Helfen statt abtreiben!

Werbung
Werbung
Werbung

Der Semmeringtunnel wird nach wie vor heftig diskutiert, ein anderes Gerichtsurteil, das nicht nur eine Röhre durch einen Berg, sondern Menschenleben betrifft, wurde meist nur kurz kommentiert: Der Oberste Gerichtshof hat den Eltern eines schwerstbehinderten Kindes Schadenersatz zugestanden, weil man der Mutter die erkennbaren Mißbildungen am Embryo nicht mitgeteilt und sie damit der Möglichkeit, das Kind abtreiben zu lassen, beraubt hatte.

In einer Zeit, in der uns Plakate belehren, nur in einem gesunden Körper wohne ein gesunder Geist, in der die Nichtbestrafung von Abtreibungen unter bestimmten Bedingungen bereits als Recht auf Abtreibung interpretiert wird, und in der das Mittel "Mifegyne" den Schwangerschaftsabbruch als harmlos erscheinen läßt, darf man sich über dieses Urteil zwar ärgern, aber nicht mehr sonderlich wundern. Es ist logische Konsequenz einer Entwicklung, die scheibchenweise den Schutz des Lebens durchlöchert.

In unserer von Anspruchsdenken geprägten Gesellschaft hat man natürlich auch Anspruch auf ein gesundes Kind, liest man aus dem Urteil heraus: Der betroffene behinderte Mensch hat zwar "sein Leben so hinzunehmen, wie es von der Natur gestaltet ist, und hat keinen Anspruch auf Verhütung oder Vernichtung durch andere", aber sehr wohl stehe der Mutter Schadenersatz für ihren Schock bei der Geburt zu.

Daß das Urteil den Schadenersatz auch zugesteht, wenn die Eltern eines mißgebildeten Kindes eine Abtreibung abgelehnt hätten, ihn zugleich aber niedriger ansetzt, ist entlarvend. Dabei kann es doch in einer humanen Gesellschaft gar nicht um "Schadenersatz", sondern nur um echte, solidarische Hilfe für betroffene Familien gehen. Aber die will man sich offenbar durch Selektion im Mutterleib möglichst ersparen.

Der pränatalen Diagnostik gibt das Urteil Auftrieb. Und bald wird wohl oberstgerichtlich zu klären sein, welche absehbare Behinderung noch Schadenersatzansprüche erlaubt und welche nicht. Eltern werden sich für behinderte Kinder rechtfertigen müssen, Ärzte im Zweifelsfall lieber mögliche "Mißbildungen" diagnostizieren als Vorwürfe oder Schadenersatzklagen riskieren. Ob die Richter bedacht haben, was ihr Urteil anrichten kann?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung