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Gegen die Hilflosigkeit im Ernstfall

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Wer kennt das nicht: Es kracht auf der Straße, ein Unfall. Alles läuft zum Ort des Geschehens -und schaut. Aber niemand hilft. Dabei entscheidet vielfach die Hilfe in den ersten Minuten über das weitere Schicksal der Unfallopfer.

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Wer kennt das nicht: Es kracht auf der Straße, ein Unfall. Alles läuft zum Ort des Geschehens -und schaut. Aber niemand hilft. Dabei entscheidet vielfach die Hilfe in den ersten Minuten über das weitere Schicksal der Unfallopfer.

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Wir können so schnell fahren, wie wir wollen - wenn die Ersthelfer am Unglücksort nicht wissen, was zu tun ist, kommen wir zu spät." Der Rotkreuz-Notarzt weiß, wovon er spricht: In nicht mehr als drei Minuten entscheidet sich, ob ein Patient stirbt oder überlebt, wenn die Atmung aussetzt oder das Herz plötzlich stillsteht.

Ein Mensch kann zwar 30 Tage ohne Essen und drei Tage ohne Wasser auskommen aber nur drei Minuten ohne Säuerstoff. Deshalb entscheiden die Menschen, die gerade in der Nähe sind, über Leben und Tod. Oder zumindest darüber, ob der Patient den Rest seines Lebens als Pflegefall fristen muß.

Die Ersthelfer sind das wichtigste Glied der „Rettungskette". Wenn sie nicht wissen, was zu tun ist, nützt das beste Rettungssystem nichts. Heute überleben in Österreich nur vier von 100 Menschen einen Kreislaufstillstand und nur zwei von 100 einen Atemstillstand - und verlassen das Krankenhaus wieder als gesunde Menschen.

In den USA sind es fast 50 Prozent. Weil dort viel mehr Menschen die paar Griffe beherrschen, die zur Lebensrettung notwendig sind. Dabei kann auch bei uns jeder Erste 1 lilfe ganz einfach lernen..

Erste Hilfe fristet bei uns aber ein Mauerblümchen-Dasein: In der Schule ist wenig Zeit dafür. Später, bei der Führerscheinprüfung, ist es wichtiger zu wissen, wie man einen abgesoffenen Motor wieder in Gang bringt, als einen stillstehenden Kreislauf. Dabei kann in 16 Stunden jeder das Wissen erwerben, das ihn zum Lebensretter machen kann.

Nur: Die Angst vor dem Helfen ist oft groß. Der Schritt aus der Menge der Gaffer, die sich um einen Unfall sammelt, ist die erste Hürde. Aber das Können, das man sich bei der Erste-Hilfe-Ausbildung aneignen kann,

würde auch das Selbstvertrauen geben, um die Mauer des Schweigens zu überwinden, die die Schaulustigen um einen Menschen in Not bilden. Und dieser Mensch kann jeder von uns jeden Tag selbst sein. Egal, wie alt er ist.

Erich zum Beispiel war 22 - und ist wie tot umgefallen. Doch Kollegen sind sofort darangegangen, seine Lebensfunktionen in Gang zu halten, bis der Notarzt da war: „Es war ja watscheneinfach." Erich wird in zwei Monaten Vater.

Jeder kann helfen

Beatmung und Herzmassage: Was nach sportlicher Betätigung klingt, kann eigentlich jedermann leisten. Beanimation bei Kreislaufstillstand, richtige Lagerung bei Bewußtlosigkeit - das bringen ältere Mensch ebenso zustande wie junge.

Immer mehr Menschen nutzen auch ihre Freizeit für sportliche Betätigung. Dieser Trend spiegelt sich leider auch in der Unfallstatistik wider: 44 Prozent aller Unfälle passieren beim Sport, im Familien- und Freundeskreis. Im Ernstfall herrscht aber oft Ratlosigkeit: Was tun, wenn

sich jemand verletzt hat?

Wichtig ist das „Erstes Glied der Rettungskette". Bei Sanitätern, Ärzten und Schwestern sitzt jeder Handgriff - sie sind aber erst das vierte und fünfte Glied der „Rettungskette".

Für die ersten drei Glieder ist der Ersthelfer zuständig: lebensrettende Sofortmaßnahmen ergreifen, die Ret-

Informationen zum Thema Erste Hilfe, Kurs- und Materialangebote: Österreichisches Rotes Kreuz, Öffentlichkeitsarbeit, 1041 Wien, Wiedner Hauptstraße 32, Tel. (01) 58900/151, Fax: (01)58900-159. E-Mail: jany@redcross.or.at. http://www.redcross.or.at Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), Unfallverhütung, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, Fax: (01)33111/590 DW, E-Mail: presse@auva.or.at, AUVA-SicherheitsNet: http://www.auva.or.at/auva/

tung über den Notruf 144 verständigen und dann weitere Erste Hilfe lei sten, bis die Sanitäter da sind. Ersthelfer solten aber auch auf andere Notfälle vorbereitet sein. Sie sollten wissen, wie man eine starke Blutung stoppt, was man tut, wenn das Kind ein Putzmittel getrunken hat oder die Mutter von der Leiter gestürzt ist.

Die meisten wissen allerdings in der Aufregung nicht einmal, wie man die Rettung richtig verständigt. Der Telefonist dort muß nämlich vier Dinge wissen: Wo ist der Unfallort? Was ist geschehen? Wie viele Verletzte gibt es? Wer ruft an? Erst wenn die Rettungskette geschlossen ist, können wir uns sicher fühlen. Jeder von uns kann Teil dieser Kette sein - als Helfer oder als Opfer.

Nur zehn von 100 Österreichern wissen aber, wie man Erste Hilfe leistet. Dabei ist der Auftrag zur Ausbildung für lebensrettende Sofortmaßnahmen laut Robert Bauer, dem stellvertretenden Generaldirektor der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, sogar im Arbeitnehmerschutzgesetz verankert.

In Betrieben mit 20 oder mehr

Mitarbeitern müssen dem Gesetz zufolge mindestens zwei Personen einen löstündigen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben. Besonders die häufigere Anwendung der „stabilen Seitenlage" könnte zahlreiche Unfallopfer retten, betonte der ärztliche Leiter des Unfallkrankenhauses Lorenz Böhler, 1 larald Hertz. Sieben Prozent der Bewußtlosen würden kurz nach dem Unfall ersticken, weil diese Maßnahme nicht angewendet wurde.

Dabei ist das Problem einfach zu lösen: In dem erwähnten 16stündigen Erste-Hilfe-Kurs beim Roten Kreuz kann jeder lernen, was im Unglücksfall zu tun ist, um sofort helfen und die Gesundheit eines Patienten erhalten oder sein Leben retten zu können. Und zum Patienten kann jeder von uns jederzeit werden.

Richtig reagieren

Denn alltägliche Unglücksfälle sind oft lebensgefährlich. Wenn jemand einen Atem- oder Herzstillstand erleidet, entscheiden die Menschen in seiner Nähe häufig über Leben und Tod. Denn wenn die Durchblutung des Gehirns aussetzt, tritt, wie gesagt, binnen drei Minuten der Tod ein, oder es entsteht zumindest eine nicht mehr wiedergutzumachende Behinderung. Im Erste-Hilfe-Kurs lernt man, in solchen Notfällen richtig Hilfe zu leisten und Leben zu retten.

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