"Fragen, was das Haus will"

Werbung
Werbung
Werbung

Dieter Bogner, Sabine Breitwieser und Martin Fritz, die Moderatoren der "Museumsreform", debattieren in der Furche erstmals öffentlich miteinander.

Die Furche: Warum braucht Österreich eine "Museumsreform"?

Sabine Breitwieser: Es liegt auf der Hand, dass die Ausgliederung sehr viel bewirkt hat. Manche sprechen vom österreichischen Museumswunder. Andererseits sind gerade in letzter Zeit in den Medien - und leider zunächst nur in den Medien - viele Fragen und Diskussionen aufgetaucht, vor allem was die Inhalte und Profile der einzelnen Häuser betrifft.

Dieter Bogner: Jedes große Unternehmen, das sich auf eine neue Basis gestellt hat, wird nach zehn Jahren fragen: Ist es gut gegangen, wo sind Probleme und wo muss ich nachbessern? Das ist eigentlich ein ganz normaler Prozess, der professionell gemacht werden muss.

Martin Fritz: Ich glaube, dass wir so einen Prozess nicht nur mit Wirtschaftsmetaphern begründen sollen, sondern auch im ureigenen kulturpolitischen Sinn. Eigentlich sollte eine versachlichte kulturpolitische Ideenentwicklung und Organisationsüberprüfung ein Dauerzustand sein und nicht nur eine momentane Reparaturmaßnahme.

Die Furche: Soll sich der Staat in Zukunft stärker in die Museumsarbeit einmischen und eine übergeordnete Instanz einziehen, die die Arbeit der einzelnen Museen und deren Verhältnis zueinander kontrolliert?

Fritz: Wir sind noch mitten in der Debatte, aber klar ist: Es besteht eine gewisse Skepsis gegenüber neuen, übergeordneten Gremien.

Bogner: Wir wollten von Anfang an, dass Museen komplexer gesehen werden als das Verhältnis zwischen Direktor und Ministerin. Das Problem ist ja, dass vor zehn Jahren die Museen auf eine neue Basis gestellt wurden, aber niemand gefragt hat, wie das Ministerium sich als Partner neu strukturieren muss.

Die Furche: Man hat den Eindruck, diese Museumsdebatte sei etwas spezifisch Österreichisches.

Bogner: Manche unserer internationalen Referenten haben gesagt, dass sie in ihren Ländern auch gerne so eine Diskussion geführt hätten.

Fritz: Typisch österreichisch oder besser gesagt typisch kleinstaatlich ist aber, dass man immer glaubt, es wäre wo anders besser. Es stehen alle unsere internationalen Kollegen vor ähnlichen Fragen. Insofern gibt es kein klares Modell.

Die Furche: Anhaltspunkte für eine Krise gibt es: zum einen sinnlose Konkurrenz, zum anderen finanzielle Engpässe. Wenn die Basisabgeltung nicht mehr die Personalkosten deckt, muss man sich schon fragen, worin die Pflicht des Staates besteht.

Bogner: Die Museen stehen nicht so da, dass sie finanziell oder sonst wie in einer Krise wären. Dass Handlungsbedarf besteht, ist aber klar. In den 90er Jahren wurde durch die Museumsmilliarde die Hardware saniert, aber über die Software ist nie geredet worden. Bei den Inhalten hat jeder gemacht, was er für richtig hält.

Die Furche: Das Problem scheint vor allem: Wie kann man, abgesehen von Besucherzahlen, die Qualität der Museumsarbeit messen? Also, wie viel Forschung wird betrieben, wie sieht es mit der Erweiterung der Sammlung aus?

Breitwieser: Es muss ein öffentliches Bewusstsein geschaffen werden, dass es eben nicht nur darum geht, wie viele Leute in ein Museum gehen, sondern auch warum, und was diese dort eigentlich tun und wofür das Haus steht. Dazu braucht es ein Bekenntnis zur grundsätzlichen "Mission" des Museums. Es gibt Museen, ich meine hier gar nicht unbedingt österreichische, wo man aufgrund der "Disneyfizierung" nicht mehr weiß, in welcher Institution man sich befindet.

Fritz: Ich würde mir eine kulturpolitische Landschaft wünschen, die nicht immer nur nach Besucherzahlen, sondern auch nach etwas anderem fragt. Zum Beispiel, wie die Forschungs- und Publikationserfolge eines Museums sind und wie es um das Einbeziehen der Gesellschaft bestellt ist. Es könnte durchaus ein Anreizsystem zwischen Kulturpolitik und den Institutionen geben, in dem etwa jene Institution, die das beste türkischsprachige Museumsprogramm in ganz Österreich hat, noch 500.000 Euro dazu bekommt.

Die Furche: Die Grünen und deren Kultursprecher Wolfgang Zinggl schlagen eine radikale Neuordnung der Museen vor: nur mehr wenige Museen mit einem jeweils ganz spezifischen Gesicht. Kann es sein, dass der Museumsreformprozess zu solch radikalen Neustrukturierungen führen wird?

