Heimholung der Ausgeklinkten

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Die digitale Kluft zwischen den Staaten des Nordens und des Südens nimmt stetig zu. Gleichzeitig steigt die Verwirrung darüber, was Qualität im World Wide Web eigentlich bedeutet.

Was haben Singapur, Island, Finnland, Dänemark und die usa gemeinsam? Ein angenehmes Klima - zumindest was den Umgang mit Information betrifft. Zum vierten Mal hat das Weltwirtschaftsforum in Genf über 100 Staaten hinsichtlich des Einflusses der Informations- und Kommunikationstechnologien (ict) auf die volkswirtschaftliche Entwicklung überprüft. Im März lag schließlich das neue Ranking vor: Demnach hat Singapur die usa als das Land abgelöst, das die neuen Technologien am wirksamsten und erfolgreichsten nutzt. Für die Vereinigten Staaten blieb nur der fünfte Platz, hinter den anderen genannten Ländern. Österreich konnte sich von Platz 21 auf Platz 19 leicht verbessern.

So heftig das Gerangel an der Ranking-Spitze war, so fix vergeben sind die letzten Ränge: Seit ehedem sind es die afrikanischen Länder, die mangels Infrastruktur am wenigsten von den neuen Technologien profitieren. "Digital divide" ("digitale Kluft") lautet seit etwa 1996 der Fachbegriff für diese schreiende Ungerechtigkeit. Ein denkbar junges Phänomen also - und doch ist ihm bereits ein Vatikan-Dokument gewidmet: "Ethik im Internet" heißt die Schrift, die im Februar 2002 vom Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel veröffentlicht wurde. "Es ist unbedingt nötig, dass die Kluft zwischen den Nutznießern der neuen Informationsmedien und -technologien und jenen, die noch keinen Zugang zu ihnen haben, nicht zu einer weiteren ständigen Quelle von Ungerechtigkeit und Diskriminierung wird"', heißt es in diesem Papier, das an dieser Stelle wiederum aus der Botschaft Johannes Pauls II. zum 31. Weltkommunikationstag im Jahr 1997 zitiert.

Später Brückenschlag

Tatsächlich hat es sich die uno zum Ziel gesetzt, die digitale Kluft zu überbrücken - wenn auch reichlich spät: Es war im Dezember 2003, als sie erstmals nach Genf zum "Weltgipfel der Informationsgesellschaft" (wsis - World Summit on the Information Society) lud. Die Ziele der hunderten Delegierten waren ambitioniert: Bis zum Jahr 2015 sollten weltweit alle Dörfer, Universitäten, Schulen, Gesundheitszentren und öffentlichen Verwaltungen ans Internet angeschlossen sein. Doch es blieb beim frommen Wunsch. Schließlich war die Gretchenfrage dieses Planes, jene nach der Finanzierung, ungeklärt. Sie wurde auf die zweite Phase des Weltgipfels verschoben, die im November dieses Jahres in Tunis über die Bühne geht. Auch der Vorschlag Senegals, einen digitalen Solidaritätsfonds zu schaffen, um den Ärmsten den Zugang zu den Informations- und Kommunikationstechnologien zu ermöglichen, lief ins Leere - die Staaten des Nordens verweigerten jegliches konkrete Engagement. "Für einen Erfolg benötigt man aber den politischen Einsatz von Regierungschefs", betonte Yoshio Utsumi, Generalsekretär der Internationalen Telekommunikations-Union (itu), vergangenen Februar bei der Genfer Vorbereitungskonferenz zum Weltinformationsgipfel in Tunis. Sonst bleibe es bei zahnlosen Willensbekundungen.

Zahnloser Papiertiger?

Für Peter A. Bruck ein unerträglicher Gedanke - zumal bei den Entscheidungsträgern auch das Wissen um die Schätze des Internets oft bescheiden ist: "Da sitzen dann 50.000 oder mehr mit 450.000 Journalisten in riesigen Konferenzsälen und machen riesige Deklarationen zu riesigen Themen. Doch die haben keine Ahnung", ärgert sich der Gesamtleiter der Research Studios Austria von Seibersdorf Research (siehe nächste Seite). Entsprechend groß ist Brucks Bemühen, Best-Practice-Modelle vor den Vorhang zu holen. 1998 hat er zu diesem Zweck den österreichischen "Staatspreis für Multimedia und e-business" initiiert, der später als "Europrix" auch auf die europäische Ebene transferiert wurde. Schließlich hob er 2003 den "World Summit Award" aus der Taufe, der die besten Beispiele zu e-content und Kreativität prämieren soll. 136 Länder nahmen daran teil. Heuer hat sich die Zahl auf 168 erhöht. "Das ist die ganze un-Familie", freut sich Bruck.

Um in Österreich das Bewusstsein sowohl für hochqualitative elektronische Inhalte als auch für die digitale Kluft zu erhöhen, findet von 2. bis 3. Juni in Wien eine Vorbereitungskonferenz zum Weltgipfel in Tunis statt. "ict & Creativity" lautet der Titel der Tagung, in der 300 Expertinnen und Experten aus 35 Ländern an der Verabschiedung einer "Wiener Erklärung" mitarbeiten sollen. Sie wird dann im November beim un-Gipfel in Tunis als Beitrag Österreichs von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel verlesen. "Und die Vereinten Nationen", hofft Peter Bruck, "sind unser Megaphon."

ICT & Creativity

Vorbereitungskonferenz für den UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft. 2. und 3. Juni, Palais Niederösterreich, 1010 Wien, Herrengasse 13.

Infos unter www.wsa-conference.org

Internet, Handy und Co. sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Doch während wir die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien dankbar nutzen (oder uns darin verlieren), bleibt vielen Ländern des Südens der Zugang verwehrt. Ein Problem, dessen sich im November der UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in Tunis annehmen wird. Die dieswöchige Wiener Vorbereitungskonferenz wird indes versuchen, das kreative Potenzial der neuen Technologien auszuloten.

Redaktionelle Gestaltung:

Doris Helmberger, Rudolf Mitlöhner.

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