Hausgeburts-Mütter: stark oder egoistisch?

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Die Co-Autorin eines neuen Buches zur Hausgeburt, Caroline Oblassser, der Geburtshelfer und Ärztliche Direktor der Privatklinik Döbling, Christian Kainz, und die Hausgeburtshebamme Regina Zsivkovits diskutieren über Für und Wider von Hausgeburten in einem Geburtshilfesystem mit steigender Kaiserschnittrate. Das Gespräch moderierte Regine Bogensberger • Foto: Elke Mayr

Stolze Mütter über die Kunst des Gebärens in den eigenen vier Wänden“ – so lautet eine Unterzeile in Caroline Oblassers Buch „Luxus Privatgeburt“. Eine Provokation für Frauen, die im Krankenhaus entbunden haben?

Die Furche: Frau Oblasser, Ihr neues Buch ist klar ein Plädoyer. Sehen Sie die Hausgeburt als die wahre Art zu gebären, die Hausgeburtsmütter als die stärkeren Frauen?

Caroline Oblasser: Ich will die Klinikfrauen nicht schlecht machen. Die gehen da auch mit bestem Wissen und Gewissen hin, so wie ich es auch bei meiner ersten Geburt gemacht habe. Viele lernen daraus. Einige machen es von Haus aus anders, weil es einfach das Natürlichste ist. Dass die Hausgeburtsmütter stark sind, ist im Buch gut zu erkennen. Ich vergleiche sie gerne mit Rennpferden, die ihr Ziel verfolgen und in den meisten Fällen auch erreichen. Mir ging es ähnlich: Meine Hausgeburt war eine richtige Bestätigung: Du schaffst es allein. Du bist dafür geboren, um zu gebären!

Die Furche: Es scheint eine starke Ideologie und Idealisierung der Hausgeburt dahinterzustecken …

Oblasser: Nein, wir wollen die Realität abbilden. Wir wollten keine Ideologie-Diskussion lostreten, von wegen Glaubensfrage Hausgeburt ja oder nein. Wir wollten den Frauen einfach aufzeigen, was möglich ist.

Die Furche: Prof. Kainz, man könnte provokant fragen: Sind Hausgeburtsmütter egoistisch? Sie wollen unbedingt daheim gebären, trotz Risiken?

Christian Kainz: Ich glaube, es ist eine bestimmte Gruppe von Frauen, die aus persönlichen Gründen heraus – die noch nicht aufgearbeitet wurden, die in der Kindheit oder in der eigenen Geburt begründet liegen – das Bedürfnis verspüren, das alles selbst zu schaffen. Die das als Selbstbestätigung brauchen. Aber unsere Geburtshilfe entspricht nicht mehr dieser Schwarz-Weiß Malerei: Hier jene Frauen, die nur zum Arzt gehen, dort die anderen, die ohne oder nur mit Hebamme entbinden wollen. Es gibt doch ein großes Spektrum dazwischen. Ich spreche mit vielen Frauen, die ziehen aus der Geburt nicht eine solche Bestätigung für ihre Persönlichkeit. Ich würde nicht sagen, dass Hausgeburtsmütter stärker sind.

Die Furche: Ihr Urteil über das Buch?

Kainz: Ich glaube nicht, dass es die Realität abbildet. Es meldeten sich wahrscheinlich jene, die gute Erfahrungen gemacht haben. Es ist aber eine schöne Sammlung, wie Hausgeburten ablaufen können.

Oblasser: Unser Buch bildet sehr wohl die Realität ab. Wir haben niemanden ausgeschlossen. Es sind auch abgebrochene Hausgeburten dabei. Ich wollte das ganze Spektrum: Hausgeburten nach Sectio, bei Zwillingen, bei Beckenendlage usw. Es waren nicht alle im Buch ganz zufrieden, aber die allermeisten

Die Furche: Frau Zsivkovits, für Sie ist es vermutlich das Buch, auf das Sie lange gewartet haben?

Regina Zsivkovits: Ja, endlich eines, wo Frauen über ihre Geburten sprechen. Es ist sicher hilfreich. Es wird die Frauen-Seite aufgezeigt, die große Ansprüche an die Hebammen stellen, die auch zu viel sind. Zum Beispiel schreiben Frauen, dass die Hebammen Teil der Familie werden. Ich betreue 25 Hausgeburten pro Jahr, seit 20 Jahren. Aber Teil der Familie zu werden, wäre mir zu viel.

