Gerechtigkeit - © Pexels / Shiva Smyth

Gerechtigkeit im Konsens: Wie Werte in der Wirtschaft definiert werden

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Ursula Schneider vom Institut für Internationales Management an der Universität Graz analysiert die Werte in der Wirtschaft anhand von vier Thesen. Viele Werte bestehen bereits. Man müsste sie leben.

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Ursula Schneider vom Institut für Internationales Management an der Universität Graz analysiert die Werte in der Wirtschaft anhand von vier Thesen. Viele Werte bestehen bereits. Man müsste sie leben.

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Die beiden Begriffe Gewinn und Gerechtigkeit sind sehr schwierig zu definieren. Es hat einmal jemand gesagt, Gewinn sei die Größe, die ein kreativer Wirtschaftsprüfer einem Unternehmen bereitstellen kann, und Gerechtigkeit ist wissenschaftlich wohl auch nicht zu definieren.

John Rawls sagt, man müsse über die Verteilung bestimmen, bevor man weiß, welche Positionen man dabei dann einnehmen wird. Das ist theoretisch wunderbar, praktisch natürlich schwer umzusetzen.

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Das Thema Werte und Wirtschaft ist also schwierig, lässt sich aber vielleicht an vier Thesen festmachen:

These eins: Werte für die Wirtschaft ist zu kurz gegriffen, es geht immer um Werte für die Gesellschaft. Die Wirtschaft ist eingebettet in ein System aus Recht, Kultur und Tradition. Wenn in der Gesellschaft bestimmte Verlässlichkeits- und Vertrauenswerte nicht mehr verankert sind, kann Wirtschaft nicht funktionieren. Das sind dann Misstrauensgesellschaften, die nicht mehr produktiv sind. Diese Basiswerte Verlässlichkeit und Vertrauen brauchen wir, auf denen baut das System auf.

Konsens über Gerechtigkeit

These zwei: Es gibt keinen Konsens mehr über Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist nach 1968 definiert worden als Chancengleichheit. Damals hatten alle Parteien einen Konsens: Chancengleichheit hatte die Idee, dass alle in diesem Wettbewerb relativ gleich ausgestattet sein sollen. Und wenn Personen benachteiligt sind, etwa weil sie in bildungsfernen Familien aufwachsen, dann soll der Staat gegensteuern.

Daraus ist zum Beispiel die gratis Schulbildung entstanden. Dieser Konsens ist heute weg. Allerdings ist der Umverteilungsapparat, um diese Chancengleichheit herzustellen, auch sehr teuer. Wenn wir genau hinschauen, ist relativ wenig Änderung passiert durch diesen Apparat, und da muss man auch fragen: War das gerecht, so viel in die Umverteilungsmaschinerie zu stecken?

Gerechtigkeit von Anfang an

These drei: Ich möchte die Aussage in Frage stellen, dass Ökonomie, wenn sie denn funktioniert, zum Besten aller wirkt, indem sie Kräfte anstachelt und in friedliche Bahnen lenkt. Das tut sie tatsächlich. Sie entfacht Begehrlichkeit, kanalisiert diese Begehrlichkeit in disziplinierte Anstrengung und schafft damit jenes Niveau an materiellem Wohlstand, das ohne diese Disziplinierung nie möglich gewesen wäre. Und sie schafft durch die Kanalisierung der an sich aggressiven Kräfte der Begehrlichkeit Frieden. Das ist die Argumentation.

Der Rest ist in der Wirtschaft nicht Schweigen, sondern die Verteilungsfrage. Aber ich würde es lieber sehen, dass man die Leute gar nicht erst arm werden ließe, als dass man sich dann hinterher um die Armen kümmert. Ein gerechtes System würde schon in der Produktion genügend Einkommenschancen bieten, anstatt hinterher einen Verteilungsapparat anzuwerfen. Dazu kommt, dass etwas bei diesem Wecken der Begehrlichkeiten auf der Strecke bleiben kann, und zwar Spiritualität und Mitmenschlichkeit.

Überforderte Manager

These vier: Das Konzept individueller Verantwortung überfordert die Führungskräfte. Oft wird ja gerecht mit verantwortungsvoll gleichgesetzt. Ich denke, dass dieser Verantwortungsbegriff in Bezug auf die Bestimmbarkeit dasselbe Schicksal erleidet wie die Gerechtigkeit. Er ist rechtlich definiert, aber wissenschaftlich muss man sich erst genau anschauen, was er meinen könnte.

Es gibt einige Vorschläge: In Europa ist der Ansatz über die Berücksichtigung aller Anspruchsgruppen verbreitet, also der Shareholder Value, und das Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens, nach dem es notwendig ist, den kommenden Generationen die selben Möglichkeiten zu erhalten, die wir vorgefunden haben. Wir tendieren dabei allerdings dazu, optimistisch zu sein und zu sagen, wir müssen ihnen nicht die Ölvorräte überlassen, denn die kommenden Generationen werden innovativ genug sein, um sich etwas andere Energiemodelle zu überlegen.

Keine neuen Werte nötig

Mein Resümee: Wir müssen keine neuen Werte erfinden und keine neuen Werte in die Verfassung zu schreiben. Wir müssen die bestehenden Werte nur leben. Denn wir haben einen Menschenrechtskatalog, wir haben die Idee eines Menschenpflichtekatalogs und wir haben einen Grundwertekatalog für Arbeit, und wenn wir das alles leben würden, was darin ohnehin längst steht, wäre schon sehr viel gewonnen.

Die Autorin ist Leiterin des Instituts für Internationales Management an der Universität Graz.

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