Frieden finden in einer Welt der Gewalt

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Mit den Grundlagen und der Kultur des Friedens und den Antworten der monotheistischen Weltreligionen beschäftigte sich die Akademie für Philosophie in Liechtensein.

Der Krieg ist der Vater aller Dinge schrieb schon der griechischePhilosoph Heraklit. Angesichts der blutigen Geschichte der drei monotheistischen Weltreligionen, die zahlreiche Kapitel über Verwüstungen, Vertreibungen, Folterungen und Hinrichtungen enthält, scheint diese Behauptung gerechtfertigt.

Es stellt sich die Frage, warum ausgerechnet Repräsentanten dieser Weltreligionen für Ausgrenzung, Hass und Gewalt eintraten. So empfahl bereits Martin Luther, dass man die jüdischen Synagogen mit Feuer anstecken und ihre Häuser zerstören sollte. Diese Problematik einer den Religionen inhärenten Gewaltbereitschaft und die Alternative dazu - eine Kultur des Friedens - war das Thema eines Kolloquiums an der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein, an dem Theologen, Religionswissenschafter, Philosophen, Vertreter des Judentums, Christentums und des Islam teilnahmen.

Alle monotheistischen Weltreligionen betonen die Bedeutung des Friedens für das Allgemeinwohl. So schreibt der Rabbi Chananja: "Groß ist der Friede, denn er wird dem ganzen Schöpfungswerk gleichgestellt. Und im Koran heißt es, so der jordanische Politikwissenschafter Rateb Amro, der das "Horizon Studies und Research Institute" in Amman leitet: "Gott verlangt von uns, sich für den Frieden einzusetzen." Die Sorge um den Anderen ist der Grundgedanke des Islam.

Im jüdischen Kulturkreis hat "shalom" eine zweifache Bedeutung: Einerseits gilt "shalom" als Gegenbegriff zu Krieg, Kampf und Gewalt; andererseits verweist "shalom" auf die innere Ruhe, die Gelassenheit. Ähnlich friedliebend gibt sich das Christentum. Augustinus bezeichnet als Grundprinzip der christlichen Lebenshaltung die Friedensbewahrung.

Die unumstössliche Wertschätzung der Freiheit wurde bereits im Koran relativiert. Zwar mahnt der Prophet Mohammed zur Toleranz gegenüber Christen und Juden; er sagt, wer einen Juden oder Christen verletzt, hat auch mich verletzt. Gleichzeitig erfolgt die Aufforderung Allahs an Mohammed: "O du Prophet, streite wider die Ungläubigen und verfahre hart mit ihnen."

Dieser Vorschlag wurde von vielen christlichen Würdenträgern aufgenommen. So setzte sich der Franziskanerpatermönch Johannes von Capestrano um 1452 dafür ein, dass die Juden in Bayern das Wohnrecht und das Schutzrecht verloren und damit "vogelfrei" wurden.

Die Gräueltaten

Auch die Auseinandersetzung mit innerkirchlichen Feinden wie den häretischen Waldenser und Albigenser war begleitet von gewalttätigen Ausschreitungen und Massenmorden. Selbst bei relativ sensiblen Klerikern war das Unrechtsbewusstsein nicht sehr ausgeprägt, wie der in Salzburg tätige Weihbischof Andreas Laun am Beispiel des Dominikaners Bartolomé de las Casas, der von 1474 bis 1566 lebte, erläutert. Las Casas, der die Versklavung der Indios in Südamerika durch die Spanier bekämpfte, hat den Vorschlag gemacht, die Menschen aus Afrika zu holen, weil sie robuster sind und die Arbeit besser aushalten könnten.

Trotz der Gräueltaten der monotheistischen Religionen waren sich dieTeilnehmer des Kolloquiums darüber einig, dass Hass, Zwietracht undGewalttätigkeit nicht dem Wesen der Religionen entsprechen. Vielmehr wurde in diesem Zusammenhang vom Missbrauch und bewusster Abweichung gesprochen. Man muss unterscheiden - so lautete der Grundtenor - zwischen dem eigentlichen Kern der Religionen und den Verfälschungen und Manipulationen, die zu den kriegerischen Handlungen geführt haben.

