Forschen gegen das Vergessen

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Michaela Kronthaler, erste habilitierte Kirchenhistorikerin Österreichs, hebt den verborgenen "Schatz" weiblicher Anteile an der (Kirchen-)Geschichte.

Eigentlich hatte sie zur Dissertation ein "typisches Männerthema" ausgefasst: die kirchenpolitische Rolle Ignaz Seipels, des Priesterpolitikers und Bundeskanzlers der Ersten Republik. Doch nach einigen Recherchen stach Michaela Kronthaler ein anderer Name ins Auge: Hildegard Burjan. "Sie war eine kongeniale Partnerin von Seipel", weiß die Grazer Kirchenhistorikerin. Für eine Verankerung im kollektiven Gedächtnis hat es bei Burjan dennoch nicht gereicht - trotz ihres Eintretens als erste weibliche christlichsoziale Parlamentarierin für die Rechte der Frauen.

Habilitation mit 31

"Da ist bei mir der Funke übergesprungen, wie wichtig die Frauenfrage in Kirche und Gesellschaft ist", erinnnert sich Kronthaler. Seit dieser Initialzündung widmet sich die heute 35-jährige Forscherin - neben der Aufarbeitung der "klassischen" Kirchengeschichte - vor allem der Aufgabe, die Rolle der Frauen in der (Kirchen-)Geschichte zurechtzurücken.

Mittlerweile hat Kronthaler selbst Geschichte geschrieben: Als erste Frau Österreichs - und eine von zwei Frauen im deutschsprachigen Raum - hat sie sich im Alter von 31 Jahren im Fach Kirchengeschichte habilitiert. Seit der Emeritierung von Maximilian Liebmann im Jahr 2002 leitet sie nun das Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Kronthalers Ziel ist es, den Blick für die Leistungen und Wirkfelder der Frauen in der Vergangenheit zu schärfen: Im Rahmen von Graz 2003 konzipierte sie etwa das Projekt "FrauenWEGE - Auf den Spuren religiös bewegter Frauen in Graz". Mit Hilfe dreier historischer "Rundwege" durch die Innenstadt sollten die Geschichten (un)bekannter Grazer Pionierinnen nachgezeichnet werden - unter ihnen die hochgebildete Schulschwester und Pädagogin Maria Klara Fietz (1905-1937), die Gründerin der "Österreichischen Frauenbewegung", Frieda von Mikola (1881-1958) oder die in ihrer Heimatstadt Graz weitgehend vergessene Künstlerin Margret Bilger (1904-1971). "Wir bemühen uns, Bewusstseinsarbeit zu leisten - damit wenigstens Straßen oder Gassen nach diesen Frauen benannt werden", gibt sich Kronthaler kämpferisch. Die Zeit dafür ist reif: Derzeit tragen mehr Grazer Straßen den Namen von Singvögeln als von Frauen.

Brennpunkt der "FrauenWEGE" ist die Maria von Magdala-Kapelle in der Grazer Wielandgasse - der einzige sakrale Raum in der Steiermark, der zur Gänze von einer Künstlerin (Minna Antova) gestaltet wurde. Die Architektur ist Programm, erklärt Kronthaler: "Die Namensgeberin selbst ist in einer Nische, im Schatten. Wenn man den Raum betritt, kann man sie nicht gleich entdecken, sondern man muss sich auf die Suche machen. So ähnlich ist es auch mit den Frauen in der Kirchengeschichte."

Weiblicher Ansturm

Auch wenn die weiblichen Potenziale in der Geschichte noch lange nicht gehoben sind - am Grazer Institut für Kirchengeschichte findet man sie inzwischen zuhauf: "Am Anfang habe ich noch mehr Männer als Diplomanden gehabt. Mittlerweile hat sich das Verhältnis deutlich umgekehrt", ist Kronthaler stolz.

Frauen-Mentoring im Sinn einer Förderung talentierter Nachwuchs-Forscherinnen sowie durch Unterstützung beim Ansuchen auf Stipendien sind für die Kirchenhistorikerin eine Selbstverständlichkeit. "Viele haben mich auf meinem Weg ermutigt und gesagt: Du kannst es. Das gebe ich jetzt selber weiter."

Nächste Veranstaltung der FrauenWEGE: Aus dem Pilgertagebuch der Maria Schuber. 26. Juni, 14 Uhr im Barocksaal des Grazer Priesterseminars, Bürgergasse 2. Infos bei Michaela Kronthaler unter (0316) 380-3200.

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