Friede bedeutet nicht Selbstaufgabe

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Die Diskussion im Land zeigt, dass Israel die ungewollte und ungeliebte Rolle der Besatzungsmacht gerne los wäre - aber nicht um jeden Preis.

Die momentane politische Lage in Israel und die anhaltende Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis macht es für viele Freunde Israels in Europa sicher nicht leicht, sich solidarisch mit diesem Staat zu zeigen. Wie könnte in der momentanen Situation Solidarität mit Israel aussehen, ohne dass man kritiklos alle Handlungen der derzeitigen israelischen Regierung befürwortet und "auf einem Auge blind" ist?

Seit der Unterzeichnung der Osloverträge ist es beiden Parteien nicht gelungen, eine Kultur des friedlichen Umgangs miteinander zu entwickeln. In der israelischen Bevölkerung gab und gibt es trotz aller Unterstützung des Friedenskurses von Barak nur ein unzureichendes Verständnis, welche Opfer für einen endgültigen Friedensschluss mit den Palästinensern nötig sein werden. Auf palästinensischer Seite aber wurde kaum etwas getan, um eine versöhnliche Sprache gegenüber Israel zu pflegen. Stattdessen verbreiten palästinensische Medien, Schulbücher, und weite Teile der islamischen religiösen Führer Hass und Unversöhnlichkeit gegenüber Israel.

Korruption und Misswirtschaft haben in den Palästinensergebieten verhindert, dass die Politik der Osloverträge eine wirtschaftliche Verbesserung der Lebensverhältnisse bringen konnte. Die einseitige Schuldzuweisung der PLO an Israel als vermeintlich Alleinverantwortlichem für die wirtschaftliche Misere verstärkte nur den Hass in der palästinensischen Bevölkerung auf die Besatzer. Die zeitweisen Blockaden der selbstverwalteten palästinensischen Gebiete durch die israelische Armee - mit Sicherheitsbedürfnissen begründet - haben die Verzweiflung in der palästinensischen Bevölkerung nur verstärkt, lenkt jegliche Kritik von ihren eigenen Führern ab und richtet sie stattdessen allein auf die israelische Besetzung.

Israel hat zu wenig unternommen, um glaubhaft zu machen, dass es tatsächlich zum Rückzug aus der kompletten (oder annähernd kompletten) Westbank bereit sein wird. Die Siedlungspolitik Israels, vor allem die jüdischen Nachbarschaften in Ostjerusalem von Ramot im Westen bis zu Gilo im Süden, hat den Palästinensern das Gefühl vermittelt, politisch stranguliert, eingekesselt und vor vollendete Tatsachen gestellt zu sein, die letztlich die Gründung eines lebensfähigen Staates Palästina unmöglich machen werden. Israel hingegen hat die Siedlungspolitik seit 1967 vor allem als Teil einer umfassenden Sicherheitspolitik verstanden und in Jerusalem ganz sicher auch im Sinne einer Politik, die die Annektierung Ostjerusalems in den Staat Israel durch "Tatsachen am Boden" zu untermauern suchte. Daneben existierte und existiert aber in den Kreisen der nationalreligiösen Parteien auch die Überzeugung, dass Juden das Recht haben, in Judäa und Samaria, dem Kernland des alten Israel, siedeln und leben zu dürfen. Leider schließt diese Denkweise in der Regel nicht die Bereitschaft mit ein, gegebenenfalls in Zukunft dafür auch in einem arabischen Staat Palästina leben zu wollen.

Der derzeitige Konflikt gründet aber nicht zuletzt in der andauernden Weigerung vieler Palästinenser und arabischer Nachbarstaaten, die Existenz des Staates Israel als gegeben innerlich zu akzeptieren. Das erklärt die Vorsicht der Israelis, den Palästinensern allzu weit entgegenzukommen respektive den Wunsch nach einer allumfassenden Einigung, die künftige Forderungen ausschließt. Dazu aber scheinen weder die Palästinenser noch Staaten wie Syrien, Iran, Irak bereit zu sein. Viele hoffen nach wie vor auf eine veränderte politische Konstellation, die eine Zerstörung Israels und einen Staat Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer ermöglichen könnte.

Es war nicht die jüdische, sondern die arabische Seite, die 1947 den UN-Teilungsplan ablehnte, der die Errichtung eines jüdischen und palästinensischen Staates vorsah, weil sie glaubte, den Staat Israel völlig verhindern oder militärisch auslöschen zu können. Und wieder waren es die arabischen Staaten und die Vertreter des palästinensischen Volkes, die 1967 nach dem Sechstagekrieg das Angebot Israels zu Verhandlungen über die Rückgabe der besetzten Gebiete ablehnten. So ist Israel durch seine militärischen Siege und durch die andauernd feindselige Haltung seiner arabischen Nachbarn ungewollt die ungeliebte Rolle der Besatzungsmacht zugefallen. Die innenpolitische Diskussion in Israel zeigt, dass Israel diese Rolle der Besatzungsmacht gerne los wäre - aber eben nicht um den Preis seiner Selbstaufgabe.

Die Berichterstattung über die aktuelle "Al-Aksa-Intifada" in den westlichen Medien erscheint mir äußerst einseitig zu sein, da sie in der Regel in Absehung von den historischen Zusammenhängen dem klassischen Reflex folgt, dass man mit dem vermeintlichen "underdog" sympathisiert, der gegen eine haushoch überlegene Besatzungsarmee aufbegehrt. Es wird in der westlichen Presseberichterstattung - anders als im israelischen Fernsehen und in den Zeitungen - auch oft nicht deutlich, dass Angriffe der israelischen Armee in aller Regel allein Reaktionen auf Angriffe oder terroristische Anschläge sind. Es wird nur die vermeintliche Unverhältnismäßigkeit der Mittel angeprangert und Israel pauschal als Aggressor gebrandmarkt.

Es muss die Frage erlaubt sein, welcher Staat es tolerieren würde, wenn seine Bürger permanent Zielscheiben von Terror- und Gewaltakten wären. Es muss festgehalten werden: Israel reagiert auf terroristische Anschläge. Der Schlüssel für ein Ende der Gewalt und die Rückkehr zu Verhandlungen liegt bei den Palästinensern.

Der Autor ist Studienleiter des für seine jüdisch-arabischen Friedensgruppen bekannten Kibbuz "Nez Ammim" (Zeichen der Völker, Jesaja 11,10) im Westen Galiläas.

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