"Hallo Dienstmann!"

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Anruf genügt, Hilfe kommt sofort. Was in Amerika längst üblich ist, gibt es jetzt auch bei uns: Servicestellen für die Probleme des Alltags.

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Anruf genügt, Hilfe kommt sofort. Was in Amerika längst üblich ist, gibt es jetzt auch bei uns: Servicestellen für die Probleme des Alltags.

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Elephantus, elephanti. Villa, villae. Mater, matris. Mit diesen Worten beginnt so ziemlich jede erste Lateinstunde. Nach pater, campus und factum gelangt der Lehrer mit seinen Schülern im römischen Alltag auch zu servus, dem Sklaven. Überrascht über die Bedeutung dieses Wortes hören die Schüler ab diesem Moment meist auf, sich allmorgendlich mit "Servus" zu begrüßen. Da bevorzugen sie schon eher "Ciao" und "Tschüß". Wer läßt sich heutzutage schon gern als Sklave bezeichnen? Die Begrüßung "Servus" heben sie sich lieber innerlich lächelnd für die schlimmsten Feinde auf.

Mit der brutalen Sklaverei in alten Zeiten hat das Dienen aber schon lange nichts mehr zu tun. Vielmehr haben wir heute Angst davor, unseren Mitmenschen etwas Gutes zu tun und dabei "schlecht auszusteigen". Gedanken an Unterwerfung, Abhängigkeit, ja Prestigeverlust überschatten die Freude am Wohl des anderen. Diese Furcht kommt nicht zuletzt aus der Mißachtung von "Dienern" unseres Alltags. Ob das die Mütter sind, die sich das ganze Jahr - abgesehen vom Muttertag - ohne jede Anerkennung selbst motivieren müssen, oder die Hausfrauen, deren Arbeit viel zu selten goutiert wird: "Du bist die, die immer alles so sauber haben will. Mich stört der Dreck nicht." Jobs, wie Wäschewaschen, Zaunstreichen oder Staubwischen, die unseren freiwilligen Dienern (meist sind es ja Dienerinnen) nur allzu oft über den Kopf wachsen, werden allmählich als goldene Marktnische entdeckt.

Streicht der Schatten der Arbeitslosigkeit ums eigene Haus, dann findet man schnell wieder Lust am "Dienst für den Nächsten". So geschehen bei einem Pilotprojekt des Arbeitsmarktservice. Hinter der Firma "Home Service" verbirgt sich eine Gruppe von arbeitslosen Frauen, die als sogenannte "Haushaltsperlen" ihrer trostlosen beruflichen Situation entfliehen wollten. In vielen Haushalten gehört der Besuch dieser Dienstleisterinnen bereits zum Tagesgeschehen. Noch intensiver setzen auf diese Marktnische die sogenannten "Household-Organizer". Aus den USA kommend, wird die Ausbildung bereits in Dänemark und seit kurzem auch von professionellen Organisatoren in Deutschland angeboten. Um einen stolzen Preis von rund 800 Schilling in der Stunde bringt der "Household-Organizer" - meist weiblichen Geschlechts - das Eigenheim von Menschen in Schwung, die dafür keinen Sinn haben. Dabei geht es jedoch nicht um das Saubermachen der bewohnten vier Wände, sondern vielmehr um das Vermitteln des richtigen "Handlings". Das Ganze ist also eine Art Fortbildungsveranstaltung für gestreßte Arbeitskräfte, die zu Hause regelmäßig auf ein unüberwindbares Chaos treffen.

Die Leistung im Dienste des anderen als neuer Berufszweig: Was bisher meistens "unter Freunden" erledigt wurde, nimmt in letzter Zeit immer öfter professionelle Formen an.

