Heißes Bad zwischen Gletscher und Geysir

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Feuer, Eis und Wasser sind die bestimmenden Elemente auf Europas westlichster Insel am Polarkreis, Island. Eine grandiose Naturkulisse erwartet den Besucher in jeder Jahreszeit.

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Feuer, Eis und Wasser sind die bestimmenden Elemente auf Europas westlichster Insel am Polarkreis, Island. Eine grandiose Naturkulisse erwartet den Besucher in jeder Jahreszeit.

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Edna Halldorsdottir ist eine "lifeguard", eine Rettungsschwimmerin. Sie trägt Snowboots und Anorak, eine graue Wollmütze über den Ohren und Fäustlinge. In ihrem ungewöhnlichen outfit steht sie am Rand der Lagune und paßt auf, daß niemand ertrinkt. Was anderswo auffällig wäre, ist in Island normal. Schließlich ist es in "Iceland" auch im Sommer eher kalt, die "hot pots", die Thermalbäder, aber auch im Herbst und Winter angenehm warm.

Wasser ist Island beherrschendes Element. Das kochend heiße Wasser der unzähligen Quellen, das gefrorene Wasser von Europas größtem Gletscher, dem Vatnajöküll, die donnernden Wasser der imposanten Wasserfälle Gulfoss, Skogarfoss und Dettifoss, die vielen "hot pots", die Thermalbäder, natürlich die aufbrausenden Wasser der Geysire und letztlich der unvermeidliche Regen, der manchen Islandurlaub etwas verwässert.

Quartiere sind rar Dunkle graue Regenwolken sind auch der erste Eindruck, als wir am Flughafen Keflavik landen. Unser Mietauto steht schon bereit. Die Hauptstadt Rejkjavik lassen wir links liegen und fahren auf der "Nummer 1", der Nationalstraße, rund um die Insel. Nach etwa 100 Kilometer zweigen wir bei Selfoss nach Laugarvatn ab. Im kleinen gleichnamigen Ort haben wir im Hotel Edda (einer Hauswirtschaftsschule) ein Doppelzimmer bestellt. Das ist auch gut so, denn Unterkünfte sind im kurzen isländischen Sommer rar. Der Laugarvatn, der Warme-Quellen-See, ist mit angenehmen 20 Grad, stellenweise auch mehr, Islands wärmster See. Ein kleines natürliches Schwefeldampfbad am Strand ist die örtliche Touristenattraktion. Die heißen Quellen sind Islands Bodenschätze. 85 Prozent aller Häuser und Fabriken werden mit geothermaler Energie geheizt und doch liegen noch 90 Prozent aller Energie, die aus Flüssen und Quellen gewonnen werden könnte, noch brach.

Der Laugarvatn ist ein idealer Ausgangspunkt zu Islands größtem Naturwunder: dem Strokkur, dem bis zu 20 Meter hohen Geysir. Im Gegensatz zum Großen Geysir, der nur sehr unregelmäßig ausbricht, ist das "Butterfass", wie "Strokkur" heißt, verläßlich und absolut pünktlich. Alle fünf bis sieben Minuten schießt eine gewaltige Wasserfontäne empor. Man soll sich Zeit nehmen, um alle Phasen der Eruption zu erleben. Lange Minuten brodelt und zischt es nur. Kleine weiße Dampfwolken wabern, leichter Schwefelgeruch zieht umher. Dann, Sekunden vor dem Ausbruch, bildet sich über dem etwa zwei Meter großen Schacht eine Wasserglocke, die in allen Farben, von türkisblau bis leuchtendrot, schillert. Und plötzlich schießt eine Wasserföntäne, eine Gischt aus Wasser und Dampf 20, 25 Meter in die Höhe. Wer jetzt auf der falschen (Wind-)Seite steht, nimmt ein heißes Dampfbad. Ein, meist zwei kleine "Nachbeben" folgen noch, dann ist wieder Ruhe. Bis sich nur Minuten später wieder die Wasserglocke füllt. Ein Naturschauspiel, dem man stundenlang zusehen kann.

Vom Strokkur sind es nur weniger Kilometer zum Gullfoss, dem goldenen Wasserfall. Für viele ist er der schönste Wasserfalls Islands, vor allem wenn er in der Abendsonne glänzt. Über zwei Stufen donnern die Wassermassen der Hvita vom Gletscher Langjoküll 32 Meter in die Tiefe. Durch den leichten Spühregen des Wasserfalls führt uns ein kurzer Weg zu den zwei beeindruckenden Kaskaden. Der Gullfoss fasziniert aber nicht nur im Sommer, sondern ist - wie ganz Island - auch im Winter sehr reizvoll, wenn seine Gischt zu monumentalen Eisgebilden gefriert.

Die isländischen Sommer sind mit durchschnittlich zehn Grad zwar etwas unterkühlt, die Winter aber dank des Golfstroms zumindest an der Südküste mit einem Grad nicht wirklich kalt. Nordlichter verkürzen die langen Winternächte (die Insel liegt schließlich knapp am Polarkreis) und die Reiseangebote sind viel günstiger.

