Gentechnik: Verbot des Verbotes

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Die Gefährdung der traditionellen Landwirtschaft, die Patentierung von Leben und die weit gehend fehlende Erforschung gesundheitlicher Folgen sind drei Hauptargumente gegen die Gentechnik. Nun soll der Beweis der Menschenrechtswidrigkeit erbracht werden.

Die Gentechnik darf in der eu nicht verboten werden - das ist seit Anfang Oktober nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes gegen das oberösterreichische Gentechnik-Verbotsgesetz amtlich.

"Es ist ein Skandal, dass innerhalb der eu die Interessen der Gentech-Industrie schwerer wiegen als das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Gentechnikfreiheit und auf körperliche Unversehrtheit", kritisierte der Risikoforscher Werner Müller den Entscheid scharf. Er hatte jene Studie angefertigt, die als wissenschaftliche Grundlage für das angestrebte Verbotsgesetz diente und die die ungelösten Probleme einer Koexistenz zwischen Gentechnik-Landwirtschaft und gentechnikfreier Landwirtschaft aufzeigte. Doch der Europäische Gerichtshof war nicht auf die vorgebrachten Argumente eingegangen.

Wer stoppt Pollen?

Dient die "Grüne Gentechnik" tatsächlich nur "einigen multinationalen Konzernen und den davon profitierenden Wissenschaftlern", wie es Alfred Haiger, langjähriger Vorstand des Institutes für Nutztierwissenschaften, formuliert? So manches spricht für den Wahrheitsgehalt dieser Aussage: Erstens wurden zwar überall in der eu Gentechnikgesetze erlassen, die die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen regeln sollen. Wie ein Nebeneinander zwischen Gentechnik-Landwirtschaft und traditioneller Landwirtschaft zu funktionieren hat, weiß aber niemand - Bienen haben Flugradien von sechs Kilometern, der Wind trägt Pollen ebenfalls über weite Distanzen.

Zweitens sind - entgegen häufig verbreiteter Aussagen - die gesundheitlichen Folgen genmanipulierter Nahrung alles andere als gut untersucht: Weltweit gibt es keine einzige Langzeitstudie darüber. Die Europäische Lebensmittelbehörde efsa ist laut eu-Verordnung 178/2002 verpflichtet, Langzeitrisiken und Risiken für künftige Generationen zu erfassen. Aufgrund ihres Nichthandelns verstößt sie gegen eu-Vorschriften, betont Risikoforscher Müller. Die Unterlagen für eu-weite und nationale Zulassungen zum Anbau oder zum Verzehr von gentechnisch veränderten Organismen (gvo) kommen von den Gentechnikkonzernen selbst, sie sind zum Teil fehlerhaft und unvollständig und werden von den Zulassungsbehörden einfach durchgewinkt, wie Greenpeace anhand des gentechnisch veränderten Mais mon863 von Monsanto erheben ließ: Der französische Molekularbiologe Gilles-Eric Seralini von der Universität Caen kam zum Schluss, dass Monsanto zur Auswertung von Fütterungsversuchen nachweislich falsche statistische Methoden eingesetzt habe und biologische Effekte wie etwa die Gewichtsveränderungen der Versuchstiere übersehen wurden. Diese Fehler seien weder von der efsa noch von den deutschen Zulassungsstellen erkannt worden, berichtete Greenpeace vor wenigen Tagen.

Patente auf Leben

Drittens erhalten die Gentechnikkonzerne erst durch die Patentierung von Leben die Gelegenheit, die Kontrolle über die Nahrungsmittel zu übernehmen. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss am 11. Mai dieses Jahres auch das österreichische Parlament mit den Stimmen der Regierungsparteien ein neues Patentgesetz, das die eu-Biopatentrichtlinie umsetzen soll. Mit der Patentierung von Leben werden - im Falle einer Freisetzung genmanipulierter Pflanzen - erstmals in der Geschichte des Ackerbaus Bauern in ihrem Recht eingeschränkt, Saatgut und Vermehrungsmaterial nach Belieben im eigenen Betrieb zu verwenden, weiterzuentwickeln und untereinander auszutauschen. Grundsätzlich müssen sie Jahr für Jahr für den Anbau - auch aus der eigenen Ernte entnommener - genmanipulierter Sorten Lizenzen zahlen.

Das alles veranlasste drei Mitglieder der österreichischen Antigentechnikplattform Pro Leben, eine Klage vor dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in Genf einzubringen. Verhandelt wird darüber am 7. November. In den Argumenten heißt es, Gentechnik in der Landwirtschaft verletze das Recht der Völker auf Selbstbestimmung ebenso wie das Recht auf Arbeit, das Recht auf angemessenen Lebensstandard, auf Schutz vor Hunger und Recht auf Nahrung, das Recht auf körperliche und geistige Gesundheit sowie das Recht auf Freiheit von Wissenschaft und Forschung. Die Kläger weisen unter anderem darauf hin, dass Biobauern die Existenzgrundlage verloren gehe, wenn genmanipulierte Pflanzen ausgebracht werden und diese auf ihre Felder auskreuzen.

"Die Gentechnik ist die gefährlichste Sache der Welt", warnt Plattform-Sprecher Richard Tomasch, der sich kämpferisch zeigt: "Es wäre die Verpflichtung jedes Einzelnen, etwas dagegen zu machen." Jetzt sei zu hoffen, dass der un-Menschenrechtsausschuss von der Bedeutung des Anliegens überzeugt werden könne, um im Anschluss dementsprechend Druck auf die österreichische Regierung auszuüben.

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