Helfende Hand im Hospiz

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Das Freiwillige Integrationsjahr bietet Asylberechtigten wie Karim F. eine neue Option, Jobpraxis in Österreich zu sammeln. Es hat aber auch schon für Kritik gesorgt.

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Das Freiwillige Integrationsjahr bietet Asylberechtigten wie Karim F. eine neue Option, Jobpraxis in Österreich zu sammeln. Es hat aber auch schon für Kritik gesorgt.

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"Wir wissen nicht, wie er das sprachlich macht, aber wenn er aus dem Zimmer kommt, weiß er, was der Patient will", sagt Stationsleiterin Martina Fertner über ihren neuen Mitarbeiter. Erst seit gut einer Woche hilft der Syrer Karim F. (Name der Red. bekannt) am Wiener Caritas Socialis-Hospiz Rennweg bei der Pflege mit. Durch sein Freiwilliges Integrationsjahr hat der junge Mann wieder einen fixen Tagesablauf: Morgens wird er einer Pflegeperson zugeteilt und ist für vier Patienten zuständig. Von der Essensausgabe über die Bettwäsche bis hin zur Körperpflege übernimmt er sämtliche Tätigkeiten. "Ich habe die Arbeit sehr vermisst und freue mich, jetzt endlich wieder eine Aufgabe zu haben", erzählt der 28-Jährige, der in Damaskus eine Ausbildung zum diplomierten Krankenpfleger abgeschlossen hat und dort zuletzt in der Notaufnahme tätig war.

reinschnuppern, ausprobieren

Das Freiwillige Integrationsjahr (FIJ) ist ein neues Arbeitsangebot für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte bei verschiedenen Sozialeinrichtungen, die Zivildiener beschäftigen. Es dauert zwischen sechs und zwölf Monaten, zusätzlich zum Arbeitstraining erhalten die Teilnehmer integrationsunterstützende Maßnahmen im Ausmaß von 150 Stunden, etwa Sprachkurse. Noch haben erst eine Handvoll Freiwillige ihr Integrationsjahr angetreten, doch die Nachfrage dürfte schon bald steigen. Denn derzeit sind rund 25.000 Asylberechtigte beim AMS registriert.

Kritisch sieht das neue Angebot Anny Knapp, Obfrau von asylkoordination österreich. Sie hält ein Integrationsjahr nur dann für sinnvoll, wenn Asylberechtigte noch Zeit zur Orientierung brauchen. "Wenn jemand bereit für das Arbeitsleben ist, sollten wir ihn nicht auf die Wartebank schieben", betont Knapp. Denn die Freiwilligen werden nicht bezahlt. Zudem sind sie während des Integrationsjahrs zwar kranken- und unfallversichert, jedoch nicht pensions-und arbeitslosenversichert.

Für Karim F. ist die Mitarbeit im Hospiz dennoch attraktiver, als untätig zu Hause zu sitzen. Seit sieben Monaten ist der Asylberechtigte in Österreich und wohnt nun mit seinem Vater und zwei Brüdern in einer kleinen Wohnung im 18. Bezirk. Einen Platz in einem Deutschkurs hatte er bis dato nicht. Nun kann er - obwohl er keine Papiere hat -den Arbeitsalltag hierzulande kennenlernen und ab September endlich einen Deutschkurs besuchen, was ihn motiviert: "Ich "Ich möchte mich während meines Integrationsjahres für die Anerkennung meiner Ausbildung vorbereiten und hoffe, ich kann bald als Krankenpfleger arbeiten."

Zum Schnuppern kam Karim F. zwei Vormittage ins Hospiz, die Stimmung auf der Station empfand er gleich als "aufgeschlossen". Das hauptsächlich weibliche Kollegium und die Pflege von Frauen stellen für ihn kein Problem dar. Im Lazarett sei er auch nicht gefragt worden, wenn Notfälle zu versorgen waren. "Da bin ich offen. Ich habe ja auch männliche und weibliche Freunde hier", betont er. Nun arbeitet der Freiwillige vier Tage pro Woche, insgesamt 34 Stunden. Er lebt von 825 Euro Mindestsicherung. Seinen Deutschkurs und das Mittagessen bezahlt die Caritas Socialis, auch die Kosten der Umschreibung seines Führerscheins will man übernehmen.

herausfordernd für alle

"Die sprachliche Umstellung ist derzeit noch sehr anstrengend für mich", räumt der Neo-Wiener ein. Deshalb trägt er immer ein Deutsch-Englisch-Wörterbuch in seiner Hosentasche und hat ein Buch zum Aufschreiben von Vokabeln dabei. Auch alle Kolleginnen haben inzwischen ein Arabisch-Lexikon in ihren Telefonen gespeichert, ein arabisches Medizin-Lexikon ist bereits bestellt.

So wie das Projekt im Hospiz angelaufen ist, stellt sich Fertner gelungene Integration vor. "Würde jedes Unternehmen nur einen Flüchtling aufnehmen, hätten wir kein Integrationsproblem", ist sie überzeugt. Dabei erkennt die 46-Jährige auch eine Bereicherung für die österreichische Seite: "Durch eine Erfahrung wie das Integrationsjahr lernen wir wieder zu schätzen, was wir haben." Sie hofft, dass ihr Schützling nach seinem Integrationsjahr im Hospiz weiterarbeiten darf. Wenn ihm allerdings vom AMS ein Job zugeteilt wird, muss er diesen annehmen. Fertner fände es schade, wenn das eine Stelle unter seinem Qualifikationsniveau wäre, etwa als Lagerarbeiter. "Ich wünsche ihm sehr, dass er einen Job machen darf, der ihm auch Spaß macht."

Nähere Infos unter www.integrationsjahr.at

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