Die Furche: Die Frauen haben zu hohe Erwartungen?

Zsivkovits: Ein bisschen schon. Aber ich bin sehr froh über das Buch. Es wird deutlich: Die Hausgeburt ist eine legale Möglichkeit. Das ist oft in der Öffentlichkeit nicht klar.

Die Furche: Das große Thema der Hausgeburt ist Sicherheit. Studien zeigten auf, dass bei problemlosen Schwangerschaften eine Hausgeburt gleich sicher ist wie eine Klinikgeburt. Sie haben in Ihrem Buch Hausgeburten nach Kaiserschnitt oder bei Beckenendlage. Ihr „Hebammenzentrum“, Frau Zsivkovits, sagt klar, dass in solchen Fällen keine Hausgeburt gemacht werden soll.

Zsivkovits: Das wäre illegal. Das ist auch unsere Linie.

Die Furche: Haben Sie, Frau Oblasser, bzw. Ihre Hebamme etwas Ungesetzliches getan?

Oblasser: Nein, weil ich mir als Frau von keinem Gesetz dieser Welt vorschreiben lasse, wo ich mein Kind gebäre. Zumal ich beim ersten Kind dem System treu gefolgt bin. Ich bin mit eigenem Arzt und Beleghebamme in die Privatklinik gegangen – und bin am OP-Tisch gelandet. Nicht weil der Arzt nicht kompetent gewesen wäre, nein, sondern weil ich mich als Frau dort nicht öffnen kann. Bei der zweiten Geburt wollte ich völlig ungestört sein. Eine erfahrene Hebamme, die auch Ärztin ist, hat mich begleitet. Zuhause ist der beste Ort zu gebären. Stellen Sie sich vor, Sie wollen groß aufs Klo gehen und die Tür hat ein Guckloch. Da möchte ich sehen, wie viele noch einen unproblematischen Stuhlgang haben. Es ist daher die beste Gelegenheit, einmal über diese Gesetze zu diskutieren, auch darüber, warum nur Ärzte Mutter-Kind-Pass Untersuchungen machen dürfen, nicht aber Hebammen.

Die Furche: Herr Kainz, Hausgeburt nach Sectio oder bei Beckenendlage – ist das für Sie fahrlässig?

Kainz: Wir haben heute im Gesundheitssystem eine höhere Autonomie als früher. Wir schreiben unseren Müttern nichts vor. Ich habe daher nichts dagegen, wenn jemand auch nach einem Kaiserschnitt eine Hausgeburt macht. Aber die Frau muss sich im Klaren sein, welches Risiko sie damit für sich und das Kind eingeht.

Die Furche: Also nicht fahrlässig?

Kainz: Nein. Es gab einen Fall in Oberösterreich. Die Frau wollte nach einem Kaiserschnitt vaginal entbinden – im Spital. Die Narbe ist gerissen, die Frau verblutet. Nun klagen die Hinterbliebenen, sie seien nicht gut aufgeklärt worden. In diesem Problembereich bewegen wir uns.

Die Furche: Sie meinen den enormen forensischen Druck?

Zsivkovits: Den haben wir auch. In der Hausgeburtshilfe steht man mit einem Fuß im Kriminal. Ich arbeite 20 Jahre in dem Bereich, ohne dass etwas passiert ist.

Die Furche: Warum?

Zsivkovits: Ich sehe die Frauen fünf- bis achtmal während der Schwangerschaft. Das ist qualitätssichernd. Ich breche auch rechtzeitig ab.

Die Furche: Die Kaiserschnittrate ist erneut gestiegen, sie liegt derzeit bei 28 Prozent. Warum?

Kainz: Das sind gesellschaftliche Entwicklungen. Ich glaube nicht, dass das von Ärzten forciert wird.

Die Furche: Wie hoch ist die Sectio-Rate in Ihrem Spital?

Kainz: Sie liegt bei 40 Prozent.

Die Furche: Warum so hoch?