Bogner: Dieses Konzept basiert auf einem Missverständnis. Es ist doch kein Inhalt, einfach die Sammlungen durchzumischen und dann nachzudenken, was damit passiert. Das finde ich sehr kurzsichtig.

Breitwieser: Es sollte kein Denkverbot geben, auch wenn es eine provokante Überlegung ist. Es gab in der Geschichte schon Verschiebungen einzelner Bestände - zum Beispiel in Form von Dauerleihgaben zwischen den Museen.

Fritz: Der Zinggl-Vorschlag ist allein auf weiter Flur. Es sollte viel mehr solcher Vorschläge geben, die sich auch überlegen, was fehlt.

Die Furche: Einen Total-Umbau der Museumslandschaft dürfen wir am Ende des Prozesses aber nicht erwarten?

Fritz: Das wird mehr von der Ministerin als von uns Moderatoren abhängen. Tragweite und Anzahl der Entscheidungen liegen nicht bei uns. Wir werden unser Bestes tun und vorschlagen, kommentieren, bewerten, was dann zu Entscheidungen führen kann.

Die Furche: Haben Sie sich schon auf Maßnahmen geeinigt, die unbedingt geschehen sollten?

Breitwieser: Eine Klärung der verantwortlichen Strukturen muss stattfinden! Wir sind uns alle einig, dass die Kuratorien fachlich gestärkt und entpolitisiert gehören. Diese sollen wirklich als Aufsichtsorgan geführt werden.

Die Furche: Ist die Museumsdebatte nicht vor allem ein Wiener Problem?

Fritz: Auch wenn es sich im technischen Sinne um eine Bundesmuseendiskussion handelt, könnten alle Museen Österreichs von einer kulturpolitischen Absichtserklärung und den damit verbundenen Anreizfinanzierungen oder neuen Steuerungsmechanismen profitieren. Wenn man bedenkt, welche hohe Qualität das Schloss Hartheim, das Museum in Ebensee oder andere zeitgeschichtliche Gedenkstätten in Oberösterreich haben und wie wenig davon in Wien spürbar ist, wo das Haus der Geschichte drastisch fehlt - so muss ich sagen, das sind die wirklichen Probleme. Die drei Rubens-Ausstellungen in Wien sind für mich viel weniger problematisch als die riesigen Lücken im Bereich von Alltagskultur, Kultur- und Zeitgeschichte.

Die Furche: Ganz so unproblematisch ist es aber nicht, wenn es um viel Geld der Steuerzahler geht.

Bogner: Sicher geht es darum, ob die Museen unsere Gelder gut nutzen oder nicht! Ausstellungsprogramme sollten aber primär innerhalb der Verantwortung der Museen abgestimmt werden, zum Beispiel in zielorientierten und strukturierten Direktorenkonferenzen. Kulturpolitik soll hingegen nicht über Einzelmaßnahmen entscheiden, sondern auf Grundlage von Rahmenzielvereinbarungen in längeren Zeiträumen das Geschehen kritisch beobachten, hinterfragen und bei Bedarf Impulse setzen.

Die Furche: Es gibt auch Stimmen, die meinen, das Problem wären gar nicht die Strukturen und Inhalte, sondern viel mehr die handelnden Personen, die sich nicht an den Schwerpunkt ihres Museums halten und "fürstenähnlich" agieren. Ist an dieser Kritik nicht auch etwas dran?

Fritz: Ich sehe die Schwäche der österreichischen Kunstinstitutionen generell darin, dass sie keinen eigenen Willen als Institutionen haben. Man könnte ja auch mal fragen, was das Haus will - vertreten durch seine Teams, Freunde, Finanziers, Förderer et cetera.

Die Furche: Warum will bei uns kein Haus etwas?

Fritz: Nahezu alle Kulturinstitutionen, insbesondere die Bundesmuseen, sind aus der Monarchie übernommen, waren also nie bürgerschaftlich verfasst. Daher wird alles nur als Frage gesehen, was der jeweilige politische Vertreter oder der jeweilige Direktor will.

Die Furche: Zurück zu ihrer Arbeit. Bis wann dürfen wir mit konkreten Vorschlägen rechnen?

Breitwieser: Wir haben jeder für uns die dringendsten Maßnahmen formuliert. Das wurde informell dem Ministerium zur Kenntnis gebracht - jetzt warten wir auf Gegen- oder hoffentlich Rückenwind. Aber letztlich steht eine politische Entscheidung am Ende, die nicht das Ministerium allein fällt, sondern in Abstimmung mit der gesamten Regierung.

Die Furche: Kann es sein, dass sich das Ministerium herzlich bedankt, dann aber ganz etwas anderes macht?

Breitwieser: Die Geister, die man rief, wird man nicht mehr los - wir hoffen natürlich, dass von den Diskussionen etwas übrig bleibt und nicht der Prozess allein das Ergebnis ist. Und wir sind alle der Meinung, dass auch finanziell etwas passieren muss. Man kann so einen Prozess nicht erfolgreich abschließen, ohne dass für die Museen zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt werden.

Das Gespräch moderierten Johanna Schwanberg und Cornelius Hell.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung