... geht ein Kamel durchs Nadelöhr

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Was bedeutet in der Wirtschaft Gerechtigkeit? Und lässt sie sich - gerade im Zeitalter der Globalisierung - mit Gewinn überhaupt unter einen Hut bringen? Diesen teils philosophischen, teils sehr praktischen Frage stellte sich im Rahmen der dritten Furche-Veranstaltung in der Reihe "Welche Werte braucht die Wirtschaft" ein hochkarätiges Podium. Dieses Dossier entstand in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich, die redaktionelle Verantwortung liegt bei der furche. Redaktionelle Gestaltung: Claudia Feiertag Nicht nur Neid wird den "oberen Zehntausend" oft entgegengebracht. Sie werden auch mit dem Vorwurf konfrontiert, große Vermögen und Moral seien wohl kaum zu vereinbaren. Aber welche moralischen Verpflichtungen gehen wirklich mit Reichtum einher?

Arme werden ärmer, Reiche werden reicher" - so oder so ähnlich lauten jedes Jahr die Titel in Zeitungen und Zeitschriften, wenn wieder die welt-, europa- oder österreichweiten Statistiken zu Wohlstand und Bedürftigkeit veröffentlicht werden.

Tatsächlich sind die Zahlen beeindruckend: Das reichste Zehntel der Menschheit hat ein monatliches Pro-Kopf-Durchschnittseinkommen von mehr als 2.300 us-Dollar, aber zwei Milliarden Menschen haben im Monat weniger als 60 Dollar zum Leben. Und die drei reichsten Milliardäre der Welt haben mehr Geld als das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten ausmacht. Microsoft-Gründer Bill Gates allein verfügte im Jahr 2000 über mehr Geld als die ärmsten 31 Länder mit ihren 250 Millionen Einwohnern zusammen.

"In diesen Gegenüberstellungen schwingt ja immer die Aussage mit, wenn man den Reichen das Geld wegnehmen und den Armen geben würde, dann ginge es diesen besser", meint Birger Priddat skeptisch. Der Professor für Politische Ökonomie an der Zeppelin University in Friedrichshafen (Deutschland) ist Mitglied im Forschungsdirektorium des deutschen Zentrums für Wirtschaftsethik. Er hält nicht viel davon, Arm und Reich gegeneinander auszuspielen. Er denkt dieses Ansinnen weiter und führt es ad absurdum: "Wenn man den Reichen ihr Geld wegnimmt, haben sie kein Interesse mehr daran, weiter Geld zu verdienen. Dadurch fallen Wirtschaftsprozesse weg, was bedeutet, dass es weniger Arbeitsplätze gibt. Und damit mehr Armut." Die Frage sei zwar, wie die Armen mehr, nicht aber, wie die Reichen weniger bekommen, betont er. Eine Frage, die global nur die internationale Politik beantworte könne.

Geld haben, Geld geben

Dennoch entlässt der studierte Philosoph und Volkswirt die Wohlhabenden nicht aus ihrer Verantwortung und nennt Bill Gates, laut Forbes-Magazin der reichste Mensch der Welt mit einem geschätzten Vermögen von 46,6 Milliarden us-Dollar, als Vorbild. Er gilt als einer der großzügigsten Spender weltweit. Gemeinsam mit seiner Frau hat er die "Bill & Melinda Gates Foundation" gegründet und mit einem Vermögen von 27 Milliarden Dollar ausgestattet. Mit dem Geld werden vor allem Gesundheits- und Bildungsprogramme in Entwicklungsländern gefördert.

Priddat sieht die Tradition der wohltätigen Stiftungen vor allem in den usa verankert, wo teilweise enorme Vermögen an Stiftungen vererbt werden. Auch das Ehepaar Gates hat angekündigt, ihrer Stiftung den Hauptteil ihres Vermögens zu vermachen und den drei Kindern nur einen kleinen Teil zu hinterlassen. "Dahinter steckt wohl auch ein bisschen puritanische Religiosität", vermutet der Ökonom. "Der Gedanke dabei: Wenn man lebt, kann man so reich sein, wie man will, aber man muss auch sehen, dass man sein Vermögen loswird, getreu dem Spruch: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." Dadurch entstünden enorme Stiftungsvermögen, mit denen Universitäten, Bibliotheken und Kunstsammlungen finanziert werden. Priddat: "Das finde ich eine pragmatisch-intelligente Lösung des Reichtumsproblems."

Aber auch zu Lebzeiten sollten Vermögende durchaus in die Pflicht genommen werden. "Die Gesellschaft hat ihren Reichtum ermöglicht, darum müssen sie sich auch überlegen, wie sie ihr etwas davon zurückgeben können." Von Schuld freikaufen könne man sich durch all das freilich nicht, warnt Priddat. Denn auch die Herkunft der Gewinne und die Bedingungen, unter denen sie gemacht werden, müssten thematisiert werden. "Ich halte natürlich gar nichts davon, wenn jemand auf anstößige Weise Geld verdient und sich dann durch Wohlfahrt gleichsam dafür entschuldigt", stellt er klar.

Legal, aber unhaltbar

Dabei geht es ihm gar nicht um ohnehin illegale Geschäfte. Er setzt früher an: "Wenn jemand mit gesetzlich erlaubtem Waffenhandel sein Geld verdient, kann ich als Ökonom nichts dagegen sagen. Aber als Bürger und Konsument." Gleiches gilt für zwar legalen, aber moralisch unhaltbaren Umgang mit Mitarbeitern oder Ressourcen. Er wünscht sich daher auch mehr öffentliche Diskussion über Arbeitsbedingungen und Produktqualität. Da sei auch die Verantwortung der Konsumenten gefragt, die sich der Macht ihrer Konsumentscheidungen noch viel zu wenig bewusst seien.

"Zusammenfassend kann man wohl sagen: Man sollte die Wirtschaft nicht verteufeln, weil sie Gewinne macht, denn das ist ja ihr Prinzip. Aber ihre Qualität sollte in viel frecherer Weise als bisher diskutiert werden."

Rund 230 Zuhörer hatten sich vergangenen Mittwoch im Festsaal der Wiener Börse eingefunden, um der Diskussion über "Gerechtigkeit und Gewinn" zu folgen. Es war bereits der dritte Abend im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Welche Werte braucht die Wirtschaft, zu dem die Furche gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich, Austria Perspektiv, Radio Stephansdom und der Investkredit geladen hatte.

Die Vorträge dieses Abends finden Sie in gekürzter Form auf den folgenden Seiten:

Seite 22: Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl

Seite 23: Zisterzienser-Abt Gregor Henckel-Donnersmarck

Seite 24: Ursula Schneider (Karl-Franzens-Universität Graz), Wilfried Stadler (Investkredit Bank, Furche-Herausgeber), Norbert Zimmermann (Berndorf AG), Christian Friesl (Industriellenvereinigung)

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