Geburt unter Generalverdacht

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Studien zeigen, dass Hausgeburten mindestens so sicher sind wie Geburten in Kliniken, wenn die Schwangerschaft als „risikoarm“ eingestuft wird. Qualitätskontrolle mindert „Hysterie“.

Susanne Athanasiadis hat das Buch „Luxus Privatgeburt“ bereits angeschaut, überzeugen konnte es sie aber nicht: Die Werbe- und Marketing-Beraterin, die 2002 einen Ratgeber verfasst hat (Das große österreichische Baby-Buch) ist klar gegen Hausgeburten: „Was, wenn etwas nicht so klappt, wie es klappen sollte und es dann zu entscheidenden Zeitverzögerungen kommt“, wendet die Mutter einer Tochter ein. Zudem spricht sie aus persönlicher Betroffenheit: Ihr ältester Bruder ist kurz nach der Geburt gestorben, er hatte die Nabelschnur zu fest um den Hals. Das sei zwar in der Klinik passiert, aber zeige auf, was alles passieren könne. Sie selbst hatte ihre Tochter per Kaiserschnitt entbunden, das Kind lag nicht in Schädellage, und die Geburt sowie die Zeit in der Klinik als sehr positiv erlebt. „Es hat sich für mich nie erschlossen, warum manche Frauen diese Selbstbestätigung aus der Geburt ziehen. Ich hatte schon ein bisschen das Gefühl, dass diese Frauen jene, die in der Klinik gebären, etwas abwerten“, sagt sie und spricht auf den Ideologiestreit an, der um die Geburt herrscht: Völlig natürlich (daheim?) oder auf Nummer sicher und möglichst schmerzfrei. Zwei Welten?

Doch eines eint Frauen, die ohne medizinischen Grund einen sogenannten Wunschkaiserschnitt bevorzugen, und Hausgeburtsmütter: sie sind die äußeren Pole in diesem Streit, haben Imageprobleme und werden vorverurteilt. Für die Motive dieser Frauen interessieren sich wenige. „Luxus Privatgeburt“ erhellt nun die eine Seite.

Das schlechte Image der Hausgeburt kommt auch vom Vorurteil der mangelnden Sicherheit. Doch einige Studien haben aufgezeigt, dass Hausgeburten mindestens gleich sicher sind wie Klinikgeburten, wenn Risiken vorher gut abgewogen werden (siehe unten). „Wenn Frauen zuhause oder in einem von Hebammen geführten Geburtshaus gebären, haben Mehrgebärende zu 96 Prozent die Chance, das Kind ohne Probleme zu gebären, Erstgebärende zu 75 Prozent. Das sind relativ klare Zahlen, an denen sich Frauen orientieren können, wenn diese als ihr höchstes Ziel ansehen, dass möglichst wenige Eingriffe gemacht werden“, betont Beate Schücking, Leiterin des Forschungsschwerpunktes Maternal Health an der Universität Osnabrück. „Wenn Frauen in die Klinik gehen, haben sie nur eine geringe Chance auf eine Geburt ohne Interventionen wie Wehenmittel, Dammschnitte, Einleitung“, verweist Schücking auf eine Studie, in der Geburten in Niedersachsen untersucht wurden. Ihre Mitarbeiterin Christine Loytved hat als Co-Autorin das Buch „Außerklinische Geburt in Deutschland“ erarbeitet. Es wird von der „Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e. V.“ herausgegeben, die Hausgeburten kontinuierlich dokumentiert ( www.quag.de). 42.154 Geburten im eigenen Haus oder in einem Geburtshaus in den Jahren 2000 bis 2004 wurden untersucht. Einige Schlüsselergebnisse: Mehr als 95 Prozent der Frauen haben keine „klinische Problematik“ nach der Geburt. Circa zwölf Prozent der Frauen (während der Geburt) und 2,4 Prozent der Kinder mussten ins Spital verlegt werden.

Trotz guter Absicherung durch Studien bleiben manche Geburtsmediziner skeptisch, so auch Alfons Staudach, Leiter der Universitäts-Frauenklinik Salzburg: „Geburten verlaufen in den allermeisten Fällen gut, aber dennoch kann es zu unvorhersehbaren Komplikationen kommen. Freilich birgt auch das Umfeld Krankenhaus gewisse Risiken, das wird niemand leugnen“, so Staudach.

„Aber es gibt doch bereits in den allermeisten Kliniken Angebote für Gebärende, die eine natürliche Geburt mit möglichst wenigen Eingriffen und privatem Ambiente ermöglichen. Es gibt auch die ambulante Geburt. Mir scheint, als würden diese Frauen ihren eigenen Wunsch durchsetzen wollen, sie gehen bewusst ein Risiko ein.“

Doch wie Studien zeigen, ein geringes, wenn Schwangere vor der Geburt gut betreut und Risiken abgeschätzt werden. Die qualitätssichernden Studien hätten bewirkt, dass schon viel von der Hysterie um Hausgeburten und deren Sicherheit gewichen sei, betont Beate Schücking.

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