Auch "Andy Arbeit" (gesprochen An-die-Arbeit) hat die "Dienstleistung" zu seinem beruflichen Motto erhoben. Eigentlich heißt der 34jährige Wiener ja Michael Smrz. Doch der richtige "Markenname" ist für das Bestehen am Markt unerläßlich. Nach einem unvollendeten Mathematikstudium entschloß sich Smrz für den Schritt zum "Dienstmann". "Mein Bruder hat mir erzählt, daß andere damit in Amerika schon große Erfolge hatten. Eine Freundin berichtete mir dann auch noch von ähnlichen Betrieben aus Taiwan", erinnert sich Smrz. Das hat ihn dann schließlich dazu animiert, sich selb-ständig zu machen und all das anzubieten, wofür man keinen Spezialisten braucht, was aber trotzdem benötigt wird - Hilfe bei den einfachen Problemchen des Alltags also.

Doch so leicht wie es rückblickend wirkt, war der Einstieg in die Dienstleistungsbranche nicht. Die Reaktion in der Wirtschaftskammer bei der Anfrage um einen Gewerbeschein war - wie sollte es in Österreich anders sein - vorerst negativ: "Wie soll denn so ein Gewerbeschein überhaupt heißen, mit dem man das machen kann?"

Doch nach einem weiteren Besuch, gemeinsam mit einem Unternehmensberater und dem Wirtschaftsförderungsinstitut, war der Schritt in die Selbständigkeit geschafft. Seit nunmehr einem dreiviertel Jahr besitzt Smrz einen Gewerbeschein für die Vermittlung von Dienstleistungen. Heute bekommt er im Schnitt mehr Aufträge, als er selbst erledigen kann. Fünf- bis siebenmal täglich läutet das Telefon des Klein- bis vor kurzem Einmannbetriebes. "Ich mache sehr viel selbst", erklärt "Andy Arbeit". "Was alleine nicht mehr zu schaffen ist, gebe ich an Studenten weiter." In diesen Fällen stellt Smrz dann selbst die Rechnung und kassiert eine Vermittlungsprovision.

Alt, krank oder schwer beschäftigt. Das sind die drei vorrangigen Gründe, weshalb seine Kunden nach Hilfe rufen. "Fast jeder Tag bringt Aufträge, die ich vorher noch nie gehabt hab'", beschreibt der "Dienstmann" seinen abwechslungsreichen Job. "Machen Sie auch das?", fragen seine Kunden, und Smrz eilt bereits herbei. Ein Einbauschrank zur Selbstmontage zählt ebenso zu seinen Aufgaben, wie ein ungemähter Rasen. Wenn es jedoch darum geht, fünf Tonnen Kartons in den fünften Stock zu befördern, dann ruft "Andy Arbeit" nach seinen Helfern. Aber auch das ist zu schaffen. Für seine Dienste kassiert er zwischen 150 und 180 Schilling in der Stunde.

Bei Extremfällen, wie dem zuvorgenannten Kartonauftrag wird extra verhandelt. Seine Kunden sind gerne bereit, diesen finanziellen Beitrag zu leisten, stehen sie doch meist vor für sie unlösbaren Problemen. So weiß Michael Smrz von einem besonderen Einsatz zu berichten. "Eine Frau hatte einmal Angst, daß die Batterie ihres Autos kaputt geht, wenn sie nicht genug fährt." Wegen einer gebrochenen Hand sei ihr das aber nicht möglich gewesen. "Also bin ich ein paar Runden mit ihrem Wagen gefahren, und sie war wieder beruhigt." "Andy Arbeit" führt eben ein berufliches Leben in der Selbständigkeit, bei dem der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind.

Für ihn wurde "dienen" ebenso zum Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit wie für die "Haushaltsperlen" von "Home Service" oder die sogenannten "Household-Organizer". Sie alle haben die Lösung der Sorgen und Probleme der Mitmenschen zur persönlichen Herausforderung und Aufgabe gemacht. Traditionelle Dienstleistungen sind dabei der Grundstock für neue Möglichkeiten und Ideen in dieser Zukunftsbranche.

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