„Habe es nicht verschwiegen“

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Ältere Arbeitslose wollten nicht länger in Resignation und Armut verharren: Sie gründeteten vor über zehn Jahren den Verein „Arbeitslose helfen Arbeitlosen“ in Linz, um Betroffenen und sich selbst zu helfen.

Vor 14 Jahren änderte sich das Leben von Susanne Stockinger schlagartig: Die damals 45-jährige Linzerin wurde arbeitslos. Sie war zuvor 20 Jahre in einer Bank tätig gewesen, zuletzt bei der Kreditvergabe.

Was dann folgte, hätte sie sich niemals vorstellen können: Trotz guter Qualifikation blieb ihre Arbeitssuche erfolglos. „Zuerst kann man es nicht glauben, dass man seine Arbeit verloren hat. Dann kommt eine Phase, wo man aktiv ist und sich sagt: Ich kann etwas, ich schaffe das. Doch dann merkt man, es ist nicht so“, erzählt Stockinger. Mit der Arbeitslosigkeit kam die Armut. Dabei hat die Mutter von vier Kindern alles probiert: eine Karenzvertretung, Schulungen – sechs Jahre war sie arbeitslos, dann wurde ihr wegen schlechter Sehfähigkeit eine Berufsunfähigkeitspension bewilligt: 600 Euro. Dazu kommt eine Witwenpension von 400 Euro. „Ich habe eine typische Frauenkarriere durchlebt: mit Karenzzeiten, Teilzeit; erst die letzten sieben Jahre habe ich gut verdient“, erklärt sie die niedrige Pension.

„Typische Frauenkarriere“

Doch Stockinger wollte nicht resignieren. „Ich bin offensiv mit der Arbeitslosigkeit umgegangen. Ich habe es nicht verschwiegen.“ So wie andere – für die Susanne Stockinger Verständnis hat – die sich schämen, nicht darüber reden oder es schönfärben wollen, indem sie sagen: Dass ich jetzt meinen Job verloren habe, ist die Chance für einen Neuanfang.

Für viele wird es das Gegenteil. Stockinger kennt ältere Arbeitslose, die in eine Depression fallen, deren Beziehungen zerbrechen, die irgendwann nicht mehr aus dem Haus wollen, die alles probieren, Schulungen versuchen und letztlich auf ihre Pensionierung warten.

Doch diese Menschen sind zumindest in Linz nicht mehr allein gelassen. Während einer Kursmaßnahme des Arbeitsmarktservices (AMS) kam einigen älteren arbeitslosen Menschen, darunter Susanne Stockinger, die Idee, einen Verein zu gründen, um ihre Erfahrung anderen Betroffenen weiterzugeben und um gleichzeitig auch für sich eine neue Aufgabe zu schaffen. 1999 wurde der Verein „Arbeitslose helfen Arbeitslosen, AHA“ gegründet ( www.vereinaha.at). Die Stadt Linz stellt dem Verein ein Büro zur Verfügung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich. „Wir können mit den Betroffenen auf Augenhöhe reden, wir bieten Hilfe, wenn es etwa beim AMS Probleme gibt. Wir können die Arbeitslosen zum AMS begleiten und vermitteln. Manchmal ist das Gesprächsklima zwischen AMS-Mitarbeiter und Arbeitslosen schon so vergiftet“, erklärt Stockinger.

An die Politik hat sie vor allem eine Forderung: Wenn ein älterer Arbeitsloser trotz langer Bemühungen keine Stelle findet, sollte dieser Anspruch auf seine Pension haben. Stockinger betont, dass es freilich richtiger sei, Menschen so lange als möglich in Beschäftigung zu halten. Auf Unverständnis stößt Stockinger bei Unternehmen, wenn sie das Thema ältere Arbeitnehmer anspricht. Dann würden Unternehmer oder Personalchefs meist sagen, dass sie sehr wohl auch Ältere anstellen würden, wenn die Anforderungen passten. „Das stimmt aber nicht“, so Stockingers Erfahrung.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagt im Gespräch mit der FURCHE (siehe Seite 22): „Es ist klar, dass auch die Wirtschaft gefordert ist, ältere Menschen zu nehmen. Der Staat kann Druck machen, er kann versuchen, die Menschen mit Eingliederungsmaßnahmen zu unterstützen, und der Staat kann Menschen qualifizieren. Das tun wir. Es gehört aber ein Partner dazu: die Wirtschaft. Wir müssen noch mehr Druck auf die Unternehmen ausüben, damit diese bewusst sagen: Wir nehmen ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die haben Erfahrung.“

„Müssen mehr Druck ausüben““

Hundstorfer ist im Unterschied zu Susanne Stockinger überzeugt, dass eine gute Qualifizierung Älteren hilft, wieder einen Job zu finden: Die Regierung setze auf Qualifizieren, Schulen und Umschulen älterer Arbeitsloser. Es gebe zudem ein neues Einstiegsmodell „Aktion 4000“: Der Staat übernimmt zwei Drittel der Lohnkosten für zwölf Monate, wenn Langzeitarbeitslose in gemeindenahen, karitativen oder gemeinnützigen Projekten einsteigen können.

Stockinger hat jedoch Ähnliches probiert und geglaubt, den Fuß wieder drinnen zu haben und gezeigt zu haben, was sie kann. Doch dann war sie wieder ohne Job. Nun hat sie ihren eigenen geschaffen.

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