Die Auffassung eines wahren Kerns der Weltreligionen führte zu verblüffenden Ähnlichkeiten in der Argumentation der Vortragenden Faisal al Rfouh vom Gandhi Center for Strategic Studies im Amman und Rabbi Naftali Rothenberg vom van Leer Institute in Jerusalem. Beide betonten den "Willen zum Dialog" als zentrales Element der monotheistischen Religionen. So fordert der Koran die Muslime dazu auf, Konflikte durch Verhandlungen zu lösen. Eine ähnliche Bedeutung nimmt die Debatte in der jüdischen Weltsicht ein, die nicht von einer dogmatischen Sichtweise ausgeht, sondern Probleme differenziert zu betrachten.

Ein wesentliches Element, das die monotheistischen Weltreligionen vermitteln, ist das Gefühl des inneren Friedens, wie Josef Seifert, der Rektor der Internationalen Akademie im Fürstentum Liechtenstein, in seinem Vortrag hervorgehoben hat. Besonders heute im Zeitalter der elektronischen Massenmedien sei der Mensch von einer tiefgreifenden Zerrissenheit geprägt, die bereits Blaise Pascal vorausgesehen hat.

Der französische Philosoph bezeichnete den Menschen als "être en route", als Wesen, das ständig unterwegs ist und keine andauernde Erfüllung findet. Diese Unruhe kann gleichsam eine Voraussetzung sein, meint etwa der dänische Religionsphilosoph Soeren Kierkegaard, "den Sprung in den Glauben zu wagen", die Welt des Spektakels einzutauschen für einen inneren, spirituellen Frieden, der sich in Übereinstimmung mit dem höchsten Wesen mit Gott weiß.

Der innere Friede

Diese Form des inneren Friedens darf nicht mit der antiken stoischen Auffassung gleichgesetzt werden. Bei gewissen Stoikern wie Epiktet bedeutet innerer Friede innere Gleichgültigkeit; man verweigert die Anteilnahme am Mitmenschen, die ja die eigene Ruhe stören könnte. Übersehen wird von dieser Philosophenschule, dass Glück und innerer Friede von Faktoren abhängen, die nicht in unserer Macht stehen.

Im Gegensatz zu den Stoikern betont der französische Philosoph Emmanuel Lévinas die Bedeutung des Anderen. Die Begegnung mit dem Anderen erfolgt ursprünglich und sprengt den Rahmen des formal-logischen Denkens. Sie ereignet sich stets als Beziehung - so Lévinas - in der der Andere mich in seiner Hilflosigkeit und Nacktheit anruft und so mich überhaupt zu einem Ich macht. Die Begegnung mit dem Anderen bindet mich in einen ständigen Verantwortungsprozess ein, der den inneren Frieden bereichert.

Welche Mittel gibt es, Gewalt einzudämmen und Frieden zu stiften? lautete eine weitere wesentliche Frage, mit der sich die Kolloquiumsteilnehmer befassten. Toleranz, Achtung der Menschenwürde, Respekt vor dem Anderen und auch Erziehung und Bildung wie der an der Hebrew University in Jerusalem lehrende Rechtsgelehrte Shimon Shetreet erläutert: Wenn man jemanden besser kennt, kann man ihn besser verstehen und lernt, ihn zu akzeptieren. Um den Hass zu beseitigen, benötigen wir Bildung. Bloße Akzeptanz reicht jedoch nicht aus. Um ein Zusammenleben auf höchstem Niveau zu gewährleisten, bedarf es des wechselseitigen Respekts, der den Anderen in seinem Anderssein belässt.

Das führt zu einem Pluralismus der Ideologien und Religionen, der die Vielfalt der Menschen und Nationen zulässt.

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