Frauen und Technik - das ewige Problem

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Warum Mädchen nach wie vor in weniger zukunftsträchtige Studien strömen - und was man dagegen tun könnte.

Es war kein Physiker-Vater, der ihr den Floh ins Ohr setzte, und auch kein Chemie-Baukasten, der ihr Appetit auf Naturwissenschaften machte. "Es war reines Interesse“, erzählt die Astrophysikerin Pascale Ehrenfreund, in Wien geborene Tochter eines Künstlers und einer Juristin. "Der überwältigende Nachthimmel hat mich so beeindruckt, dass ich mich immer für Weltraum und Raumfahrt interessiert habe.“

Seit September steht Ehrenfreund als erste Frau an der Spitze des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) - nebst ihrer Tätigkeit als Visiting Professor für Astrobiologie an der Universität Leiden, als Research Professor für Weltraumpolitik und internationale Beziehungen an der George Washington University und als Lead Investigator am NASA Astrobiology Institute, wo sie nach Lebensspuren im Sonnensystem sucht. Verzweifelt nach weiblichen Studentinnen fahnden muss sie an all diesen Wirkungsstätten nicht, erklärt Ehrenfreund: "Ich hatte immer männliche und weibliche Studierende, hier gibt es nicht mehr so viele Unterschiede.“

Technik? Tiermedizin!

In Österreich sind die Differenzen hingegen nach wie vor groß - wenn sich auch die Situation langsam bessert: Bei Studienabschlüssen in den ebenso gefragten wie lukrativen MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) hat sich etwa der Frauenanteil zwischen 2001 und 2012 von 27,3 auf 34,5 Prozent erhöht. Betrachtet man hingegen allein die technischen Studienrichtungen, so liegt er nur bei 27, 6 Prozent - und je klassisch-technischer es wird, desto mehr schwinden die Frauen: Am allerwenigsten sind es etwa an der TU Wien in den Studienrichtungen Elektrotechnik, Maschinenbau, Technische Physik und Informatik. Das glatte Gegenstück bildet die Veterinärmedizin mit einem Frauenanteil von 82,5 Prozent bei den Absolventen, gefolgt von den (oft brotlosen) Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Studien (74,5 Prozent) und Lehramtsstudien (72,4 Prozent).

Ein guter Teil des geschlechtsspezifischen Lohnunterschieds - in Österreich liegt er derzeit arbeitszeitbereinigt bei 18,5 Prozent - ist Folge dieser Studienwahl. Dass Frauen nach Studienende nur zu 68 Prozent Vollzeit arbeiten (etwa, weil sie bereits Kinder zu versorgen haben), Männer hingegen zu 86 Prozent, vergrößert die Einkommens-Kluft zusätzlich.

Über die Gründe der weiblichen Technik-Unlust wird seit jeher spekuliert. Frauen quasi "von Natur aus“ ein geringeres Interesse zu unterstellen, gilt heute als politisch unkorrekt - und wird gern mit dem Hinweis entkräftet, dass der Frauenanteil in anderen Staaten und Kulturen deutlich höher sei. Allein an der TU Wien kamen etwa im Sommersemester 2013 von den 913 weiblichen Informatik-Studierenden 128 aus der Türkei, 48 aus dem Iran, 27 aus Rumänien, elf aus Russland und acht aus China, wie Elka Xharo, selbst aus Albanien stammende und seit neun Jahren in Wien lebende Informatik-Studentin, im Zuge ihrer Bachelor-Arbeit recherchierte. Neben Geschlechterstereotypen würden eben auch ökonomische Aspekte beim Frauenanteil in der Technik eine große Rolle spielen, so Xharo, deren eigene Mutter in Albanien wegen ihrer guten Noten das lukrative Elektrotechnik-Studium beginnen durfte.

Im reichen Österreich darf man seinen "Interessen“ nachgehen - die freilich nicht im luftleeren Raum entstehen. Bei einer Befragung von Mechatronik- und Informatik-Studierenden, die 2007 im Rahmen des Programms "TEquality“ ("Technik. Gender. Equality“) am Institut für Frauen- und Geschlechterforschung der Johannes Kepler Universität Linz publiziert wurde, gaben Männer deutlich häufiger als Frauen an, dass ihr Studieninteresse durch technische Spielsachen, Basteln und Reparieren, Freunde oder berühmte Vorbilder gefördert worden sei. Frauen sprachen öfter von "speziellen Veranstaltungen“ oder dem Partner als förderndem Faktor. Entscheiden sich junge Frauen dennoch für ein Technikstudium, so müssten sie durch ihre Minderheitensituation oft die "Beweislast der Technikkompetenz“ erbringen, so die Autoren. Die Folge sei eine erhöhte Drop-out-Quote. Als Gegenmaßnahme wird empfohlen, an einem positiven, erfolgsfördernden Studienklima für Studentinnen zu arbeiten - etwa durch Peergroup Mentoring. Ebenso wichtig sei es, potenzielle Interessentinnen noch aktiver anzusprechen.

Der nächste Versuch wird bei den "FIT Infotagen“ (Frauen in die Technik) am 27. und 28. Jänner gestartet, an denen Schülerinnen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland Einblicke in naturwissenschaftliche und technische Studien erhalten können. Mit dabei wird auch Elka Xharo sein. Als "FIT-Botschafterin“ geht die 23-Jährige zudem regelmäßig in Klassen, um den Mädchen von der Fülle technischer Studien und ihrem eigenen Werdegang zu erzählen. "Der war nicht einfach“, so Xharo: "Zuerst habe ich ein Jahr Raumplanung gemacht, doch das war mir zu kreativ und zu wenig technisch.“ Schließlich habe sie Medizinische Informatik gewählt.

Bei den meisten Frauen ist es genau umgekehrt. Dass manchmal schon ein attraktiver Name den Frauenanteil heben kann, zeigt etwa das Beispiel der FH Nordwestschweiz: Statt "Informatik“ bot man dort 2010 den Studiengang "iCompetence“ mit Schwerpunkt Kommunikation und Design an. Schon im ersten Jahr inskribierten sich 50 Prozent Frauen. Das Rezept scheint zu lauten: mehr Interdisziplinarität und Anwendungsbezogenheit - und weniger "Technik“ in der Technik.

Auch Pascale Ehrenfreund hat sich bei ihrer Dissertation im Fach Astrophysik ein interdisziplinäres Thema gesucht und über Moleküle im Weltraum geschrieben. Dass es mehr Naturwissenschafterinnen und Technikerinnen braucht - und das Interesse der Mädchen schon in der Kindheit gefördert werden muss -, ist für sie sonnenklar: "Wir müssen eine neue Generation aufbauen, die sich mit der Zukunft, mit unserem Energieproblem, mit dem Klima beschäftigt.“ Männer allein werden das - mutmaßlich - nicht lösen können.

Nähere Infos unter www.fitwien.at

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