Für Demontage der Fristenlösung missbraucht

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Würde es tatsächlich nicht um die Fristenlösung, sondern um die Lebenssituation Behinderter gehen, müsste die Diskussion anders sein.

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Würde es tatsächlich nicht um die Fristenlösung, sondern um die Lebenssituation Behinderter gehen, müsste die Diskussion anders sein.

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Es war klar, dass die Bundesregierung die Fristenlösung zur Diskussion stellen wird. Schon im Mai dieses Jahres gab es dafür bereits Signale, aber der beste Zeitpunkt ist die Vorweihnachtszeit. Es hat seit Jahrzehnten Tradition, dass in dieser "besinnlichen Zeit" Menschen mit Behinderung für alles herhalten müssen, wofür sie eben einsetzbar sind. Die Bundesregierung schafft es seit Jahren, dass Menschen mit Behinderung als Bettler der Nation vorgeführt werden. "Aktion Licht ins Dunkel" ist der Garant dafür, dass das auch funktioniert und die Bundesregierung ist stolz darauf, ihre behinderten Menschen "richtig" einsetzen zu können, um das Budget zu schonen.

Die neue Qualität dieser Bundesregierung geht sogar noch einen Schritt weiter: Weil es wieder Weihnacht wird, werden behinderte Menschen heuer auch für die geplante Demontage der Fristenlösung benutzt. Die Zeit ist da, um auf Kosten behinderter Menschen "das politische Geschäft" zu machen. Deshalb findet die Diskussion um die Fristenlösung jetzt statt!

Würde es tatsächlich nicht um die Fristenlösung, sondern um die reale Lebenssituation von behinderten Menschen gehen, so müsste die Diskussion eine andere sein. Fragen über Chancen und Risken der pränatalen Diagnostik für die Gesellschaft, müssten endlich genauso beantwortet werden wie die Frage, was der Grund dafür ist, dass es noch immer kein Behindertengleichstellungsgesetz gibt, obwohl dies seit Jahren von behinderten Menschen gefordert wird.

Ein Gleichstellungsgesetz auf Bundesebene für behinderte Menschen wird bewusst nicht zur Diskussion gestellt, denn das würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass Menschen mit Behinderung ihre Rechte auch einklagen können, wenn sie diskriminiert werden, aber davon will diese Bundesregierung nichts wissen.

Wenn Herr Frauenministerin die medizinische Verbesserung der pränatalen Diagnostik (Behinderung soll früher erkannt werden können) einfordert, gleichzeitig aber behauptet, die Abtreibung von behinderten Föten verhindern zu wollen und zusätzlich klargestellt haben möchte, keinesfalls das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau einschränken zu wollen, dann muss er wissen, dass er sich in eine Situation der Unglaubwürdigkeit gebracht hat, die auch von den Frauen der Regierungsparteien bestätigt wird. Sie halten die Diskussion für "mehr als entbehrlich".

Herr Frauenministerin will natürlich die Strafbestimmungen zur Fristenlösung verschärfen und damit das Selbstbestimmungsrecht der Frau einschränken. Würde er die tatsächliche Gleichstellung von behinderten und nichtbehinderten Ungeborenen wollen, müsste er sich dafür einsetzen, die Straffreiheit nicht zu verkürzen, sondern zu verlängern. Nur so kann von schwangeren Frauen der Druck genommen werden, sich rasch für oder gegen ein Kind entscheiden zu müssen. Frauen, die sich in einer ausweglosen Situation befinden, brauchen Zeit, mehr Zeit als sie jetzt zur Verfügung haben, um ihre Entscheidung straffrei treffen zu können, um vielleicht doch eine positive Lebensperspektive für sich und ihr behindertes oder nichtbehindertes Kind zu finden. Wenn Herr Frauenministerin ernsthaft die Situation für schwangere Frauen verbessern und die diskriminierende Bestimmung der eugenische Indikation aus dem Gesetz streichen will, dann kann dies nur die Ausweitung der Straffreiheit bedeuten.

Es ist zynisch, Herr Frauen-ministerin, wenn Sie behinderte Menschen dafür missbrauchen, die Fristenlösung zu demontieren. Behinderte Menschen weisen die Aufweichung des Selbstbestimmungsrechtes von schwangeren Frauen aufs schärfste zurück. Behinderte Menschen wollen die Gleichstellung von ungeborenen behinderten und nichtbehinderten Kindern und das bedeutet eine Gleichstellung der Straffreiheit ohne deren Einschränkung, unabhängig davon, ob es sich beim Schwangerschaftsabbruch um ein behindertes oder nichtbehindertes Kind handelt!

Die Autorin ist Behindertensprecherin der Grünen.

Zum Thema: Eugenische Indikation Heftige Diskussionen löst der Vorstoß von Sozial- und Frauenminister Herbert Haupt aus, die Frist für eine so genannte eugenische Indikation - die Abtreibung eines schwer behinderten ungeborenen Kindes - zu verkürzen.

Die jetzige Rechtslage lautet: Bis zur 24. Woche einer Schwangerschaft kann bei schweren Fehlbildungen des Embryos ein Abbruch vorgenommen werden, später nur mehr, wenn der Embryo so schwere Fehlbildungen hat, dass er nicht lebensfähig ist.

Während VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger meinte, dass man keiner Frau vorschreiben könne, ein Kind auszutragen, vertritt die Generalsekretärin der Volkspartei Maria Rauch-Kallat die Ansicht, dass behindertes Leben nicht weniger wert sein dürfe als das von nicht-behinderten Menschen.

SPÖ-Frauen-Vorsitzende, Barbara Prammer, betonte, dass schwere Behinderungen von Föten erst weit nach der Dreimonatsfrist, festgestellt werden könnten. Und wer Erschwernisse in die derzeitige Regelung einbaut, stelle die Fristenlösung insgesamt in Frage. WM

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