Kainz: Die Hälfte von diesen sind geplante Kaiserschnitte. Diese Frauen wollen das genauso wie andere eine Hausgeburt wollen. Hausgeburtsmütter sind eine kleine Gruppe von Frauen, die wird es weiterhin geben. Vielleicht wird das Buch mehr Frauen auf die Idee bringen, das fände ich gut. Was ich nur falsch finde, ist, dass man den Frauen, die das nicht tun, sagt, ihr seid nicht so mutig.

Zsivkovits: Eine große Rolle spielt die Beratung der Ärzte bezüglich der Ängste der Frauen. Es ist zeitaufwendiger, sich mit den Ängsten der Frauen auseinanderzusetzen und die Frauen wieder zu ihrer Körperlichkeit zurückzuführen. Dabei ist der Faktor Zeit in der Geburtshilfe entscheidend. Die Geburtshilfe ist zu schnell geworden. Ich habe das Gefühl, wir in der Hausgeburtshilfe sind die einzigen, die noch eine normale physiologische Geburt sehen, so zusagen als letzte Neandertaler, die das sehen und weitergeben.

Oblasser: Zum Thema Angst wollte ich auf mein Kaiserschnittbuch verweisen: Sogar Geburtshelfer führen Angst als häufigsten Grund für Kaiserschnitte ohne medizinische Indikation an. Wenn eine verängstigte Frau zum Gynäkologen kommt, der unter forensischem Druck steht, dann schaukelt sich das hoch. Ich finde es auch gefährlich, wenn Sie in Ihrer Klinik die schmerzfreie Geburt bewerben. Wir sagen klar, schmerzfrei wird es nicht gehen. Aber dann, wenn das Kind da ist, kommt die Erlösung, dieses unglaubliche Glücksgefühl, das man nachher empfindet, entlohnt einen für alles.

Die Furche: Sehen Sie sich nicht auch als Missionarin?

Oblasser: Nein, als Vermittlerin. Ich bin stolz, dass ich einige Mütter an eine Hebamme vermitteln konnte, die dann eine glückliche Hausgeburt hatten. Ich finde, die Unversehrtheit der Mutter muss bei den Leitlinien der Kliniken an oberster Stelle stehen, die Frauen dürfen sich wieder was wert sein. Ich habe mir bei der zweiten Geburt gesagt: Ich stehe an erster Stelle und dann kommt das Kind.

Kainz: Mit „schmerzfreier Geburt“ ist die Epiduralanästhesie gemeint: Sie wird niemandem aufgedrängt. Andererseits würde ich zu keiner Frau sagen, sie ist wehleidig oder ihr entgeht ein Geburtserlebnis, wenn sie Angst vor Schmerzen hat. Wir sollen akzeptieren, dass es ein großes Spektrum an unterschiedlichen Persönlichkeiten gibt. Ich bin dagegen, Frauen zu bevormunden.

Die Furche: Wie soll sich die Geburtshilfe weiterentwickeln?

Kainz: Die Zukunft wird, wie gesagt, ein breites Spektrum von Wünschen und Bedürfnissen sein.

Die Furche: Als Privatklinik sind Sie ja geradezu das Feindbild von Hausgeburtsmüttern. Zu Unrecht?

Kainz: Das sehe ich nicht so. Wir als Privatklinik bieten etwas aus dem Spektrum zwischen Schwerpunktspitälern wie dem AKH und Hausgeburten. Auch bei uns gibt es sozusagen Hausgeburten in der Klinik, nur von Hebammen betreute Geburten.

Oblasser: Das sind immer noch Krankenhausgeburten. Es geht auch um das Finanzielle: Eine Hausgeburtshebamme kriegt 200 Euro netto für eine Geburt, obwohl sie immer rufbereit sein muss und die ganze Verantwortung trägt. Eine Frau, die so viel leistet, muss anständig entlohnt werden.

Zsivkovits: Ich wünsche mir, dass unsere Arbeit akzeptiert wird. Es ist eine sichere und legale Arbeit. Im Hebammengesetz steht drinnen, dass wir für die normale Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zuständig sind. Vom Gesetz her wäre das so vorgesehen, von der Sozialversicherung aber nicht. Wären Hebammen in der Schwangeren-Betreuung mehr eingebunden, würde die Geburtshilfe anders aussehen.

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