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Bei dem Projekt "oe2005.at" recherchieren Schüler selbstständig ein Stück Geschichte.

Wer über die Vergangenheit Bescheid weiß, kann die Zukunft verantwortungsvoll gestalten", lautet das Motto des Projekts "oe2005.at - Schüler schreiben Zeitgeschichte", das anlässlich des Jubiläumsjahres vom Verein "Lernen aus der Zeitgeschichte" ins Leben gerufen worden ist. Das ehrgeizige Konzept könnte als Beispiel dafür dienen, wie angewandte politische Bildung, Medienpädagogik und moderner Geschichtsunterricht kombiniert aussehen könnten: Interessierte Schulklassen können sich einen Monat aus 60 Jahren Republik aussuchen, den sie mit Hilfe von Archivmaterialien österreichischer Zeitungen recherchieren und dokumentieren. Abgesehen von Zeitungen können auch andere Materialien genützt werden, erwünscht wäre vor allem das Gespräch mit Zeitzeugen. Der Fokus soll dabei nicht ausschließlich auf dem politischen Zeitgeschehen liegen - auch der Alltag und das Lebensgefühl einer Zeit sollen erfasst werden, etwa durch Lebensmittelpreise, Mode, Musik, Kino und ähnliches.

Das zusammengetragene Material soll ab April auf der Homepage des Projekts zusammengeführt und zugänglich gemacht werden und sukzessiv eine Art Lexikon der zweiten Republik ergeben. Bis dato sind vier Monate von Schulklassen fertiggestellt worden und weitere 260 befinden sich in Arbeit. Die Organisatoren zeigen sich mit der Teilnahme "wahnsinnig zufrieden" und zuversichtlich, dass man in der vorgesehenen Projektlaufzeit von zwei Jahren die restlichen 456 Monate vergeben wird können.

Als wissenschaftlicher Berater steht dem Projekt Stefan Karner vom Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung zur Seite. In Kooperation mit diesem Institut wurde ein Zeitzeugen-Pool ins Leben gerufen, auf den die Schüler zurückgreifen können. Vom Projekt begeistert zeigte sich die Historikerin Brigitte Hamann, denn "allein schon das Gefühl, dass man mit den Originalen hantiert und dieses alte Papier fühlt, ist ein sehr lebendiger Einblick in die Geschichte". Auch bei Schülern und Lehrern scheint das Konzept sehr gut anzukommen. "Wenn man sich selbst mit Geschichte beschäftigt und Ereignisse recherchiert anstatt sich einfach berieseln zu lassen, entwickelt man ein ganz anderes Verständnis dafür und lernt auch Zusammenhänge zu erkennen", meint eine Schülerin der 8.B Klasse des Wasa-Gymnasiums in Wien. Ihre Klasse hatte als erste den von ihnen gewählten Monat, Oktober 1946, fertiggestellt. Auch der Geschichtslehrer Georg Cavallar der Vorreiterklasse sieht in der selbstständigen Erarbeitung von Geschichte "von unten" eine gute Abwechslung zum herkömmlichen Unterricht.

Dass das Projekt seine medienpädagogische Zielsetzung nicht verfehlt haben kann, beweist der kritische Umgang der Schüler des Wasa-Gymnasiums mit dem "Medienrummel", der rund um die Präsentation des Projekts kurzfristig entstanden war. Sowohl die Präsentation des Projekts im Jänner als auch die Berichterstattung darüber erschien manchen als nicht ganz den Tatsachen entsprechend. Mit Zeitungsoriginalen hätten sie nie gearbeitet und auch der Auftritt Stefan Karners bei der Pressekonferenz mit Care-Paketen, Marshallplansäcken und anderen zeitgeschichtlichen Materialien, die bei einer Sammelaktion für die Staatsvertrag-Ausstellung auf der Schallaburg zusammengetragen worden sind, stimmte die Schüler eher skeptisch: "Diese Dinge bekommt doch ein Normalsterblicher niemals in die Hand."

Info: www.oe2005.at

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