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Mitten im August sorgte ein Gesetzesentwurf zur beschränkten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (pid) für Empörung. Inzwischen scheint die Regelung vom Tisch zu sein. Doch die ethischen Herausforderungen bleiben.

Einen Monat lang gingen die Wogen hoch. Nun ist Karin Gastinger (bzö) bemüht, sie zu glätten: "Die Justizministerin hat erreicht, dass die Präimplantationsdiagnostik aus dem Entwurf zur Gentechnikgesetz-Novelle herausgenommen wird", heißt es aus dem Palais Trautson. "Es geht ja nicht, so etwas über den Zaun zu brechen." Wie auch immer also der Text genau lauten wird, der am 20. September im Ministerrat zur Debatte steht: Regelungen zur genetischen Untersuchung von Embryonen vor ihrer Einpflanzung in die Gebärmutter werden wohl nicht enthalten sein. Und um ein Zeichen der neuen Dialogbereitschaft zu setzen, habe man für Donnerstag dieser Woche die verärgerten Behindertenverbände zum Round Table geladen. "Es hat hier eine grobe Missstimmung gegeben", lautet die Erkenntnis im Justizministerium. "Und man muss sagen: zu Recht."

Nur ein Missverständnis?

Der Ärger hat sich freilich vor allem gegen Gastingers Kollegin Maria Rauch-Kallat (vp) gerichtet: Mitten in der Sommerpause hatte die Gesundheitsministerin einen Entwurf zur Novelle des Gentechnikgesetzes in Begutachtung geschickt, in der auch die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (pid) in bestimmten Fällen erlaubt werden sollte. Exakt bis 20. August hatten Experten und Betroffene Zeit, Stellungnahmen abzugeben.

Die Empörung über den ministeriellen Schnellschuss folgte auf dem Fuß. Vor allem Lebensschutz- und Behindertenverbände kritisierten den Vorstoß im Sommerloch und warnten bei Zulassung der pid vor eugenischen Tendenzen und einer Diskriminierung behinderter Menschen. Auch wenn im Entwurf nur geplant ist, Embryonen hinsichtlich ihrer "Lebensfähigkeit" zu testen, um die Erfolgsrate bei künstlichen Befruchtungen zu erhöhen, so sei damit die Tendenz zur Selektion behinderter Menschen bereits grundgelegt.

Indes signalisiert man im Gesundheitsministerium Gesprächsbereitschaft - und glaubt, missverstanden worden zu sein. "Es ist uns nie darum gegangen, die Selektion behinderter Menschen zu erlauben, sondern nur darum, die ivf (In-Vitro-Fertilisation, Anm. d. Red.) zu verbessern und zu vereinfachen", erklärt Christoph Hörhan, Sprecher von Ministerin Rauch-Kallat, gegenüber der furche.

Dass der Entwurf ausgerechnet im August in Begutachtung geschickt wurde, sei keinesfalls politisches Kalkül gewesen, so Hörhan. "Das kam einfach damals aus einer Fachabteilung. Außerdem ist ein Gesetzesentwurf ja kein Gesetz, sondern nur ein Entwurf - und damit eine Einladung zur Diskussion." Angesichts der Aufregung habe man aber nun "jeglichen Druck herausgenommen" und wolle das Thema Präimplantationsdiagnostik "so weit wie möglich ausdiskutieren."

So lang die Debatten aber auch währen: Ein Konsens ist in dieser ethisch und juristisch umstrittenen Causa kaum zu erwarten. Auch die 19 Mitglieder der Bioethikkommission des Bundeskanzlers konnten sich - trotz intensivster Auseinandersetzungen - in ihrem Bericht zur Präimplantationsdiagnostik vom Juli 2004 nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen. Allein auf die Ablehnung genereller genetischer Screenings im Rahmen der In-Vitro-Fertilisation konnte man sich verständigen. Am Ende sprachen sich sieben Mitglieder - darunter der Philosoph und stellvertretende Kommissionsvorsitzende Günther Pöltner und der katholische Moraltheologe Günter Virt - dafür aus, die momentane Gesetzeslage beizubehalten. Zwar gibt es in Österreich derzeit keine ausdrückliche Regelung zur pid; laut Paragraph 9 Fortpflanzungsmedizingesetz können aber "entwicklungsfähige Zellen" insoweit untersucht und behandelt werden, als dies "zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist." Die Embryonen auf genetische Schäden abzutesten, die eine Einnistung in die Gebärmutter verhindern - und damit die Erfolgschancen der In-Vitro-Fertilisation verringern - oder die dazu führen, dass ein Kind während der Schwangerschaft oder unmittelbar nach der Geburt stirbt, sei also nach Ansicht der sieben Experten schon jetzt erlaubt.

Ihre elf Kommissionskolleginnen und -kollegen - darunter der Kommissionsvorsitzende Johannes Huber, der evangelische Theologe Ulrich Körtner und die Mikrobiologin Renée Schroeder - gingen freilich weiter: Sie wollten die pid auch jenen Paaren zugänglich machen, "die ein hohes Risiko aufweisen, ein Kind mit schwerer genetisch bedingter Erkrankung zu bekommen". Ihre Begründung: Da in Österreich die Pränataldiagnostik erlaubt ist, deren Konsequenzen (späterer Schwangerschaftsabbruch) noch problematischer seien, wäre es "inkonsistent und sachlich nicht gerechtfertigt, die pid generell zu verbieten".

"Respekt vor Ängsten"

Heute, gut ein Jahr nach Veröffentlichung dieses Berichts, ist der Kommissionsvorsitzende Johannes Huber freilich von seiner "persönlichen" Empfehlung abgerückt: Anders als seine Kollegen Ulrich Körtner und Christian Kopetzki, denen die Grenzen im Gesetzesentwurf "zu eng" gezogen sind und die verfassungsrechtliche Bedenken anmelden, könnte Huber im Sinne eines "gesellschaftlichen Konsenses" und des Respekts "vor den Ängsten der Behindertenverbänden und dem Dammbruchargument der Aktion Leben" durchaus mit diesem Gesetzestext leben. Auch der Moraltheologe Günter Virt wäre prinzipiell damit einverstanden - "wenn sichergestellt ist, dass keine weiteren Tests, etwa über das Vorhandensein eines Down-Syndroms, gemacht werden dürfen und das Fortpflanzungsmedizingesetz nicht geändert wird". Es dürften also auch weiterhin nur Paare zur In-Vitro-Fertilisation zugelassen werden, bei denen es auf Grund genetischer Schäden auf natürlichem Weg gar nicht zu einer Schwangerschaft kommen kann.

Auch wenn die Behinderten- und Lebensschutzverbände nach wie vor ein allgemeines Verbot des Gentests an Embryonen fordern: Zumindest innerhalb der Bioethikkommission schien der Gesetzestext zuletzt auf wachsende Zustimmung zu stoßen.

Für die Politik kommt diese Akzeptanz - nach der "groben Missstimmung" im Sommer - freilich zu spät: "Eine legistische Änderung zur pid", heißt es aus dem Justizministerium, "ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr geplant."

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