Geschichtsschrauber an der Grenze

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Die Errichtung von weiteren 73 zweisprachigen deutsch-slowenischen Ortstafeln in Südkärnten markiert in der Außensicht das Ende einer Staatsaffäre und aus der Innenbetrachtung den Anfang eines neuen europäischen Miteinanders. Ortstermin in Sitterdorf/Žitara vas.

Autofahrer, kommst du nach Sittersdorf … dann steht rechts die Ortstafel und links das Gemeindeamt - gleich vor dem Kreisverkehr. Staatstragend schaut anders aus. Am Nachmittag des 16. August 2011 wirkt die Szenerie ähnlich einem Etappenziel der Österreich-Radrundfahrt. "Fohr lei in die Wiesn“, sagt der freundliche Herr von der Freiwilligen Feuerwehr. Unterdessen harren schon gut zwei Hundertschaften auf dem heißen Parkplatzasphalt. Rednerpult und reservierte Reihen für Ehrengäste tauchen langsam in den Schatten, Volk schwitzt in praller Sonne oder unter der Bierzeltplane.

Hochsommer in Südkärnten. Etappenziel Žitara vas. 56 Jahre, drei Monate und zwei Tage nach Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags wird hier die zweite zweisprachige Ortstafel per neuem Gesetz aufgestellt. Ein historisches Ereignis. Doch die Adabeis werden schon weniger. Sie waren am Vormittag beim Festakt mit Sloweniens Ministerpräsident Borut Pahor im Wappensaal des Klagenfurter Landhauses - oder zumindest bei der Premiere in Bad Eisenkappel, an dessen Einfahrt jetzt auch Želesna Kapla steht. Mit etwas Verspätung. Deshalb muss Sittersdorf noch ein wenig auf sein Žitara vas warten. Das Spalier der Feuerwehr steht bereit. Die Chöre harren aus. Drei Querflötistinnen spielen Ragtime.

Blaue Verweigerer, roter Paulus

"Schau, A1“, staunt dann ein Bub, den sonst weder Mobilfunk noch Audi aus der Fassung bringen. Das müsste aber dann der Bundespräsident sein, orakelt der Vater. Doch Heinz Fischer hat das Volksgruppengesetz bereits vor drei Wochen in Wien unterzeichnet. Der Kanzler ist mit auffälligem Autokennzeichen in Kärnten. Werner Faymann, Nikolaus Berlakovich und Josef Ostermayer vertreten die Bundespolitik. Landeshauptmann Gerhard Dörfler widmet sich Hände schüttelnd den normalen Gästen. Namensgedächtnis inklusive.

Es lassen ihn einige im Stich an diesem Tag. Vor allem freiheitliche Parteikollegen. FPK-Obmann und Landeshauptmannstellvertreter Uwe Scheuch fehlt ebenso wie Landtagspräsident Josef Lobnig. Auch die blaue Ortsgruppe verweigert sich. Der rote Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Jakob Strauß dagegen ist zum Paulus geworden: Einst Gegner der zweisprachigen Ortstafeln, redet er nun vom frühen Christendorf und der späteren Türkenschanze hier bei Sittersdorf, wo noch ein Fünftel der 2000 Einwohner Slowenisch sprachig ist.

Kroatisch aus dem Burgenland

Unterdessen genießt Staatssekretär Josef Ostermayer sichtlich die Sympathie, die ihn als Mitschmied der Ortstafellösung empfängt, während sein burgenländischer Landsmann Minister Nikolaus Berlakovich mit einer zweisprachigen Rede nicht nur punktet: "Das war jetzt aber Kroatisch“, schwankt das Publikum zwischen Anerkennung und Entrüstung. "Die Karawankengrenze spiegelt die Geschichte Europas wider“, sagt Werner Faymann schon beim Festakt in Klagenfurt. Hier in Žitara vas ist sie nun spürbar zehn Kilometer nah. Der Zehn-Tage-Krieg vor Sloweniens Unabhängigkeit ist erst 20 Jahre vorbei.

Doch heute schrauben sie Geschichte. "Fest gemacht“ titelt am nächsten Tag doppeldeutig die Kleine Zeitung über ein Bild dieser Ortstafelbefestigung. Insgesamt 56 solch blau umrandete Schilder wird es geben, die restlichen 108 sind kleinere Bezeichnungen. 91 stehen längst auf Basis des Gesetzes von 1976 und infolge der Erkenntnisse des Verfassungsgerichthofes. Sittersdorf/Žitara vas ist die zweite von 73 Neuerrichtungen. Die Kärntner Tageszeitung feiert das zweisprachig und in umgekehrter Reihenfolge auf Seite 1: "Praznik - Feiertag“, die Kärntner Krone schlagzeilt im Inneren: "Samma ålle z’såmm Kärntner.“ Ansichtssache.

Bei Freibier und -Wurst beschwört jeder, dass endlich … und wie wichtig dies alles nun sei. Der Rat der Kärntner Slowenen lehnt das Volksgruppengesetz zwar ab. Doch Obmann Valentin Inzko lacht von jedem Bild. "Machen ja ohnehin alle die gleichen Fotos“, sagt der aus dem gemischtsprachigen St. Kanzian/Škocjan v Podjuni stammende ORF-Mann Eugen Freund schon vor der Ortstafelerrichtung mit Blick auf seine Nikon. Kein Makel soll den Konsens trüben. Politik und Medien üben Gesamtverantwortung. Auch die Grünen sind dabei.

Drei Kärntner, ein Chor

Erst später, im Sonnenuntergang auf dem Weinberg, der zentralen Erhebung von Sittersdorf/Žitara vas, wird leise Kritik hörbar. Dämmerschoppen bei der Familie Hren. Die Eltern Rosa und Karl betreiben seit zehn Jahren auch wieder Weinbau, wie er hier schon im Mittelalter urkundlich erwähnt wird. Acht Sorten, voll biologisch. Sohn Karl ist Politikwissenschaftler, war Geschäftsführer des slowenischen Wirtschaftsverbandes und arbeitet heute beim Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds. Da stößt noch Nanti Olip hinzu, Vizeobmann der Enotna Lista/Einheitsliste und als Inzko-Stellvertreter der operative Kopf des Rats. "Die steirischen Slowenen gibt es nicht mehr. Trotz Staatsvertrags.“, beklagt er über die Landesgrenze hinaus eine Schwäche des neuen Volksgruppengesetzes. Bevor er zum Live-Interview mit dem slowenischen Fernsehen hetzt, noch schnell ein Lied: "Kolkor kapljic tolko let“ steht an der Wand des Weinkellers. Die Gastgeber singen von vielen Tropfen und vielen Jahren. Drei Kärntner, ein Chor. Am nächsten Tag wallfahrten die Ortstafelerrichter auf den Hemmaberg, und Uwe Scheuch bleibt im Urlaub. In Kärnten.

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