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Die Misteltherapie hat sich - neben der Homöopathie - zur Linderung von Nebenwirkungen im Rahmen konventioneller Krebstherapien bewährt.

Wenn Matthias Rath vor seine Jünger tritt, fühlt er sich als neuer Kopernikus: "Die Erde ist keine Scheibe - und Krebs ist kein Todesurteil!", predigt Rath und projiziert ein Riesen-Schaubild an die Wand. Erst im Februar ging der selbst ernannte deutsche Wunderheiler auch in Wien auf Rattenfang. Durch seine "Zell-Vitaltherapie" und die Gabe hoch dosierter Vitamine sei es ihm gelungen, so Rath, den an Knochenkrebs erkrankten Buben Dominik - natürlich - zu heilen.

Eine Methode, die für arrivierte Mediziner nichts anderes ist als Geschäftemacherei. "Ob diese Form der hochdosierten Vitamintherapie einen Effekt hat, ist bis heute nicht nachgewiesen", erklärt der Leiter der Ambulanz für Komplementärmedizin für Krebserkrankungen im Wiener AKH, Leo Auerbach.

Das Auftauchen von "Krebswunderheilern" à la Rath ist nicht neu. So hatte vor neun Jahren der "Fall Olivia" für Aufsehen gesorgt: Der Mediziner Ryke Geerd Hamer hatte das sechsjährige Mädchen gemeinsam mit den Eltern entführt und behauptet, seine Krebserkrankung durch Selbstheilung zum Verschwinden zu bringen.

Spreu oder Weizen?

"Diese Debatte war für uns 1995 der Auslöser, die erste komplementärmedizinische Ambulanz für Krebserkrankungen an der Wiener medizinischen Universität zu gründen, um seriöse Informationen anzubieten und wissenschaftliche Studien über die Wirksamkeit dieser noch nicht etablierten Methoden zu initiieren", erinnert sich Ambulanz-Leiter Auerbach. Beraten werden alle Krebspatienten, die komplementär, also zusätzlich zur "schulmedizinischen" Behandlung mittels Chemotherapie, Strahlentherapie oder operativer Tumor-Entfernung, selbst etwas für ihre Heilung tun wollen; jährlich sind das zwischen 800 und 1.000 Patientinnen und Patienten. Einen Bedarf an Orientierung gibt es allemal: Immerhin werden weltweit an die 3.000 verschiedene komplementärmedizinische Methoden angeboten.

Eine der am besten erforschten und schon lange bekannten additiven Therapien in Europa ist die Misteltherapie. Die Inhaltsstoffe dieser Schmarotzer-Pflanze stimulieren das Immunsystem und verbessern die Lebensqualität während und nach der "schulmedizinischen" Therapie. Entdeckt wurde die therapeutische Kraft der Mistel um 1920 von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie - einem Lehrgebäude mit einer Mischung verschiedener Diagnose- und Therapieverfahren und eigenständigen Ideen Steiners. Die Mistel (Viscum album) müsse laut Steiner "auf Grund ihres Aussehens, ihrer Vitalität und Wuchses gegen den Krebs wirksam sein". Heute gehen Onkologen davon aus, dass Mistelextrakte zwar keine Lebensverlängerung, jedoch - bei soliden Tumoren wie etwa bei Brustkrebs - durchaus eine Verbesserung der Lebensqualität bewirken.

Eine weitere komplementärmedizinische Methode bei Krebserkrankungen ist die Homöopathie. Erst im März dieses Jahres öffnete an der Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin I - auf Initiative des Vorstands Christoph Zielinski - die "Spezialambulanz Homöopathie bei malignen Erkrankungen" ihre Pforten. "Wir behandeln additiv Personen mit Brusttumoren, Lungenkarzinomen, Karzinomen im Magen-Darmtrakt oder Prostatakarzinomen, die natürlich auch eine konventionelle Tumortherapie erhalten", erklärt der Internist und Ambulanz-Leiter Michael Frass.

Seit 25 Jahren beschäftigt sich Frass, zudem auch Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Homöopathie in Graz, mit der Lehre Hahnemanns. Sein Ziel ist es, mit Hilfe der klassischen Homöopathie die Nebenwirkungen der Chemo- oder Strahlentherapie wie Übelkeit oder Hautveränderungen zu lindern. "Darüber hinaus bemühen wir uns, alte Erkrankungen des Patienten zu heilen und sein Immunsystem zu stärken", erklärt Frass.

Strahlen und Globuli

Auch sein Kollege Otto Schlappack von der Uniklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie vertraut auf homöopathische Mittel. Schlappack schwört seit einer positiven Selbsterfahrung auf die Wirkung der Globuli - und behandelt nun Strahlenpatienten zusätzlich mit klassischer Homöopathie. Der Erfolg der Therapie "steht und fällt" mit dem Anamnese-Gespräch, erklärt Schlappack, der sich am indischen Homöopathen Sankaran orientiert: "Ich bin davon abgegangen, eine Arznei zu suchen, die dem Symptom ähnlich ist, sondern ich suche eine Arznei, die der Person als ganzes ähnlich ist - dann bessert sich auch das Symptom."

Die Methode zeitigt Erfolge: Von 100 behandelten Patienten wurden immerhin bei 80 merkliche Besserungen der Nebenwirkungen festgestellt. Dass die Wirkweise der Homöopathie nach wie vor umstritten ist, stört den Strahlentherapeuten nicht: "Auch bei der Bestrahlung von Tumoren weiß man nicht genau, was sich hier molekular abspielt. Aber als Arzt zählt für mich, dass es wirkt."

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