Mietautos sind sehr teuer. Wer kein Pauschalangebot - etwa Flug mit Icelandair ab München und Hertz-Mietwagen für drei Tage zirka 6.300 Schilling, für sieben Tage 7.500 Schilling - hat, muß mit 950 bis 1.500 Schilling rechnen. Pro Tag, nicht pro Woche!

Edda-Hotels gibt es im ganzen Land, eine Übernachtung kommt pro Doppelzimmer auf etwa 490 isländische Kronen (etwa 880 Schilling). Günstiger sind nur die Schlafsackquartiere. Frühstück ist extra und Vorsicht beim Abendessen: Fast 900 Schilling (!) für zwei Menü ist nicht gerade preiswert.

Eisberge vorm Haus Auf der Nummer 1 erreichen wir über Skogar den kleinen Ort Vik, den südlichsten Punkt Islands. Im Juli und August brüten in den schmalen Nischen der Basaltfelsen die ulkigen Papageientaucher. Mit ihrem schwarz-weißen Gefieder ähneln sie fast Pinguinen, wäre da nicht der bunte Schnabel, rot, gelb und blau, und die drolligen, treuherzigen Augen. In Vik können wir auch wieder einmal tanken. Denn Vorsicht - Island ist mit 103.000 Quadratkilometern etwas größer als Österreich, hat aber nur 265.000 Einwohner, von denen noch dazu mehr als die Hälfte im Raum Reykjavik leben.

Wer noch Zeit hat, erreicht 100 Kilometer östlich von Vik den Vatnajökull, mit 8.300 Quadratkilometer der größte Gletscher Österreichs (größer als das ganze Land Salzburg). Die Gletscherzunge reicht fast bis ans Meer, am nahen Gletschersee schwimmen unzählige Eisberge. Ein grandiose Kulisse. Bei einer Bootsfahrt kann man etwas Titanic-Stimmung einfangen.

Wir übernachten im Edda-Hotel Skogar, direkt neben dem Skogafoss. Vor dem mächtigen Wasserfall haben zwei Camper ihr Zelt aufgeschlagen. Schöner kann man nicht nächtigen. Über die Klippen der alten Küstenlinie donnern die mächtigen Wasser des Skogafoss wie ein überdimensionaler fließender Vorhang 60 Meter in die Tiefe. Näher und besser kann man keinen Wasserfall sehen.

Von Skogar kehren wir über Selfoss zum Laugarvatn und weiter zum Pingvallavatn zurück. Pingvellier ist das Symbol isländischer Geschichte. Hier trafen sich 930 die freien Männer Islands zum ersten Parlament (Althing), hier wurde 1944 die Republik ausgerufen.

Beeindruckender als Kirche und fünfgiebeliger Hof ist aber die Almannagja, die Allmännerschlucht, wo zwei Dehnungsspalten der Erdkruste aufeinandertreffen. Man sieht es deutlich: Amerika liegt zehn Meter höher als Europa. Jedes Jahr triften alte und neue Welt einen Zentimeter auseinander.

In einer Million Jahre - haben wir schnell ausgerechnet - wird hier ein zehn Kilometer breiter Graben sein. Derzeit ist es nur ein kleinen Sprung von Europa nach Amerika, und wir holen schnell einen "amerikanischen" Vulkanstein.

In Grindavik, südlich von Reykjavik, schließt sich unser kleiner Islandtrip bei einem Geothermalkraftwerk. Eine Szene wie aus einem Science-fiction-Film: Inmitten tiefschwarzem Lavagestein, teils mit grünen Moosflechten überzogen, liegt direkt neben dem futuristischen Erdwärmekraftwerk die "blaue Lagune". Das Wasser ist milchig türkisblau und zwischen 27 und 40 Grad warm, je nachdem, wie nahe man der Quelle ist, die Kraftwerk und Lagune aus 2000 Meter Tiefe mit 70 Grad heißem Wasser speist. Wir lassen uns durch das weiche mineralreiche Wasser, das auch bei Hautkrankheiten hilft, treiben und machen es den Isländern nach. Sie reiben sich mit schwarzem Lavastaub ein, das soll gesund sein. Edna Halldorsdottir, die "lifeguard", wird abgelöst. Nichts ist geschehen, sie hat niemanden retten müssen. Wir werden nie erfahren, ob sie unter ihrem Anorak einen Badeanzug trägt oder mit der ganzen Ausrüstung ins Wasser gesprungen wäre.

ZUR INFORMATION Land/Leute: 103.000 qm (etwas größer als Österreich), nur 265.000 Einwohner, Hauptstadt Reykjavik 102.000 Einwohner Angebote: Fly & drive: 3 Tage 6.300, 7 Tage 7.500 Schilling (bei 2 Personen) Icelandair Wien Tel. 01/5863674, Icelandair Frankfurt Tel. 0049/69/299978, Fax.0049/69/283872 Unterkunft: Edda Hotels (14 Hotels im ganzen Land), Reservierung: Tel.: 00354 505-0910, Fax.: 00354 505-0915, E-mail edda@icehotel.is), rund 880 Schilling pro DZ.

Literatur: Island. Von Sabine Barth. Dumont, Köln 1997. öS 145,-/e 10,45 Island. Von Winfried Wisniewski: BLV, München 1999. öS 218,-/e 15,84 Island. Merian live. Gräfe & Unzer Verlag, 1999. öS 109,-/e 7,92

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