Nord-Südgefälle. Laut Evangelina Fakinou vom Network of Social Support in Thessaloniki werden in Griechenland die meisten Flüchtlinge schon an der Grenze in Polizeistationen festgehalten. In der Mehrzahl der Fälle informiert man sie nicht über ihre Rechte - so suchen viele gar nicht um Asyl an. Nach drei Monaten werden sie entlassen, sagt Fakinou, mit der Auflage, innerhalb eines Monats das Land zu verlassen.

In Italien wurde mit dem "Turco-Napolitano"-Gesetz von 1998 reguläre Einrichtungen für Flüchtlinge geschaffen, die abgeschoben werden sollen. In dem "Centro di Permanenza Temporanea (CPT)" werden die Abzuschiebenden bis zu 60 Tage festgehalten. In dieser Zeit sollen bürokratische und praktische Hindernisse für die Abschiebung aus dem Weg geräumt werden.

Diese Zentren sind wie Gefängnisse, Außenstehenden wird nur selten Zugang gewährt (Journalisten ist er per Dekret seit kurzem völlig verwehrt). Stefano Liberti, Journalist des Manifesto, erzählt nach einem Besuch im CPT in Trapani, Sizilien: "Als wir drinnen waren, durften wir mit den Insaßen kein Wort wechseln. Ich habe aber bemerkt, dass es ein Telefon gibt, das nur die Insassen benutzten. Einer der Wärter gab mir die Nummer des Apparats. Zurück in Rom, konnte ich über dieses Telefon ohne Einschränkung mit den Insaßen Kontakt aufnehmen."

Das Ankommen verweigert

Auch in den italienischen Aufnahmelagern, ist die Situation oft undurchsichtig. So sollten Ende Jänner dieses Jahres 46 Flüchtlinge aus Sri Lanka ausgewiesen werden, die nie die Möglichkeit erhalten haben, um Asyl anzusuchen. Es gab keinen Übersetzer, der Tamil sprechen konnte.

Vielen Flüchtlingen wird von vornherein jedes Ankommen verwehrt. Sie kommen entweder nie dazu, einen Asylantrag zu stellen (siehe oben), oder ihr Antrag wird sogleich als "offensichtlich unbegründet" eingestuft. Besonders effizient arbeitet Deutschland, indem es das schnelle Flughafenverfahren forciert. Pro Jahr werden damit 40.000 Flüchtlinge ausgewiesen, bevor sie deutschen Boden betreten. Bis zum Abflug sind sie isoliert und werden von privaten Sicherheitsdiensten bewacht.

Verschwinden im Draußen

Die italienische Philosophin Federica Sossi nennt solche Flüchtlingszentren "luoghi del fuori", Orte des Draußen. Wenn es kein Draußen im europäischen Ausland mehr gibt, in das abgeschoben werden kann, muss man Orte des Draußen im Inland schaffen, in die man verbannen kann. Diese Orte des Draußen machen keine Schlagzeilen. Und die Insassen, die sich in jahrelangen Übergangsphasen befinden, nie richtig ankommen können, verschwinden darin.

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